Ende des fliegenden Gerichtsstands bei „privaten Urheberrechtsverletzungen“

Was ist der fliegende Gerichtsstand?

Vor jedem gerichtlichen Tätigwerden, muss der Kläger entscheiden, wo er seine Klage einreichen kann. Hierzu gibt es u.a. in der Zivilprozessordnung (ZPO) verschiedene Regelungen die festlegen, wann und wo Klage erhoben werden muss. Eine dieser Regelungen (§ 32 ZPO) regelt den sog. Gerichtsstand der unerlaubten Handlung. Möchte also jemand auf Grund einer gegen ihn gerichteten unerlaubten Handlung Klage erheben, so kann er dies bei dem Gericht, in dessen Bezirk die Handlung begangen wurde, tun. Beispiel: A verletzt B in Köln. Nun kann B den A in Köln verklagen, auch wenn dieser z. B. in Hamburg wohnt.

Um zum Urheberrecht zu kommen: Auch eine Urheberrechtsverletzung gilt als unerlaubte Handlung im Sinne des § 32 ZPO. Folglich kann der Urheberr an dem Ort Klage erheben, an dem sein Urheberrecht verletzt wurde. Es gibt nicht wenige Stimmen, die den Erfolg einer Urheberrechtsverletzung im Internet überall dort sehen, wo beispielsweise das geklaute Bild abrufbar und sichtbar ist. Das wäre überall dort, wo ein Internetanschluss zur Verfügung steht – also im gesamten Bundesgebiet. Damit bestünde ein Wahlrecht des Urhebers nach § 35 ZPO. Dies hat zur Folge, dass sich der Kläger dasjenige Gericht aussuchen kann, bei dem er sich die größten Erfolgschancen ausrechnet.

Neu: Ausschließlicher Gerichtsstand bei Klagen gegen Privatpersonen

Mit dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken vom 01.10.2013 (BGBl. I S. 3714) wurde der neue § 104a UrhG eingeführt:

§ 104a

Gerichtsstand

(1) Für Klagen wegen Urheberrechtsstreitsachen gegen eine natürliche Person, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk diese Person zur Zeit der Klageerhebung ihren Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wenn die beklagte Person im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

(2) § 105 bleibt unberührt.

Der Gesetzgeber führt somit für urheberrechtliche Streitigkeiten, die nicht im gewerblichen Bereich stattgefunden haben, einen ausschließlichen Gerichtsstand ein. Dies hat zur Folge, dass das Wahlrecht des Klägers hinsichtlich des Ortes der Klageerhebung erlischt. Fortan kann er nur noch am Wohnsitz des Verletzers Klage erheben. Ausgenommen davon bleiben Verletzer, die geschützte Werke für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwenden.

Folge: erschwerte Rechtsdurchsetzung und Mehrkosten

Die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen auf nicht-gewerblicher Ebene wird mit der Einführung des § 104a UrhG erschwert. Es werden sich sowohl der Verletzte als auch sein Rechtsbeistand einmal mehr überlegen, ob sich eine Verfolgung finanziell und zeitlich überhaupt lohnt. Insbesondere in nicht ganz eindeutigen Fällen (und welche sind das schon) wird das Prozesskostenrisiko durch Reisekosten zum Teil ernorm erhöht.

Hinzu kommt die Gefahr, dass das Gericht am Wohnsitzes des Beklagten mit den Besonderheiten des Urheberrechts nicht in der gewünschten Form vertraut ist. Es bleibt zu hoffen, dass zumindest dieser Gefahr durch die weitere Zentralisierungen der Zuständigkeiten innerhalb der Gerichtsbezirke entschärft wird. Entsprechend § 104a Abs. 2 UrhG ist eine solche Zentralisierung der Gerichte in Urheberrechtsstreitigkeiten weiterhin vorgesehen. Entsprechende Konzentrierungen sind z. B. in Nordrhein-Westfalen bereits durch Landesverordnung erfolgt. Daraus ergeben sich folgende Zuständigkeiten für urheberrechtliche Streitigkeiten (je nach Streitwert Amtsgericht oder Landgericht):

  • Amtsgericht/Landgericht Düsseldorf für den Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf,
  • Amtsgerich/Landgericht Bielefeld für die Landgerichtsbezirke Bielefeld, Detmold, Münster und Paderborn,
  • Amtsgericht/Landgericht Bochum für die Landgerichtsbezirke Arnsberg, Bochum, Dortmund, Essen, Hagen und Siegen,
  • Amtsgericht/Landgericht Köln für den Oberlandesgerichtsbezirk Köln

Begeht also der in Aachen wohnhafte Privatmann A eine Urheberrechtsverletzung, so ist gegen ihn je nach Höhe des Streitwertes Klage vor dem Amts- bzw. Landgericht Köln zu erheben.

Fazit: Verschlimmbesserung

Die Einführung des § 104a UrhG mag seine Berechtigung haben, dem „Abmahnwahnsinn“ zu begegnen. Tatsächlich werden dem Urheber mehr und mehr Steine in den Weg gelegt, seinen berechtigten Anspruch geltend zu machen. Er sieht sich bei der Durchsetzung seiner Ansprüche einem (noch) höheren Prozesskostenrisiko ausgesetzt und muss einen großen Aufwand betreiben, um den Anspruch durchzusetzen.

Übrigens: Keine Wirkung erlangt der § 104a UrhG für solche Streitigkeiten, die vor dem 09.10.2013 rechtshängig geworden sind. So entschieden sowohl das LG als auch das OLG Hamburg (Urteil v. 03.01.2014, Az.: 5 W 93/13).

(Bild: © saschi79 – Fotolia.com)

4 Gedanken zu „Ende des fliegenden Gerichtsstands bei „privaten Urheberrechtsverletzungen““

  1. Es wurde echt Zeit dafür und die „Erschwernisse“ für Urheber sind lediglich Wegnahmen von vorher ungerechtfertigten Vorteilen. Gerade da es hier um nichtkommerzielle Verletzungen geht, ist das die einzig vernünftige Alternative für die Wahl des Gerichtsstands.

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  2. Als es um den Abmahnwahn ging, hat man keine mäßigenden Worte von den Urhebern (und deren Lobbyorganisationen) gehört, es hat eher den Anschein, als ob einige dies zur Geschäftsgrundlage machten. Nun, da der Gesetzgeber ein klein wenig gegensteuert, ist das Geschrei groß.
    Ich habe da jedenfalls kein Mitleid.

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  3. Was ist an der Materie Urheberrecht so wichtig und bedeutend, dass das Land NRW hier Spezialzuständigkeiten in Form von Sondergerichten meint, bestimmen zu dürfen? Wie viele bzw. andere Materien ist ein durchschnittlich ausgebildeter Richter eines Amts- oder Landgerichtes in der Lage auch diese Rechtsvorschriften korrekt anzuwenden und zu einem gerechten Urteil zu gelangen! Es ist nicht dienlich, wenn der verfassungsrechtlich geschützte Grundsatz verlassen wird, dass ein zivilrechtlich Beklagter anderwo als dem nach dem Zivilrecht für ihn bestimmten Wohnsitzgericht verklagt werden kann. Das ist eine nicht hinzunehmende Rechtsbenachteiligung, schon wegen der damit verbundenen nicht unerheblich höheren Kosten. Eine Abwägung zwischen den „Dienlichkeitsgesichtspunkten“ und dem verfassungsrechtlich bestimmten Richter kann nur zugunsten eines Beklagten ausgehen! Zweckmäßigkeitsüberlegungen einer Landesregierung oder der von ihr beauftragten Justizverwaltung haben gegenüber den Grundrechten eines Bürgers in einem juristischen zivilgerichtlichen Verfahren hintanzustehen.
    Laufende Verfahren sollten von den Richtern ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden mit der Frage, ob bzw. dass § 105 UrhG verfassungswidrig ist und daraufhin erlassene Rechtsverordnungen der Landesregierungen bzw. ihrer Justiz- verwaltungen nicht anzuwenden sind.

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  4. Die kulturhistorische Leistung der Verfechter des heutigen Urheberrrechtes besteht darin, für die große kulturelle Errungenschaft gesorgt zu haben, daß Veranstalter, ausübende Künstler und Publikum sich am meisten wünschen, daß möglichst viele dieser Urheber möglichst bald schon bereits siebzig Jahre tot sein mögen. Bravo! Tolle Leistung! Solche Kultur- und Rechtsexperten bringen uns voran! Nämlich in den kulturellen und wirtschaftlichen Abgrund.

    Hella

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