Das LG Münster (Urteil v. 22.07.2015 – 012 O 374/14) setzte die Höhe für den Ausgleich eines immateriellen Schadens bei der Veröffentlichung eines Intimfotos im Einzelfall noch auf 20.000 Euro fest. Im anschließenden Berufungsverfahren reduzierte das OLG Hamm diesen Betrag mit Urteil vom 20. Februar 2017 (Az.: 3 U 138/15) jedoch sodann auf 7.000 Euro.
Veröffentlichung eines Intimfotos im Internet
Der Beklagte – damals 16-Jährige – hatte ein Intimfoto von seiner gleichaltrigen Ex-Freundin und ihm auf einer wohl sehr gut besuchten Internetseite veröffentlicht. Es zeigte die beiden während des Oralverkehrs.
LG Münster sprach dem Opfer 20.000 Euro zu
Nachdem die abgebildete Ex-Freundin über zahlreiche Freunde von dem Intimfoto erfuhr, veranlasste sie umgehend die Löschung des Bildes. Im Rahmen eines Zivilverfahrens vor dem Landgericht Münster verlangte sie dann „Schmerzensgeld“ in Höhe von mindestens 5.000 Euro für die Veröffentlichung des Intimfotos und insbesondere als Schadensersatz für die erlittene psychische Erkrankung. Das LG München sprach ihr am Ende des Verfahrens als Ausgleich für die entstandenen immateriellen Schäden sogar einen Betrag in Höhe von 20.000 Euro zu.
OLG Hamm reduziert den Betrag auf 7.000 Euro
Auch das OLG Hamm bejahte im Rahmen des Berufungsverfahrens den Anspruch eines Schadensersatzes für die entstandenen immateriellen Schäden aufgrund der Veröffentlichung des Intimfotos im Internet. Allerdings blieb das Gericht mit den sodann zugesprochenen 7.000 Euro weit unter den noch vom LG Münster zugesprochenen 20.000 Euro.
Nach Ansicht des OLG habe der Ex-Freund seiner Ex-Freundin durch die Veröffentlichung des Fotos ohne ihre Zustimmung einen Gesundheitsschaden zugefügt. Ein Sachverständiger bestätigte im Prozess, dass die abgebildete Ex-Freundin verschiedene, sich teils über Jahre hinziehende, teils schwere psychische Erkrankungen erlitten habe.
Bei der Ermittlung der Höhe des Schadensersatzes seien die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen
Bei der Höhe des „Schmerzensgeldes“ ging das OLG Hamm von einer Gesamtabwägung aus. Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass das Opfer die Öffentlichkeit aufgrund der erlittenen psychischen Erkrankungen für eine lange Zeit gescheut habe. Allerdings sei auch zu berücksichtigen gewesen, dass der damals 16-Jährige Täter das Foto wohl im Rahmen einer – vermutlich stark alkoholisierten – Spontanhandlung ins Netz gestellt habe. Auch zu berücksichtigen sei gewesen, dass das Foto wohl zunächst einvernehmlich entstanden sei.
Durch den nun vollzogenen Schulabschluss und den Wohnortwechsel des Opfers sei nach Ansicht des OLG in Zukunft wohl nicht mehr mit einer massiven Konfrontation mit dem Intimfoto zu rechnen. Daher ergebe die Abwägung im Einzelfalls lediglich einen angemessenen Schadensersatz in Höhe von 7.000 Euro.
Mit der Entscheidung hält das Gericht die Anforderungen an eine Entschädigung und an die Höhe der Entschädigung weiter hoch. Es bestehe zwar regelmäßig ein Unterlassungsanspruch bei der unberechtigten Veröffentlichung von privaten Fotos. Aber nicht jede rechtswidrige Fotoveröffentlichung führe automatisch zu einer Geldzahlung oder zu einem Schmerzensgeld.
(Bild: © Rawpixel.com – Fotolia.com)
Dazu ein kurzer Kommentar aus Sicht des österreichischen Rechtes:
§ 87 Abs 2 öUrhG gewährt bei schuldhaftem Handeln des Täters einen immateriellen Schadensersatzanspruch, der aber eine empfindliche Kränkung durch eine Verletzung des Bildnisschutzes voraussetzt. Diese kann zweifellos angenommen werden. Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung kommt dem Gericht in einem solchen Fall ein sehr weiter Ermessensspielraum zu. Orientiert man sich an medienrechtlichen Entschädigungsbeiträgen – die im übrigen bei zwei parallel geführten Verfahren anzurechnen wären (!) – bewegen sich die zugesprochenen € 7.000 in einem nicht unüblichen Bereich.
Allerdings scheint das OLG Hamm den Weg eines Schadenersatzes im Wege des Schmerzengeldes gegangen zu sein. Voraussetzung hierfür wäre (neben der schuldhaften Verletzung eines geschützten Rechtsgutes, im gegenständlichen Fall Gesundheit und Intimleben, und deren Kausalität für den Schaden) nach österreichischem Recht eine Gesundheitsbeeinträchtigung, die nach den Ausführungen (schwere psychische Erkrankungen) wohl gegeben war. Deren Ausmaß ist dann von einem medizinischen Sachverständigen festzustellen. Diesbezüglich unterscheidet sich die österreichische Judikatur auch deutlich von jener in Deutschland. Der österreichische medizinische Sachverständige bestimmt komprimierte Schmerzperioden, aus denen sich – in der Praxis – unter Heranziehung von Entschädigungssätzen für schwere, mittlere und leichte Schmerzen das Schmerzengeld errechnen lässt. Auch nach dem System mögen die € 7.000 korrekt sein, dies kann ohne Detailkenntnis nicht beurteilt werden
Dennoch würde das Urteil des OLG Hamm in Österreich einer Überprüfung durch die herangezogene Begründung kaum standhalten:
– Die Alkoholisierung wäre in einem Strafverfahren ein Milderungsgrund, im Zivilverfahren ist sie hingegen unbeachtlich (wenn ich alkoholisiert jemanden niederfahre, reduziert der Umstand meiner Alkoholisierung auch natürlich nicht den an das Opfer zu zahlenden Schmerzengeldbetrag).
– Ebenso unbeachtlich muss bleiben, dass das Foto ursprünglich einvernehmlich aufgenommen wurde – geht man, wie ich im vorliegenden Kommentar, davon aus, dass das Einvernehmen sich nicht auf eine Veröffentlichung bezog, sondern nur darauf, über das Bild wechselseitig und in der Beziehung zu verfügen; dies jedoch ausschließlich zu privaten Zwecken und nicht zur Verbreitung.
– Zuletzt könnte auch der Ortswechsel nach Schulabschluss vom Gericht nicht als Grund für eine betragliche Reduktion berücksichtigt werden. Falls sich hierdurch das seelische Leid gemildert hat, müsste dieser Umstand im medizinischen Sachbefund Niederschlag finden. Eine gleichsam doppelte Berücksichtigung bei der Höhe des Schmerzengeldbetrages ginge hingegen fehl.
Ich möchte mir nicht anmaßen, die Entscheidung des OLG Hamm nach deutschem Recht zu beurteilen – aus dessen Sicht mag sie korrekt sein.
Allerdings zeigt dieser Fall deutlich auf, dass bei der unbestreitbar bestehenden Ähnlichkeit der Rechtsordnungen in Deutschland und Österreich im Detail und Einzelfall dann doch gravierende Unterschiede in der Beurteilung auftreten könnten.
RA Dr. Erik R. Kroker