Auch Abbildungen von unbekannten Personen können Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sein. So hat das OLG Karlsruhe in einem kürzlich veröffentlichten Fall entschieden.
Amateur-Models ab 14 Jahren gesucht!
Der Kläger ist ein Lehrer und Hobbyfotograf. Als angebliche Amateur-Model-Agentur inserierte er im Internet eine Anzeige in der er Amateur-Models ab einem Alter von 14 Jahren für ein Testshooting suchte. Mit der Anzeige wurde ein Beispielbild veröffentlicht, welches eine junge Frau zeigte, die bäuchlings auf einem Bett liegt und ihre nackten Füße nach oben streckt.
Eine Rundfunkanstalt wurde auf die Anzeige Lehrers im Rahmen von Recherchen für einen Beitrag zu dem Thema „dubiose Internetanzeigen“ aufmerksam und nahm Kontakt mit ihm auf. Eine (volljährige) Mitarbeiterin gab sich sodann als 17-jährige aus und nahm – mit versteckter Kamera – an einem Amateur-Fotoshooting des Klägers teil. Während des Shootings musste sie sich ebenfalls mit dem Bauch auf eine Decke legen und ihre nackten Füße nach oben strecken. Der Lehrer gab sich dabei als professioneller Fotograf aus, der angeblich sechs bis acht Fotoshootings pro Woche durchführe.
Kurz darauf trat eine weitere Mitarbeiterin mit offen erkennbarer Kamera vor den Kläger und befragte ihn zu den Aufnahmen. Noch in ihrem Beisein löschte der Kläger die gemachten Fotos. Im später ausgestrahlten Filmbeitrag waren Teile des Fotoshootings sowie des Interviews mit dem Lehrer zu sehen. Das Gesicht des Klägers ist dabei verpixelt und die Stimme nachgesprochen.
Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte
Mit Urteil vom 08. Oktober2014 (Az.: 6 U 145/13) hat das OLG Karlsruhe das zuvor ergangene Urteil des LG Karlsruhe (Az.: 5 O 464/12) bestätigt und einen Anspruch des Klägers auf Unterlassung verneint. Durch die Ausstrahlung des Sendebeitrags sei weder das Recht des Klägers am eigenen Bild (§ 22 KUG) noch das nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt worden.
Die Veröffentlichung der beanstandeten Filmaufnahmen sei ohne Einwilligung des Hobbyfotografen zulässig, da diese Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG darstellen würden. Nach Auffassung des Gerichts sei Voraussetzung dafür nicht die Bekanntheit der Person. Auch Abbildungen Unbekannter könnten Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte sein.
Minderjährigenschutz überwiegt
Die nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 KUG erforderliche Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers und der grundrechtlich gewährten Pressefreiheit ergebe, dass ein berechtigtes Interesse des Klägers nicht verletzt werde.
Die Beklagte habe vor allem Minderjährige vor dubiosen Internetanzeigen warnen wollen. Der Ausstrahlung der den Kläger betreffenden Aufnahmen sei dabei erkennbar die Bedeutung zugekommen, dem Textbeitrag zur Authentizität zu verhelfen und die konkreten Situationen, in die Personen durch die unreflektierte Reaktion auf Internetanzeigen geraten können, anschaulich aufzuzeigen. Damit sei die Beklagte insbesondere im Hinblick auf den Minderjährigenschutz einer erheblichen, im Interesse der Öffentlichkeit stehenden Aufgabe nachgekommen.
Dabei helfe dem Hobbyfotografen auch nicht die Berufung darauf, dass die Bilder eher als harmlos einzustufen seien und auch namhafte Unternehmen mit entsprechenden Posen Werbung machen würden, ohne dass dies als anstößig eingestuft und empfunden werde.
Gegenstand des Beitrags sei ersichtlich nicht gewesen, vor Bildern dieser Art zu warnen, sondern vielmehr dazu anzuleiten, derartige Internetangebote kritisch zu hinterfragen. Nicht bei jeder Modelagentur, die im Internet nach Models sucht, handele es sich um eine professionelle Modelagentur mit entsprechenden Kontakten zur Modebranche und professionellen Fotografen. Man wisse nie, zu welchem Zweck die Aufnahmen tatsächlich gemacht würden. Dies würde der Fall des Klägers, der sich wahrheitswidrig als Fotograf für einen Model-Agenten ausgegeben hat, in anschaulicher Weise vermitteln.
Keine schutzwürdigen Belange des Klägers
Der Zulässigkeit der Verbreitung des Beitrags stehe auch nicht entgegen, dass er z. T. heimlich aufgenommen worden sei. Die rechtswidrige Erlangung von Informationen führe nicht dazu, dass die Verbreitung unzulässig sei. Vielmehr sei die etwaige Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung lediglich ein Abwägungsfaktor. Durch die Heimlichkeit der Aufnahmen sei der Persönlichkeitsbereich des Beklagten zwar in besonderem Maße berührt. Andererseits sei er aber mit seinem Handeln von sich aus in die Öffentlichkeit getreten und habe sich dieser sogar selbstbestimmt angeboten.
Auch im Übrigen habe der Persönlichkeitsschutz des Beklagten im konkreten Einzelfall hinter dem Öffentlichkeitsinteresse an der Publikation zurückstehen. Zwar sei er in dem Beitrag nicht so weit unkenntlich gemacht worden, dass er für niemanden erkennbar sei. Denn seine Körperform und die Konstitution seiner Arme seien derart individuell, dass ein Bekannter ihn durchaus hätte wiedererkennen können. Die Beklagte habe aber der Gefahr der Wiedererkennung in ausreichender Weise dadurch entgegen gewirkt, dass sie das Gesicht verpixelt und die Stimme nachgesprochen habe. Zudem wurde er als H. W. benannt und Bekannte würden zumindest Zweifel daran haben, dass es sich tatsächlich um den Kläger handele. Denn weder der Vorname noch der erste Buchstabe seines Familiennamens würden sich damit in Übereinstimmung bringen lassen.
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