Verbot des Fotografierens eines gemeinfreien Gemäldes
Der vom AG Nürnberg zu entscheidende Fall drehte sich um ein gemeinfreies Gemälde, welches in einem Museum ausgestellt wurde. Dieses wurde im Auftrag der Klägerin von einem Fotografen abgelichtet, damit Kunstinteressenten es gegen Vergütung verwenden konnten. Die Besucher des Museums durften selbst keine Fotografien anfertigen.
Die Klägerin als Betreiberin des Museums mahnte im Folgenden einen Verwender der Reproduktionsfotografie ab und verlangte nun u.a. den Ersatz von Abmahnkosten. Das AG Nürnberg lehnte eine solche Ersatzpflicht jedoch aufgrund des fehlenden Schutzes der Reproduktionsfotografie ab (Urteil vom 28.10.15, Az.: 32 C 4607/15).
Reproduktionsfotografie eines gemeinfreien Werkes ohne Lichtbildschutz nach § 72 UrhG
Nach Auffassung des Gerichts handele es sich bei dem streitgegenständlichen Werk nicht um ein Lichtbildwerk im Sinne von § 2 I Nr. 5 UrhG, sondern vielmehr um eine Reproduktionsfotografie eines gemeinfreien Werkes. Auch genieße die Reproduktionsfotografie nicht wie sonst üblich Lichtbildschutz gemäß § 72 UrhG. Zwar sei es grundsätzlich als Lichtbild im Sinne des § 72 UrhG anzusehen; im konkreten Einzelfall sei aber kein Schutz zu gewährleisten.
Das Gericht begründete seine Auffassung mit der vorgenommenen teleologischen Reduktion. Die Klägerin sei im Besitz des abfotografierten gemeinfreien (!) Gemäldes. Somit habe sie allein das Recht, über das Wohl und Wehe des Bildes zu entscheiden. Sie entschied sich dafür, dass keine Fotografien innerhalb ihrer Museen angefertigt werden dürfen.
Umgehung der Wertungen der Gemeinfreiheit
Die Untersagung von Fotografien führe jedoch dazu, dass es den Museumsbesuchern nicht möglich ist, „trotz der Wertungen der Gemeinfreiheit das genannte Gemälde im Wege von Fotografien zu nutzen bzw. zu eigenen Zwecken unentgeltlich wiederzugeben“.
Die Gemeinfreiheit soll jedoch gerade die freie Nutzung ermöglichen und nicht durch andere Maßnahmen verhindert werden.
Umgehung durch teleologische Reduktion verhindern
Die vom Gericht vorgenommene teleologische Reduktion rechtfertigt das AG Nürnberg mit der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 08.11.1989, Az: I ZR 14/88 – Bibelreproduktion). Auch hier wurde das Problem der Umgehung der Wertungen der Gemeinfreiheit erkannt. Man sah ebenfalls keinen Lichtbildschutz im Sinne des § 72 I UrhG und versagte den Schutz der entsprechenden Reproduktion.
Ganz anders sieht es das LG Berlin und verneint eine teleologische Reduktion. Die Schutzdauer für das Gemälde sei nicht tangiert; das Lichtbild erhalte eigenständigen Schutz.
(Bild: © mkos83 – Fotolia.com)
Die Entscheidung ist im Ergebnis richtig, obwohl sich das Gericht mit dem Hinweis auf die Gemeinfreiheit leider verrannt hat. Wenn ein Reproduktionsfoto von einer gemeinfreien Vorlage keinen Schutz genießen kann, muss dies naturgemäß auch für Reproduktionsfotos von noch geschützten Vorlagen gelten. Der eigenständige Schutz für die Herstellung des Lichtbildes, den ja der Lichtbilder – also in der Regel ein anderer als der Urheber der Vorlage – geniesst, muss dann auch in einem solchen Fall entfallen. (vgl. a. meinen Kommentar vom 25.11.2015 unter https://www.rechtambild.de/2015/11/reproduktionsfotografie-stadt-mannheim-verklagt-wikipedia).
MfG
Johannes
… wobei bei mir nicht klar ist, wie bei einem reinen Reproduktionsfoto die erforderliche Schöpfungshöhe erreicht werden könnte, um als Werk zu gelten. Im o.B. ist demnach m.E. nur das Verwertungsrecht betroffen.
Bei der Frage, ob ein Reproduktionsfoto durch das Urheberrechtsgesetz geschützt ist, geht es nicht um den Schutz als (schöpferisches) Lichtbildwerk gem. § 2, sondern um den Schutz als (einfaches) Lichtbild gem. § 72. Dass Reproduktionsfotos Lichtbildwerke sind, behauptet niemand. Es ist aber auch bei einfachen Lichtbildern nicht nur das Verwertungsrecht betroffen, weil gem. § 72 Abs. 1 „Lichtbilder entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1 geschützt“ werden. Mein Beitrag vom 15. Februar enthält leider einen Tippfehler. Anstelle von „der Lichtbilder“ muss es dort „der Lichtbildner“ heißen. Die Hersteller von einfachen Lichtbildern werden im Urheberrechtsgesetz als Lichtbildner bezeichnet.
MfG
Johannes
Ist das Urteil eigentlich rechtskräftig?