Verwirrung um Urteil aus Österreich

Ein Fotograf ist Eigentümer eines Wohnhauses in Wien. Er steht im Clinch mit mehreren Werkunternehmern, welche von einem Rechtsanwalt vertreten werden. Der Anwalt wollte mit einer Mandantin, einem Vorarbeiter und einem Sachverständigen eine Befundaufnahme im dem besagten Wohnhaus durchführen. Dabei wurde die Gruppe vom Eigentümer des Hauses spontan „zur Belustigung“ fotografiert. Einer Aufforderung, das Bild zu löschen, kam der Fotograf nicht nach. Man konnte sich nicht einigen und es ging vor Gericht.

OGH: Ein Recht auf Bildnisschutz

In Österreich wird heftig diskutiert, ob und in wie weit man bereits das Fotografieren verbieten darf. § 78 des Österreichischen Urheberrechtsgesetzes verbietet nämlich nur die Veröffentlichung; ähnlich § 22 KunstUrhG in Deutschland.

Der OGH (Urteil v. 27.02.2013, 6 Ob 256/12) hat der Diskussion nun weitestgehend ein Ende gesetzt. Das Recht auf Bildnisschutz sei eine besondere Erscheinungsform des Persönlichkeitsrechts gemäß § 16 ABGB. Bereits die Herstellung eines Bildes könne dieses Recht verletzen:

Dabei wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nicht nur dann verletzt, wenn Abbildungen einer Person in deren privatem Bereich angefertigt werden, um diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vielmehr kann auch die Herstellung von Bildnissen einer Person in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen und ohne Verbreitungsabsicht einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen. Schon das damit verbundene fotografische Festhalten einer bestimmten Tätigkeit oder Situation kann vom Abgebildeten als unangenehm empfunden werden und ihn an der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit hindern. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der Verbreitungs-, aber auch Manipulationsmöglichkeiten durch die moderne (Digital-)Technik, kann der Aufgenommene doch im Vorhinein nie wissen, wie der Fotografierende die Aufnahme in der Folge verwenden wird.

Der OGH stellt jedoch gleichzeitig klar, dass es immer auf eine Interessensabwägung ankäme. Eine Überspannung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte würde zu einer unerträglichen Einschränkung der Interessen anderer und jener der Allgemeinheit führen. Entscheiden sei daher, ob eine Aufnahme gezielt entstehe, in wie weit die Person auf dem Bild identifizierbar sei und welche Rechtfertigung für das Foto vorgewiesen werden könne.

Daher wurd in dem Fall entschieden: Wenn jemand offensichtlich grundlos „zur Belustigung“ ein Foto anfertigt, auf denen die Personen eindeutig identifizierbar sind, ist schon die Aufnahme rechtswidrig.

Deutschland: Schutz des Persönlichkeitsrechts in Grundrechten verankert

In Deutschland ist schon lange anerkannt, dass bereits die Herstellung eines Fotos rechtswidrig sein kann – auch wenn das viele Fotografen nicht wissen (wollen). Der Fotograf sollte den Auslöser ruhen lassen, wenn Eingriffe in fremde Persönlichkeitsrechte möglich sind. Das Schutzbedürfnis ergibt sich insbesondere aus der Tatsache, dass die betroffene Person keine Ahnung hat, was der Fotograf tatsächlich mit dem Bild macht.

Zudem muss man jedem zugestehen, sich in der Öffentlichkeit bewegen zu dürfen, ohne Angst vor Beobachtungen oder Fotos haben zu müssen (vgl. BVerfG, Urteil v. 26.02.2008, Az.: 1 BvR 1602/07). Das geht sogar so weit, dass die fotografierte Person ihre Rechte unter Umständen mit Notwehr wahren darf (Beschluss des OLG Hamburg,  05.04.2012, Az.: 3-14/12).

Allerdings müssen vorübergehende Passanten, die öffentlichen Wegeraum nutzen und zufällig in eine Aufnahme miteinbezogen werden, Fertigungen eines Bildnisses ohne weiteres hinnehmen (BGH, Urteil v. 25.04.1995, Az.: VI ZR 272/94).

Deutsche Rechtsprechung als Leitbild für Bildnisschutz

Der OGH folgt der Ansicht unserer höchsten Gerichte und führt aus:

Nach herrschender Auffassung in Deutschland kann schon das ungenehmigte Herstellen eines Personenfotos eine Verletzung des aus dem Grundgesetz abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen. Bei der Prüfung ist anhand aller Umstände des Einzelfalls eine Güter- und Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Abzubildenden und den Interessen des Fotografen vorzunehmen (Wanckel, Foto- und Bildrecht4 [2012] 35 ff mwN).

Der deutsche Bundesgerichtshof hat bereits 1995 ausgesprochen, dass die ungenehmigte Herstellung von Bildnissen einer Person grundsätzlich auch ohne Verbreitungsabsicht unzulässig ist (BGH NJW 1995, 1955). Dies gilt umso mehr, wenn die Aufnahme mit Verbreitungsabsicht erfolgt (OLG Karlsruhe NJW-RR 1999, 1699: Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen eines Wachkomapatienten für eine Fernsehsendung). Anderes gilt nach deutschem Recht etwa […] bei Personen der Zeitgeschichte, wenn eine spätere Veröffentlichung in Betracht kommt (KG Berlin NJW-RR 2007, 1196). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umfasst der Begriff des Privatlebens auch Elemente, die die Identität einer Person betreffen wie den Namen und ihr Bild sowie ihre physische und psychische Integrität (RIS-Justiz RS0126881; Grabenwarter, EMRK5 [2012] 232).

Fazit: Österreich und Deutschland mit gleichem Schutzgedanken

Der OGH bestätigt mit diesem Urteil die in Deutschland vertretene Auffassung, dass eine Bildaufnahme einen Rechtsverstoß begründen kann. Das Urteil des OGH hat zwar  keine unmittelbare Wirkung auf die Rechtslage in Deutschland. Die deutschen Gerichte können aber die Rechtsprechung des OGH ohne weiteres als Begründung für eigene Urteile mit aufführen.

Zu hoch sollte man die Rechtsprechungen nicht werten. Im Einzelfall kommt es stets auf die Abwägung der Interessen des Fotografen und der betroffenen Person(en) an. Nicht jedes Portrait oder Gruppenfoto wurde rechtswidrig erstellt, nur weil vorher nicht um Erlaubnis gebeten wurde.

Jemand, der zur reinen Belustigung Personen fotografiert muss sich nicht wundern, wenn er dafür zahlen muss.

(Foto: chribier / Quelle: photocase.com)

2 Gedanken zu „Verwirrung um Urteil aus Österreich“

  1. Problematisch an der Entscheidung ist, dass in Österreich kein genereller Schutz des eigenen Bildnisses besteht, sondern eine Veröffentlichung nur dann unzulässig ist, wenn dadurch die berechtigten Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 78 UrhG). Es besteht also kein dem deutschen Recht vergleichbares Verbot-Ausnahme-Gegenausnahme System, sondern ist die Bildveröffentlichung auch dann zulässig, wenn die abgebildete Person nicht nur als „Beiwerk“, „Teilnehmer einer Veranstaltung“ etc. zu sehen ist. Anders herum betrachtet: Auch die Veröffentlichung eines Porträts ist gestattet, solange dadurch eben nicht in die berechtigten Interessen des Abgebildeten eingegriffen wird. Bei der Beurteilung ist dabei selbstverständlich nicht nur das Foto selbst zu beachten, sondern ein allfälliges redaktionelles Umfeld, eine Bildunterschrift bzw. -beschreibung oder der Gesamtzusammenhang der Veröffentlichung.
    Zurück zur Entscheidung: Was hat der OGH getan? Er ist ohne (dem Sachverhalt zu entnehmende) Anhaltspunkte davon ausgegangen, dass der „Fotograf“ das Bild – quasi zwingend – rechtsmissbräuchlich verwendet wird. Ob die offensichtlich zwischen den bei der Aufnahme Anwesenden aufgeheizte Stimmung und die Behauptung des „Fotografen“, das Bild „zur Belustigung“ aufzunehmen, für diese Annahme ausreichend ist, wage ich im Sinne der Rechtssicherheit zu bezweifeln. Aus meiner Sicht hat der OGH in überschießender Weise vorab entschieden, das Lichtbild könne nur rechtsmissbräuchlich verwendet werden, was sich mit § 78 UrhG meiner Meinung nach nicht vereinbaren lässt.
     „Eleganter“ (und rechtskonform) wäre gewesen, die Behauptung, die Aufnahme „zur Belustigung“ herzustellen, als Ankündigung des „Fotografen“ zu verstehen, er wolle damit in der Öffentlichkeit Spass treiben, die abgebildeten Personen also verunglimpfen, lächerlich machen odgl. Dadurch wären deren berechtigte Interessen natürlich verletzt und bei einer angekündigten Rechtsverletzung kann selbstverständlich auch bereits vorab Unterlassungsklage geführt werden. Tatsächlich vermute ich, dass der OGH diesen Sachverhalt zu Grunde gelegt hat – er hätte gut daran getan, das auch mitzuteilen.
    Sollte das Höchstgericht planen, sich zukünftig der Rechtsprechung des BGH anzuschließen, dass bereits das ungenehmigte Herstellen eines Fotos in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreift, hätte der OGH tunlichst darauf hinzuweisen gehabt. Dass die Rechtsgrundlage für eine derartige Entscheidung dann allerdings eine völlig andere wäre als § 78 UrhG mit dem Schutz des Rechtes am eigenen Bild, nämlich § 16ff ABGB betreffend die allgemeinen Persönlichkeitsrechte, sei nur am Rande erwähnt.
    Es bleibt zu hoffen, dass die oben genannte Entscheidung des OGH eine Einzelentscheidung aufgrund des gegebenen Sachverhaltes bleibt.

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