Wikimedia verliert vorerst Streit um Reproduktionsfotos

Das Landgericht Berlin hat in einem aktuellen Urteil (v. 31.05.2016 – 15 O 428/15) entschieden, dass Reproduktionsfotografien von Gemälden bei einem Mindestmaß an persönlicher Leistung als Lichtbilder gemäß § 72 UrhG geschützt sein können.

Es müsse zwischen dem Schutz für die gemeinfreien Gemälde und dem neuen Schutz für das Lichtbild unterschieden werden.

Wikimedia löscht Bild trotz Kenntnis vom Verstoß nicht

Ein Museumsfotograf fertigte 17 Fotos an und übertrug im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses sämtliche notwendigen Rechte an die Stadt Mannheim bzw. deren Eigenbetrieb „Reiss-Engelhorn-Museen“. Die Bilder waren für einen Museumskatalog gedacht.

Das Fotografieren und Filmen wird in der Besucher- und Benutzerordnung untersagt, sofern keine Ausnahmegenehmigung durch die Direktion erteilt wurde.

Ein Nutzer scannte die Bilder ein und lud diese auf Wikimedia Commons hoch. Angezeigt wurden die Bilder bei einem Beitrag zur Stadt Bayreuth.

Reproduktionsfotografien als Lichtbilder geschützt

Das LG Berlin gab der Klage auf Unterlassung statt und sah die Wikimedia Foundation als Störerin an.

Bei einer Leistung ohne wirklichen gestalterischen Spielraum sei zwar kein Raum für die Anerkennung des Fotos als Lichtbildwerk. Die Richter erkannten allerdings einen Lichtbildschutz nach § 72 UrhG an.

Sie gehen hierfür ausführlich auf die bisherige Rechtsprechung ein. Unter anderem zitieren die Richter aus dem BGH-Urteil „Bibelreproduktion“ (Urteil v. 08.11.1989 – I ZR 14/88) und stellen auf den Unterschied zwischen „Foto von einem Gemälde“ und „Foto von einem Foto von einem Gemälde“ ab. Der BGH habe einem Foto von einem Kupferstich die Schutzfähigkeit nicht versagt, nur dem Foto von dem Foto. So müsse es auch hier sein; das Foto von dem Gemälde sei als Lichtbild schutzfähig.

Auch das bekannte Telefonkarten-Urteil des BGH wurde von den Richtern eingehender besprochen. Die bloße technische Reproduktion einer bestehenden Grafik erfülle nicht das Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung und genieße keinen Lichtbildschutz (BGH, Urteil v. 07.12.2000, Az. I ZR 146/98 – „Telefonkarte“). Dies sei bei einem Foto von einem Gemälde jedoch anders zu sehen. Es gehe um mehr als nur eine einfache, schwarz-weiß Graphik. Die Fotografie eines Gemäldes sei eine handwerklich-technisch wesentlich aufwendigere Leistung.

Reproduktionsfotografie hat das erforderliche Mindestmaß an persönlicher Leistung

Im Ergebnis komme es nach Auffassung des Landgerichts weniger auf die Differenzierung von zwei- und dreidimensionalen Ursprungswerken an. Es gehe vielmehr um das erforderliche Mindestmaß an persönlicher Leistung. Diese sei gegeben.

Mit Bezug auf die Kommentierung im Urheberrechts-Kommentar „Dreier/Schulze“ wird die Reproduktionsfotografie von Gemälden als schützenswerte Leistung anerkannt, wenn sie einen erheblichen Aufwand erfordert oder auf nicht ausschließlich maschinellem Weg entsteht (vgl. Dreier/Schulze, 5. Auflage 2015, § 72 Rn. 10).

Gemeinfreiheit des Gemäldes unerheblich für Lichtbildschutz

Dass die Bilder gemeinfrei sind, führe zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere die vom Amtsgericht Nürnberg (Urteil vom 28.10.15, Az.: 32 C 4607/15) angesprochene Theorie einer teleologischen Reduktion wird seitens des Gerichts verworfen.

Ob ein Foto von einem Gemälde Lichtbildschutz erhalte, könne nicht davon abhängig gemacht werden, was der Eigentümer des Gemäldes damit mache. Die Sozialbindung des Eigentums könne auch nicht dazu führen, dass ein Lichtbildschutz versagt werde.

Ebenso sei die Informationsfreiheit kein Grund, Lichtbildschutz zu versagen. Ganz im Gegenteil, biete doch auch die Informationsfreiheit keine Rechtfertigung, sich ungefragt und eigenmächtig an den Leistungen Dritter — wie der Reproduktionsfotografie — zu bedienen.

Zuletzt wirft das Gericht auf, dass Abgrenzungsschwierigkeiten sicherlich bestehen würden, es aber wie so oft auf den Einzelfall ankomme. Die Richter sehen zudem einen erheblichen Wertungswiderspruch. Es ist nicht nahvollziehbar, dass ein laienhaftes und schlechtes Knipsbild des Gemäldes dem Lichtbildschutz unterliegen, ein mit größerem Aufwand hergestelltes Reproduktionsfoto aber wie das Gemälde gemeinfrei sein solle.

Schutz des Gemäldes vom Schutzrecht an dem Foto abzugrenzen

Wie wir bereits in einem früheren Beitrag angemerkt haben, trennen die Berliner Richter die Schutzrechte des Gemäldes von den Schutzrechten an dem Foto.

Die Gemeinfreiheit des Gemäldes sei nicht tangiert. Das Gemälde bleibe gemeinfrei. Ein Foto des Gemäldes jedoch erhalte wegen der eigenen, neuen Leistung einen Lichtbildschutz. Der Schutz erstrecke sich also nur auf das Foto, nicht auf das Gemälde.

Frage nach Schutz für Reproduktionsfotos von Werken geht in die neue Runde

Wie sich herumspricht, hat die Wikimedia Foundation wohl bereits angekündigt „in die nächste Runde“ zu gehen. Es ist also davon auszugehen, dass bis zu einem rechtskräftigen Urteil in der Sache noch ein wenig Zeit verstreicht. Bis dahin ist wohl aufgrund der bisherigen Situation mit einigen weiteren Abmahnungen bei Reproduktionsfotografien zu rechnen.

(Bild: © thampapon1 – Fotolia.com)

1 Gedanke zu „Wikimedia verliert vorerst Streit um Reproduktionsfotos“

  1. Na, immerhin hat das LG Berlin die Kommentare zu
    https://www.rechtambild.de/2016/02/reproduktionsfotografie-gemeinfreier-werke-nicht-schuetzenswert/
    gelesen und erkannt, dass die Gemeinfreiheit bei der Frage, ob Reprofotos dem Schutz des § 72 UrhG unterliegen, keine Rolle spielen darf. Dennoch halte ich die Entscheidung für ausgesprochen unglücklich. Alle zwei- und eindimensionalen Erzeugnisse – egal ob sie urheberrechtlich geschützt sind oder nicht – haben die Eigenschaft, dass sie sich in aller Regel leicht kopieren lassen, ihre Erstherstellung aber zumeist hohen Aufwand bereit. Einen ausgedehnten Leistungsschutz für die Herstellung originalgetreuer zweidimensionaler Kopien fordert soweit ich weiß nur die Fotografie. Und eigentlich darf es den auch dort nicht geben. Die Grenze für den Leistungsschutz des § 72 UrhG bei der Reproduktionsfotografie zu ziehen, ist eine sehr vernünftige und rechtsichere Vorgehensweise. Alles andere führt nur zu Unklarheiten, insbesondere weil es ja auch für das manuelle Kopieren keinen ensprechen Leistungsschutz gibt. Sogar das dem Abmalen von Gemälden alter Meister – selbst das mit Hilfe von Reprofotos – verstößt nicht gegen das UrhG. Von fast allen bekannten Gemälden gibt es abgemalte Reproduktionen. Wie soll man z. B. feststellen, ob als Vorlage für eine kleine Internetpräsentation von z. B. 480×640 Pixeln eine geschützte oder eine ungeschützte Vorlage verwendet wurde. Und wo soll der Schutz des § 72 UrhG enden? Was ist, wenn z. B. dreidimensionale Repliken mit fotografischen 3D-Techniken hergestellt werden. Deren manuelle oder mechanische Herstellung ist lt. BGH Apfel-Madonna erlaubt.

    Übrigens. Die Aufassung des LG Berlin, „es ist nicht nachvollziehbar, dass ein laienhaftes und schlechtes Knipsbild des Gemäldes dem Lichtbildschutz unterliegen, ein mit größerem Aufwand hergestelltes Reproduktionsfoto aber wie das Gemälde gemeinfrei sein solle“, greift nicht. Wenn Reproduktionsfotos von Gemälden grundsätzlich ungeschützt wären, würde dies natürlich auch für den Ausschnitt des Gemäldes auf dem Kipsbild gelten. Der dürfte dann ausgeschnitten und beliebig entzerrt werden.

    MfG
    Johannes

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