Die ,Panoramafreiheit‘

Stoff vieler Diskussionen unter Fotografen und Juristen gleichermaßen ist die sog. ,Panoramafreiheit‘. Nicht nur beim Streit um die Zulässigkeit von Google Street View aus urheberrechtlicher Sicht stellen sich immer wieder Fragen, was die Panoramafreiheit ist, was sie erlaubt und wann sie überhaupt zur Anwendung kommt.

Panoramafreiheit: geregelt im § 59 UrhG

Die Panoramafreiheit in § 59 UrhG besagt:

Werke an öffentlichen Plätzen

(1) Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken erstrecken sich diese Befugnisse nur auf die äußere Ansicht.

(2) Die Vervielfältigungen dürfen nicht an einem Bauwerk vorgenommen werden.

Zweck der Vorschrift ist die Erleichterung der Abbildung von Straßenzügen und -bildern. Gäbe es die Vorschrift nicht, müsste bei jeder Abbildung von Städten, Marktplätzen, o.ä. die Einwilligung jedes einzelnen Rechteinhabers eingeholt werden. Dies ist in der Praxis unmöglich umzusetzen.

Bleibende Werke dürfen fotografiert werden

Zunächst muss es sich bei dem abgebildeten Motiv um ein bleibendes Werk handeln. Bei ,Werken‘ im Sinne der Vorschrift handelt es sich zumeist um Gebäude, jedoch sind z.B. auch Installationen der Kunst von dem Begriff umfasst.

Ab wann ein Werk ,bleibend‘ ist, ist nicht abschließend geklärt. Die prominenteste Entscheidung zu diesem Aspekt ist wohl die des Bundesgerichtshofs bzgl. der Verhüllung des Reichstags durch die Künstler Christo und Jean-Claude („Verhüllter Reichstag“: BGH, Urt. v. 24. Januar 2002, Aktz. I ZR 102/99). Eine zweiwöchige Verhüllung ist demnach nicht ausreichend um das Merkmal ,bleibend‘ der Panoramafreiheit zu erfüllen.

Zweifelsfrei ist es jedoch bei Installationen erfüllt, die über mehrere Jahre an einem Ort verbleiben.

Immer auf dem Boden bleiben

Die erste Einschränkung liegt in der Art und Weise, wie das Foto aufgenommen wird. Die Befugnis erstreckt sich nur auf die äußere Ansicht eines Werkes. Alles, was mehr als nur die äußere Ansicht zeigt und damit auch von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus nicht mehr einsehbar ist, ist nicht von § 59 UrhG gedeckt.

So lehnte der Bundesgerichtshof den Schutz eines Fotos, das aus einer gegenüberliegenden Wohnung und (deswegen aus) erhöhter Perspektive aufgenommen wurde, ab („Hundertwasser-Haus“: BGH, Urt. v. 05.06.2003, Az.: I ZR 192/00).

Ebenso ist ein Luftaufnahme unzulässig und es werden in dem Urteil neben dem Flugzeug auch Teleobjektiv und Leiter als weitere unzulässige Hilfsmittel deklariert, wenn damit die Privatsphäre ausgespäht werde.

Für den Fotografen heißt es daher: auf dem Boden bleiben!

Keine Panoramafreiheit auf Privateigentum

Die Merkmale der ,Panoramafreiheit‘ werden durch die Rechtsprechung bisher sehr eng ausgelegt. Unter Anknüpfung an die bereits bestehende Rechtsprechung zu „Schloss Tegel“ (I ZR 99/73) und „Friesenhaus“ (I ZR 54/87) kann der Eigentümer damit die Herstellung und Verwertung von Fotos nicht untersagen, wenn sie von außerhalb seines Grundstücks aufgenommen worden sind (BGH, Urt. v. 17.12.2010, Az.: V ZR 45/10):

Das Eigentum kann vielmehr auch dadurch beeinträchtigt werden, dass es, ohne beschädigt zu werden, in einer dem Willen des Eigentümers widersprechenden Weise genutzt wird […] So liegt es bei der ungenehmigten Anfertigung von Abbildern von Gebäuden und Gärten von dem Grundstück aus, auf dem sie stehen. Diese Beeinträchtigung des Eigentums wird durch die ebenfalls ungenehmigte Verwertung der ungenehmigten Abbilder vertieft und im Verhältnis zum Grundstückseigentümer nicht dadurch gerechtfertigt, dass eine Verwertung seiner Bilder durch Dritte nur der Urheber, nicht der Grundstückseigentümer erlauben könnte.

Nicht von der ,Panoramafreiheit‘ umfasst sind also Fotografien, die von privatem Grund aus gemacht werden. In diesem Bereich wirkt das Recht des Grundstückeigentümers und er kann jede Handlung auf seinem Grund und Boden untersagen.

Panoramafreiheit: keine Aussage über Persönlichkeitsrechte

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Panoramafreiheit im Urheberrecht verankert ist. Die ,Panoramafreiheit‘ soll zwar (auch) die grundrechtlich geschützte Privatsphäre der Menschen schützen. Damit wird vermieden, dass unter Ausnutzung der ,Panoramafreiheit‘ als privat einzustufende Details an die Öffentlichkeit gelangen.

Durch die Panoramafreiheit nicht geregelt werden allerdings Persönlichkeitsrechte abgebildeter Personen. Hierfür ist in §§ 22, 23 KUG zu schauen.

(Foto: madochab / Quelle: photocase.com)

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15 Gedanken zu „Die ,Panoramafreiheit‘“

  1. Vielen Dank für den Artikel. Eine Frage bleibt mir ungeklärt und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir diese beantworten können: wenn man ein Foto von einer Skulptur, die sich im öffentlichen Raum dauerhaft befindet, veröffentlicht, z.B. auf Wikipedia, muss man nicht den Namen des Bildhauers nennen? Und sollte das Kunstwerk nicht so, wie vom Künstler geschaffen, gezeigt werden, also ohne es zu verfremden oder mit Kleidungsstücken, Pflanzen oder anderen Objekten zu schmücken?

    Vielen Dank im Voraus.
    Viele Grüße

    Antworten
    • Hallo IL,

      bezüglich der Nennung des Namens des Bildhauers gilt Folgendes: Wenn ein Foto von einer Skulptur im öffentlichen Raum gemacht und veröffentlicht wird, beispielsweise auf Wikipedia, unterliegt dieses Bild grundsätzlich der Panoramafreiheit, wie in § 59 UrhG geregelt. Das bedeutet, dass das Foto ohne Einwilligung des Urhebers (also des Bildhauers) veröffentlicht werden darf, sofern die Skulptur dauerhaft im öffentlichen Raum steht.

      Jedoch bedeutet dies nicht, dass der Urheber nicht genannt werden muss. Der Bildhauer hat gemäß § 13 UrhG das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft. Das heißt, der Name des Künstlers sollte genannt werden, da dies ein Teil seines (Urheber)Persönlichkeitsrechts ist. Bei Veröffentlichungen auf Plattformen wie Wikipedia wird daher in der Regel auch der Name des Künstlers angegeben, um diesem Recht gerecht zu werden.

      Zur Frage der Verfremdung des Kunstwerks: Auch wenn die Panoramafreiheit das Fotografieren und Veröffentlichen erlaubt, bleibt das Werk urheberrechtlich geschützt. Jegliche Veränderung oder Verfremdung, wie das Hinzufügen von Kleidungsstücken, Pflanzen oder anderen Objekten, kann als Eingriff in das Urheberrecht angesehen werden. Solche Eingriffe könnten gegen das Urheberpersönlichkeitsrecht des Künstlers, insbesondere das Recht auf Werkintegrität (§ 14 UrhG), verstoßen, wenn sie das Werk in einer Weise verändern, die den künstlerischen Ausdruck verfälscht.

      Für den Einzelfall wäre eine entsprechende Beratung notwendig. Melden Sie sich bei Bedarf dazu gerne in der Kanzlei.

      VG
      Dennis Tölle

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