Urne als Werk der angewandten Kunst

In einem vom OLG Köln (Urt. v. 20.02.2015, Az.: 6 U 131/14) zu entscheidenden Fall stritten sich die Parteien um den Vertrieb von Urnen. Die Klägerin beanstandete, dass die Beklagte ihr Urnenprogramm nachahmen würde. Dabei ging es insbesondere um eine Urne mit dem Motiv eines Hirsches vor einer Tallandschaft, welches in einer sogenannten Airbrush-Mischtechnik gefertigt wird. Der Ersteller des Motivs hatte der Klägerin die ausschließlichen Nutzung- und Verwertungsrechte übertragen. Sie machte daher urheberrechtliche Ansprüche, u.a. auf Unterlassung und Schadensersatz, geltend.

Urne kann Werk angewandter Kunst sein

Die Urne mit der Darstellung des Hirsches sei – unter Berücksichtigung der Maßstäbe, die der BGH in der Entscheidung „Geburtstagszug“ (Urteil v. 13.11.2013, Az.: I ZR 143/12) aufgestellt habe – als Werk der angewandten Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG urheberschutzfähig. Es handele sich dabei um eine persönliche geistige Schöpfung im Sinn des § 2 Abs. 2 UrhG. Eine solche setze eine individuelle Prägung voraus, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden könne (vgl. BGH a.a.O.).

Maßgeblich sei vorliegend, dass es sich bei der Urne der Klägerin nicht um naturalistisch gestaltete Naturnachbildungen handele, so die Richter. Vielmehr sei das Produkt einerseits phantasievoll und farbintensiv gestaltet, andererseits zugleich bei der Wahl der hierzu eingesetzten Stilmittel stark reduziert worden.

Auch der Beklagten sei es im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens nicht möglich gewesen eine einzige Urne aufzuzeigen, die mit einem auch nur entfernt ähnlichen Motiv versehen worden sei. Insgesamt weise das Produkt der Klägerin nach Auffassung des Senats daher die erforderliche Schöpfungshöhe auf.

Keine zulässige freie Benutzung

Auch handele es sich bei dem Produkt der Beklagten nicht um eine zulässige der Klägerin im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG.

Bei der Frage, ob in freier Benutzung eines geschützten älteren Werkes ein selbstständiges neues Werk geschaffen worden sei, komme es entscheidend auf den Abstand an, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes halte. Eine freie Benutzung setze voraus, dass angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen. Die Veränderung der benutzten Vorlage müsse so weitreichend sein, dass die Nachbildung über eine eigene schöpferische Ausdruckskraft verfüge. Dabei sei neben der Eigenständigkeit des bearbeiteten Werkes der Grad der Individualität des Ausgangswerkes zu berücksichtigen. Der für eine freie Benutzung notwendige Abstand sei in dem neuen Werk schneller erreicht, wenn das Originalwerk nur einen geringeren Grad an Individualität aufweise.

Nach Ansicht des Senats sei der Gesamteindruck beider Urnen einander so ähnlich, dass dem Produkt der Beklagten keine eigenpersönlichen schöpferischen Züge zukommen würden. Vielmehr würden beide Urnen durch das im selben Farbton gehaltene Motiv eines silhouettenartig dargestellten Hirsches vor einer offenen Tallandschaft geprägt. Die vorhandenen Unterschiede würden dagegen nur Details betreffen, die den Gesamteindruck nicht prägen und daher nicht die Annahme einer eigenschöpferischen Leistung erlauben würden. Auch der Einwand einer selbständigen Parallelschöpfung sei fernliegend.

Kleine Münzen bei Werken der angewandten Kunst

Das Urteil zeigt erneut die Leitlinie des BGH auf. Die „kleine Münze“ gilt wie bei einem Geburtstagszug auch bei einer Urne als Werk der angewandten Kunst. Sehr schön stellt das Gericht die Voraussetzungen einer freien Benutzung dar – in diesem Fall war es eine eindeutige Kopie des Originals und die freie Benutzung entfiel damit.

(Bild: © georgerod – Fotolia.com)

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