BGH: Panoramafreiheit erlaubt gewerbliche Verwertung eines Bildes

Der Bundesgerichtshof entschied (Urteil v. 19.01.2017 – I ZR 242/15), dass das Aufbringen einer Fotografie eines Kunstwerkes auf einem dreidimensionalen Träger keine unzulässige Vervielfältigung sei.

Die Panoramafreiheit gestatte nicht nur das Fotografieren eines Werkes, sondern darüber hinaus auch die gewerbliche Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe der Fotografie.

Abbildung des Kunstwerkes in einem Architekturmodell

Im Rechtsstreit stritten sich ein Künstler und ein Unternehmer, der Wohnhochhäuser in Berlin vermarktet. Der Künstler war Urheber des Gemäldes „Hommage an die junge Generation“, welches auf den Überresten der Berliner Mauer in der „East Side Gallery“ verewigt ist.

Das Kunstwerkt besteht aus 16 sogenannten „Kopfbildern“. Der Mauerabschnitt ist für die Öffentlichkeit frei zugänglich.

Anfang 2013 bewarb der Unternehmer auf seiner Internetseite das Wohnhochhaus mit einem Foto eines Architekturmodells. Das Wohnhochhaus sollte direkt hinter der „East Side Gallery“ errichtet werden.

Für dieses Foto wurde ein Architekturmodell des Wohngebäudes angefertigt. Vor dem Gebäude war auch die Berliner Mauer in grober Struktur nachgebildet. Diese Nachbildung wurde mit einem maßstabsgetreu verkleinerten Ausschnitt des Kunstwerkes als Lichtbild beklebt. Von dem gesamten Architekturmodell wurden Fotografien gefertigt und im Internet veröffentlicht.

Gewerbliche Vervielfältigung des Kunstwerkes ist von der Panoramafreiheit umfasst

Die Vervielfältigung der Fotografie im Internet ist nach Ansicht des BGH von der Panoramafreiheit gedeckt, § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG. Die Panoramafreiheit erstrecke sich auch auf die gewerbliche Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe der Fotografie. Unzulässig sei hingegen nur die dreidimensionale Nachbildung des Werkes.

Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die nach § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG zulässige zweidimensionale Vervielfältigung des Mauerbilds durch Lichtbild nicht durch die Verbindung eines Ausschnitts des Lichtbildes mit dem entsprechenden Mauerabschnitt in dem Architekturmodell in eine nach § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG unzulässige dreidimensionale Vervielfältigung umgewandelt worden ist.

Abstraktes Architekturmodell ist noch keine Nachbildung

Allein durch das Aufbringen einer Fotografie eines Werkes auf einem dreidimensionalen Träger werde das Werk noch nicht in unzulässiger dreidimensionaler Form nachgebildet. Daher sei eine lediglich rein äußerliche, physische Verbindung von Fotografie und dreidimensionalen Träger noch keine unzulässige Vervielfältigung.

Erst, wenn zwischen der Fotografie und dem dreidimensionalen Träger eine innere künstlerische Verbindung entstehe, sodass die Fotografie mit ihm verschmelze, liegt eine unzulässige Vervielfältigung vor. Denn dann wird das Lichtbild nicht mehr lediglich vom Träger getragen, sondern bilde eine eigene Nachbildung. Dies wiederum führe zu einem Verstoß gegen die Panoramafreiheit.

Fotografie darf auf dreidimensionalem Träger abgebildet werden

In dem Aufkleben einer zweidimensionalen Fotografie auf einem dreidimensionalen Träger liege in aller Regel nur eine rein äußerliche Verbindung. Es werde kein dreidimensionales Werk geschaffen.

Durch das Aufkleben der zurechtgeschnittenen Fotografie des Gemäldes auf dem verkleinerten Modell der Mauer ist jedenfalls keine dreidimensionale Nachbildung des Mauerbildes entstanden. Die Mauerkrone und der Mauerabsatz sind in dem verkleinerten Modell der Mauer nicht reproduziert worden.

Kein Verstoß gegen das Änderungsverbot

Ferner verstoße die Nutzung des Werkes im Architekturmodell auch nicht gegen das Änderungsverbot des § 62 UrhG. Denn allein das vervielfältigen von Teilen eines Gesamtwerkes könne noch keinen Verstoß gegen das Änderungsverbot begründen.

BGH schafft Klarheit: gewerbliche Nutzung erlaubt

Soweit es überhaupt noch Vertreter der Gegenmeinung gegeben hat, wurde dem nun ein Riegel vorgeschoben. Der BGH hat ziemlich eindeutig dargestellt, dass eine Fotografie – erstellt unter dem Deckmantel der Panoramafreiheit – auch gewerbliche im Internet genutzt werden dürfe.

Die einzige Einschränkung ist die Umgestaltung in ein dreidimensionales Werk.

(Bild: © Alexi Tauzin – Fotolia.com)

19 Gedanken zu „BGH: Panoramafreiheit erlaubt gewerbliche Verwertung eines Bildes“

  1. Von Interesse dürfte vielleicht auch sein, dass eine solche Abbildung zwar auf ein Modell geklebt, das Modell aber nicht als Bauwerk realisiert werden darf (z. B. mit einem Fresko der Abbildung auf dem Mauerwerk). Denn das verbietet § 59 (2) UrhG: „Die Vervielfältigungen dürfen nicht an einem Bauwerk vorgenommen werden.“ Siehe hierzu auch RN 34 der Urteilsbegründung.

    Ich wüsste auch gern, wie der BGH jetzt zu seiner Begründung des Urteils „Hundertwasserhaus“ steht. Die lässt ja nur den Blickwinkel von der Straße aus zu. Von einem verkleinerten Modell mit aufgeklebten Bildern werden Fotos i.d.R. ja aus allen möglichen Perspektiven aufgenommen.

    MfG
    Johannes

    Antworten
  2. Mit Interesse haben ich Ihren Beitrag gelesen. Ist es dann auch möglich, ein bekanntes Gebäude oder Bauwerk wie Denkmal eines privaten Besitzers oder das sich im Eigemtum der Öffentlichen Hand befindet, auf einem Werbemittel in verfremdeter Form abzubilden?

    Antworten
  3. ….wie sieht es mit der Veröffentlichung von Gebäuden aus dem Ausland aus („Stichwort: Eiffelturm bei Nacht“) ? Reicht das französische Urheberrecht bis in mein Deutsches Instagram Account?

    Antworten
  4. Vielen Dank erstmal für Ihre Antwort. Wie sähe es mit beweglichen Gegenständen aus? Kann ich ein Foto mit einem historischen Zug oder einem Fahrzeug ablichten und auf einem Werbemittel verwenden.

    Antworten
  5. erstmal vielen dank für die aufklärung, dürfte ich von einer stillgelegten firma die für die öffentlichkeit freigegeben wurde fotos machen, Vektorisieren und zb auch t shirts verkaufen? als erinnerung für die ex mitarbeiter!!!

    Antworten
  6. Vielen Dank für diese hilfreiche Information! Verstehe ich es richtig, dass mir die Panoramafreiheit auch die kommerzielle Vermarktung von selbst erstellten Fotografien öffentlicher Kunstwerke erlaubt? Konkret habe ich eine öffentlich zugängliche Skulptur vor einen abstrakten Hintergrund montiert und möchte diese als Drucke ausstellen und vermarkten.

    Antworten
  7. Guten Tag , danke für die vielen Informationen , die aber trotzdem einige Fragen offen lassen . Im konkreten Fall stellt sich mir die Frage ob eine öffentliche Stadtansicht (Kirche und modernes Nebengebäude)gewerblich genutzt werden kann ,in dem man ein Foto (Panoramafreiheit!) halbplastisch als Schmuckstück reproduzieren darf. Gilt die Veränderung der Raumtiefe im Modell zum Vergleich des Originals schon als küstlerische Arbeit und ist somit schon ein eigenständiges Werk ? Ich danke im Vorraus für die Antwort

    Antworten
    • Hallo Micha G.,

      deine Frage wird (nur) relevant, wenn die Panoramafreiheit nicht greifen sollte. Und wenn das der Fall ist, muss die Zulässigkeit im Einzelfall geprüft werden. Das sprengt aber die Kommentarfunktion hier und für konkrete Anfragen können wir jederzeit in unserer Kanzlei kontaktiert werden: info@tww.law // 0228 387 560 200.

      Beste Grüße
      Florian Wagenknecht

      Antworten
  8. Hallo,
    ich habe den Beitrag hier mit Interesse gelesen. Ich stelle mir die Frage wie es sein kann, dass z.B. in Kassel das Fotografieren des „Herkules“ (Weltkulturerbe) zwar privat erlaubt ist, jedoch die kommerzielle Nutzung z.B. das Bild auf einer Tasse abgedruckt nur gegen Gebühren möglich ist. Der Bergpark ist frei zugänglich, es gibt keine Zäune etc. dennoch muss man angeblich zahlen. Nach Rückfrage per Telefon wird mir erklärt, dass der Europäische Gerichtshof hier eine gesonderte Entscheidung getroffen hat. Gibt es also doch Ausnahmen bei der Panaramafreiheit?

    Antworten

Schreibe einen Kommentar