Die einen nennen es „Leichenfotografie“, die anderen „Schund“. Wenn Fotografen beauftragt werden, eine Bestattung abzulichten, sind Vorsicht und Würde geboten. Geht es um Prominenz aus Politik, Kultur und Wirtschaft, ist es leichter: Das Prominent-Sein endet auch medial-öffentlich mit dem Tod und das wird durchaus toleriert, wenn man dezent ist. Dezent heißt: Eine passende Kleidung haben, die „Location“ vorher auf fotografische Möglichkeiten ausloten und mit Teleskop arbeiten. Im Abseits stehen und die Unauffälligkeit in Person sein. Da kann man schon mal das Tele unter einem Mantel verstecken.
Abstand auf zweifache Weise
Viel schlimmer, tragische Verabschiedungen von nicht öffentlichen Personen zu fotografieren: Zum Beispiel die Verabschiedung eines verunfallten Kindes, das leider auf Grund der tragischen Umstände die Medien interessiert. Hier gilt: Niemals ohne Tele – nicht unter der Brennweite von 200, besser noch bis 400. Die fotografische Reichweite alleine ist aber kein Schutz:
- Hinfahren zum Friedhof zu Beginn der Zeremonie ist ein schwerer Fehler: Nehmen Sie sich Zeit, die Umgebung, die Zugänge und die Route der Trauergemeinschaft auszukundschaften.
- Wenn Sie mit dem Auto parken können, fotografieren Sie mit dem Tele aus dem Fenster. Dezent und unauffällig.
- Denken Sie sich ins Leid der Betroffenen hinein: Wollen Sie als Betroffener frontal abgelichtet werden? Es reicht, die Trauergemeinde seitlich oder besser von hinten zu fotografieren.
- Meiden Sie jegliche Konfrontation: Werden Sie „erwischt“, dann gilt es, die Würde vor den Auftrag zu stellen – die Emotionen sind in diesen Fällen berechtigt zu heftig.
Ästhetik im Krematorium
Das Sterben gehört zum Leben – und für Fotografen kann auch die Vermittlung der Feuerbestattung vom Motiv her interessant sein. Hier braucht es freilich Kontakte zur/zum jeweilig Zuständigen. Wer eine Feuerbestattung fotografieren darf, hat viele Möglichkeiten: Die Einführung, das Verbrennen selbst durch ein „Guckfenster“ und die Verarbeitung der sterblichen Überreste (es werden metallische Gegenstände gefiltert, die sterblichen Überreste nochmals gemahlen). In diesen Fällen ist einem Fotografen meistens nichts verboten, aber bei der Nachbearbeitung gilt es, besondere Sorgfalt walten zu lassen. Warum:
- Beschreiben Sie die Capture nicht mit genauem Zeitdatum; es läßt sich vieles nachvollziehen.
- Beschneiden Sie die Gestorbenen bei der Verbrennung so, daß nichts erkennbar ist.
- Auch die Krematoriums-Mitarbeiter müssen unkenntlich sein –geschnitten oder verpixelt.
- Alles, was auf Namen hindeutet (Plaketten auf den Särgen, Nummern), muß vom Bild verschwinden oder verpixelt werden.
- Lassen Sie sich jedenfalls – auch bei gutem Einvernehmen mit dem Krematoriumsbetreiber – eine Fotografieerlaubnis – rights managed- unterschreiben.
- Geben Sie keine Fotos weiter, deren Weitergabe an Medien und Agenturen vorher nicht schriftlich erlaubt wurde.
Wie gut Betroffene aufpassen, dokumentiert folgendes Erlebnis: Als ein Fernsehteam des Österreichischen Rundfunks eine Reportage gedreht hatte und die Angehörigen dies sahen, riefen Sie den Betreiber auf Grund der Verbrennungsdaten an, ob es sich um den Verstorbenen gehandelt habe könnte. Der Geschäftsführer des Krematoriums war ehrlich und bejahte, die Betroffenen ebenso kulant und sie klagten nicht. Es kann aber auch anders sein.
(Bild: © line-of-sight – Fotolia.com)
[box type=“info“ size=“medium“] Dieser Beitrag wurde von unserem Gastautor Roland Mühlanger verfasst. [/box]
Kleiner Hinweis: im letzten Stichpunkt fehlt ein „nicht“.
Friedhöfe sind öffentlich – aber dort greift keine Panoramafreiheit, da das Hausrecht des Betreibers des Friedhofes zu beachten ist. Das wiederum ist im allgemeinen in der Friedhofsordnung geregelt.
Zumindest in Deutschland schließt jede (mir bekannte) Friedhofsordnung gewerbliche Tätigkeiten auf Friedhöfen aus – es sei denn, sie ist angemeldet. Das heißt, auch bei erteilten Aufträgen durch die Hinterbliebene oder Berichterstattung durch Medien ist die Genmigung durch den Friedhofsbetreiber einzuholen!!!
Sicher, Diskretion ist außerordentlich wichtig. Ob aber gerade die durch die Verwendung von Teleobjektiven – nicht unter 200mm, besser 400mm und das auch noch aus dem Autofenster heraus – gewahrt werden könnte, ist mehr als zweifelhaft. Dieser Tipp läßt sehr viel eher auf diletante Umgangsformen und die Machenschaften der berüchtigten Paparazzi schließen. Lieber Herr Mühlanger, bitte überdenken Sie Ihre obigen Tipps!
Lieber Herr Mühlanger,
danke, dass Sie das Thema aufgreifen. Ich finde Ihren Hinweis auf Diskretion sehr gut (angemessene Kleidung, im Hintergrund stehen). Ergänzen würde ich noch, dass eine leise Kamera eingesetzt werden sollte. Mich irritiert allerdings, der Begriff „erwischt“. Ich habe den Eindruck, dass Sie ein Paparazzi-Verhalten empfehlen. Dezent und heimlich sind für mich zwei sehr unterschiedliche Ansätze.
Lieber Herr Vierfuss!
Danke für Ihren Kommentar und Ihre Anmerkung. „Erwischt“ ist sicherlich nicht der passende Ausdruck. Paparazzi-Verhalten möchte ich bei diesem (und auch anderem) Thema keinesfalls empfehlen, sondern den Abstand zum Ereignis sowie einen Ansatz für den „Spagat“ zwischen medialem Erfordernis und Würde der Betroffenen. In diesem Sinne „Gut Licht“, Roland Mühlanger
Sehr geehrter Herr Zille!
Aus technischen Gründen erst jetzt auf der Homepage: Vielen Danke für Ihre – durchaus berechtigte – Kritik. Das Rechtliche ist jedenfalls sehr fundiert. Und ich lerne daraus.
Leider gehört dieses Thema für einen Berufs-Pressefotografen zum Job. Und mit Teleobjektiv – außerhalb des Friedhofes – bewahrt man das, was Sie anmerken bzw. als paparizzihaft bezeichnen. Wenn es noch sensibler geht, bin ich über Ihre Tipps froh. Eine bessere Lösung habe ich bis dato nicht gefunden.
Mit freundlichen Grüßen,
Roland Mühlanger
Sehr geehrter Herr Mühlanger,
mit einem Tele übergroßer Brennweite kann man sicher Distanz wahren, aber niemals Diskretion erreichen. Genau das Gegenteil ist der Fall – man wird zum Voyeuristen. Der Prozess des Trauerns ist ein sehr persönlicher, schützenswerter Ausdruck menschlicher Gefühle. Heimlich dahinein zu fotografieren ist genauso ungehörig wie unerlaubt auf der Toilette zu fotografieren. Wenn die Trauernden keine Berichterstattung möchten, hat das die Presse zu akzeptieren. Auch wenn dadurch der eine oder andere Taler verloren geht.
Und letztendlich ist eine Arbeitsweise mit dem Tele kontraproduktiv. Denn wie sollte ein Reporter berichten, wenn er weit weg vom Geschehen ist? Die Atmosphäre, die Gefühlen der Betroffenen werden nicht durch das Tele übertragen. Wie sagte doch Robert Capa? „Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran.“ Wenn schon (erlaubte) Reportage, dann ist das Weitwinkel an einer kompakten unauffälligen Kamera angesagt, nicht das Tele! Nah heran gehen und selber Betroffener werden. Nicht Dauerfeuer über die gesamte Zeitdauer der Zeremonie – diskret ein, zwei Bilder und dann die Kamera wieder runter. Der Reporter hat sich so zu bewegen und benehmen, als ob er selber einer der Leidtragenden wäre. Das funktioniert natürlich nur, wenn man Kamera und Gehirn in der richtigen Reihenfolge aktiviert.Vorgemacht hat uns das Erich Salomon, dessen Arbeitsweise sowie die daraus hervorgegangenen Ergebnisse beispielhaft sind.
Sehr geehrter Herr Zille!
Danke für Ihre Meinung. Capa und Salomon zu bemühen am Lande ist ehrenhaft, aber halt nicht immer passend. Es geht nicht um die Taler, sondern um die Herausforderung – Würde der Betroffenen und Wünsche der Medien bestmöglich zu vereinen. Ich lade Sie gerne ein, bei solch unangenehmen Aufträgen dabei zu sein und ich versichere Ihnen, wenn Sie die das Capa-Prinzip fotografisch umsetzen, dann ist die Verletzung vor Ort wesentlich größer. Auf welche Art und Weise immer.
Es gibt die Theorie und es gibt die Praxis.
Ein Reporter ist für mich ein Kollege, der beschreibt und der durchaus anonym vor Ort ist. Ein Fototgraf fällt meiner Meinung ja eher auf – kraft seiner Ausrüstung. Wer beides macht, gut schreiben und anonym im Weitwinkelformat fotografiert, eine Ausnahme. Ich kenne bis dato keine. Das, was Sie – zu Recht – kritisch anmerken, empfehlen Sie allerdings selber. Von der Nähe aus.
Kollegiale Grüße,
Roland Mühlanger
Ja klar, Herr Mühlanger, es gibt nicht nur Theorie und Praxis – es gibt auch noch einen Unterschied zwischen den Beiden. Und der ist dann in der Praxis meist größer als in der Theorie. Ihre Einladung kommt allerdings ein wenig spät. Das habe ich mit meiner mehr als 25jährigen Berufserfahrung bereits hinter mir.
Ihre Unkenntnis über Kollegen, die diskret aus der Nähe berichten können, ist selbstverständlich kein Grund, das Prinzip selber in den Bereich der Fabel zu verbannen. Peinlich für einen Journalisten ist allerdings, den Erich Salomon in diesem Zusammenhang als nicht passend zu bezeichnen. Und gar dreist ist der Versuch, den Antrieb des Geldes zu verneinen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie Ihre obigen grundsätzlich falschen Tipps wider besseren Wissens verteidigen.
Sehr geehrter Herr Mühlanger,
als Fotojournalist kenne ich die Probleme seit vielen Jahren, die sich in der Fotografie mit Menschen stellen.
Einerseits sprechen Sie davon, dass der Tod zum Leben gehört -> also was Natürliches ist!
Auf der anderen Seite ist Ihnen Ihre Befangenheit mit diesem Thema in jedem Satz anzumerken.
Die aufgestellte Do / Don´t Do Liste scheint mir, mit Verlaub – eher als eine Liste, die sie aufstellen und öffentlich machen um ihre persönliche Scheu zu begründen und in Phrasen verdecken möchten.
Heißt konkret: Sie geben Tipps, die jegliche qualitative- Fotografie – besonders bei diesem Thema!-verhindert.
Ich sehe es sehr ähnlich wie „Zille“. Die besten Fotos, speziell im Bereich der Reportage sind darin begründet, dass der Fotograf Teil des Geschehens wurde, intensiv nah und trotzdem professionell in allen Situationen. – und genau DAS ist der ewige Spagat, das Spannende und die Herausforderung in der Fotografie und im Journalismus. Capa, Bangert,Nachtway,Nan Goldin. – Niemand von denen fänd Erwähnung und Intensität, wenn mit Teleobjektiv in Kriegsgräben fotografiert worden wäre.
Meines Erachtens sind Ihre Tipps gänzlich falsch. – Die Erfahrung -auch auf Beerdigungen- hat gezeigt, es ist eine Frage der Sozialkompetenz und weniger die der Brennweite!
Viel Erfolg Ihnen.
Peter
Wenn man für die Öffentlichkeit einen privaten Moment fotografiert, ist das sicher sehr problematisch. Da sollten die Betroffenen natürlich nicht von vorn zu sehen sein. Anders ist es bei Bestattungen, wo nur für die private Erinnerung fotografiert wird. Hier haben die Betroffenen im Nachhinein ja auch die Möglichkeit zu entscheiden, welche Bilder sie behalten möchten. Abstand zu halten, ist hier natürlich ebenso wichtig.