Gemeinfreie Werke

Gründe, warum ein Werk keinen Urheberrechtsschutz (mehr) genießt gibt es genau zwei. Entweder wurde dem Werk von Beginn an der Urheberrechtsschutz versagt, oder die gewährte Schutzfrist ist abgelaufen.

Gemeinfreie Werke: Werke ohne Urheberrechtsschutz

Die Fälle in denen einem grundsätzlich nach § 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG) schutzfähigen Werk der Schutz versagt wird, finden sich in § 5 UrhG. So kommt Gesetzen, Verordnungen, amtlichen Erlässen und Bekanntmachungen sowie Entscheidungen und amtlich verfaßten Leitsätzen zu Entscheidungen kein urheberrechtlicher Schutz zu (§ 5 Abs. 1 UrhG).

Infolge dessen, greifen z. B. weder das Gebot der Nennung des Urhebers nach § 13 UrhG, noch das Entstellungsverbot gem. § 14 UrhG. Das Werk kann also nach Belieben frei verwendet werden. Gern übersehen wird, dass es sich bei Leitsätzen zu Urteilen um amtlich verfasste handeln muss. Nur dann sind sie, wie das Urteil selbst, urheberrechtlich nicht geschützt. Hat das Gericht keine Leitsätze verfasst und wurden diese später von Dritten erstellt, genießen sie Urheberrechtsschutz und sind nicht frei verwendbar.

Andere amtliche Werke

Gem. § 5 Abs. 2 UrhG unterliegen auch „andere amtliche Werke“ (z. B. amtliche Gesetzesmaterialien oder Merkblätter/Darstellungen zu Rechten und Pflichten) nicht dem Urheberrechtsschutz, jedoch sind bei der Verwendung solcher Werke Änderungen untersagt und die Quellenangabe geboten (entsprechende Anwendung der §§ 62 Abs. 1 bis 3 und  63 Abs. 1 und 2 UrhG). Ob tatsächlich ein „anderes amtliches Werk“ vorliegt, hängt davon ab, ob das Werk einer Verwaltungsbehörde zuzurechnen ist, im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht wurde und es nach Art und Bedeutung der Information gerade darauf gerichtet ist, daß der Nachdruck oder die sonstige Verwertung des die Information vermittelnden Werkes jedermann freigegeben wird  (vgl. BGH, Urt. v. 02.07.1987, Az.: I ZR 232/85 – Topographische Landeskarten). Langer Satz, kurzer Sinn: Ist das Werk mit Willen der Behörde entstanden und hat sie ein Interesse an der Weiterverbreitung, so kann davon ausgegangen werden, dass es sich um ein „anderes amtliches Werk“ im Sinne des § 5 Abs. 2 UrhG handelt.

Warum das Ganze? Sinn und Zweck der Ausnahme bestimmter Werke vom urheberrechtlichen Schutz ist die möglichst weite Verbreitung von Gesetzen, Verordnungen und Rechtsprechung. Damit wird dem Interesse der Allgemeinheit entsprochen, während das Interesse des Verfassers an dem Schutz seines Werkes zurücktreten muss. Das Urheberrecht soll der Möglichkeit, sich solche Werke frei verschaffen zu können, nicht entgegenstehen.

Gemeinfreie Werke: Werke mit abgelaufenem Urheberrechtsschutz

Hat ein Werk nach den allgemeinen Regeln Urheberrechtsschutz erlangt, so erlischt dieser 70 Jahre nach dem Tode des Urhebers, § 64 UrhG. Mit dem Ablauf dieser Schutzfrist wird das Werk gemeinfrei und kann ohne Zustimmung der Rechtsnachfolger (Erben), von jedermann frei verwendet werden. Dies gilt auch dann, wenn es bisher noch nicht veröffentlicht wurde. Derjenige, der ein gemeinfreies Werk erstmals veröffentlicht, erlangt gem. § 71 Abs. 1 UrhG das ausschließliche Verwertungsrecht daran. Er erhält damit inhaltlich die gleiche vermögensrechtliche Stellung wie der Urheber. Diese Schutzfrist beginnt mit erstmaliger Veröffentlichung und endet mit Ablauf von 25 Jahren, § 71 Abs. 3 UrhG.

Eine Besonderheit bzgl. der Schutzfristen gilt für Fotografien. Erst seit 1985 gilt auch für sie eine 70-jährige Schutzfrist ab Tod des Urhebers. Vorher war sie auf 25 Jahre begrenzt. Daraus ergibt sich gem. § 135a Abs. 1 UrhG, dass Fotos, die vor dem 1. 7. 1985 erschienen sind, nur dann in den Genuss der 70 Jahre Schutzfrist kommen, wenn ihre damalige 25-jährige Schutzfrist zum 1. 7. 1985 noch nicht abgelaufen war. Beispiel: Ein Foto wurde 1975 geschossen und veröffentlicht. Damals galt eine Schutzfrist von 25 Jahren, also theoretisch bis ins Jahr 2000. Da die Frist zum Inkrafttreten der Urheberrechtsnovelle von 1985 noch nicht abgelaufen war, berechnet sich diese ab dem 1. 7. 1985 neu und beträgt dann 70 Jahre ab Zeitpunkt des Inkrafttretens. Der Fotograf hat also effektiv eine Schutzfrist von 80 Jahren.

(Bild: Leonardo Da Vincis „vitruvianischer Mensch“ ist ein Beispiel für ein gemeinfreies Bild aufgrund Zeitablaufs)

47 Gedanken zu „Gemeinfreie Werke“

    • § 137a UrhG regelt die Anwendbarkeit des UrhG auch für Lichtbildwerke. § 135a UrhG regelt, das die Fristberechnung im Falle einer Verkürzung neu berechnet wird. Insofern kommt § 135a UrhG nur durch 137a UrhG überhaupt ins Spiel, das stimmt. Allerdings kommt eine Verlängerung nur in Betracht, wenn eine Frist neu berechnet wird.
      § 137f Abs. 2 UrhG lässt es in Umsetzung der europäischen Schutzfristenharmonisierung durch die Richtlinie 93/98/EWG tatsächlich zu einem Wiederaufleben bereits abgelaufener Schutzfristen deutscher Werke kommen, zumindest für Fälle nach dem 30. 6. 1995.

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  1. KAnn denn theorerischt irgendjemand jetzt Rechte für das Da Vinci Bild neu beantragen? Ich meine, so viele Unternehmen oder Einzelunternehmer Ärzte u.a. benutzen dieses Bild, geht das überhaupt?
     
    Freue mich auf eine Rückemdlung
    frau pf

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  2. Hallo,

    urheberrechtlicher Schutz entsteht nicht durch formale Eintragung, sondern durch Schaffung eines Werkes. Insofern wird ein solcher Schutz nicht mehr entstehen können. Weitere Rechte wie Marken- oder Geschmacksmusterrechte entstehen zwar grundsätzlich mit Anmeldung und Eintragung, allerdings wird dies für den „vitruvianischen Menschen“ wohl auch auszuschließen sein.

    Viele Grüße

    D. Tölle

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  3. Sehr geehrter Herr Tölle!

    In Anlehnung an den letzten Kommentar hätte ich gerne gewußt wie es mit den kommerziellen digitalen Archiven (Getty Images o.ä.) und die Verwertungsrechte der dort beworbenen digitalen Fotografien bekannter historischer Werke aussieht. Mir ist nicht klar ob jene ihre digitalen Fotos bzw. das Nutzungsrecht verkaufen oder ob sie jegliches Verwertungsrecht des zugrundeliegenden Werks besitzen.

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  4. Sehr geehrter Herr Weidner!
    Ob die dort angebotenen Lizenzen auch von einer ausreichenden Befugnis gedeckt sind, kann ich Ihnen leider nicht beantworten. Ist dies nicht der Fall, besteht im Streitfall die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Lizenzgebers.Welche Rechte beim Erwerb konkret eingeräumt werden, richtet sich nach den jeweiligen Nutzungsbedingungen, die vor dem Erwerb unbedingt zu lesen sind.

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  5. Sehr geehrter Hr. Tölle,

    Ich habe eine Frage bzgl. der Lizenz von Software. Ich habe im Internet Software Komponenten gefunden, welche ich in meine Anwendung implementieren und dadurch anschließend mit verkaufen möchte. Der Urheber der Software Komponenten nennt keine Lizenz unter der die Komponenten lizenziert sind. Auch wird im Quellcode kein „Disclaimer“ oder ähnliches definiert.

    Kann ich jetzt davon ausgehen, dass diese Software Gemeinfrei ist, und sie in meiner Anwendung verwenden und mit verkaufen?

    Mit freundlichen Grüßen
    Jan Alberts

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  6. Sehr geehrter Herr Alberts,

    grundsätzlich ist derjenige, der ein fremdes Werk nutzen möchte dazu verpflichtet, die zumutbaren Recherchen zu betreiben um herauszufinden wer der Urheber des Werkes ist bzw. unter welcher Lizenz das Werk zur Verfügung gestellt wird. Ist der Urheber sogar bekannt, muss auch bei diesem angefragt werden. Von einer Gemeinfreiheit ist zunächst einmal nicht auszugehen. Selbst wenn ein Werk kostenfrei zur Verfügung gestellt werden sollte, so ist es nicht automatisch gemeinfrei, s.o.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dennis Tölle

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  7. Sehr geehrter Herr Tölle,

    vielen Dank für die Antwort. Ich möchte den Fall noch ein bisschen spezifizieren. Der Urheber des Werkes hat die Software erstellt, in dem er eine unter der apache license verfügbare komponente mit einer unter der zlib-license stehenden komponente konvertiert hat. Er hat also nur 2 KOmponenten verwendet welche unter den genannten Lizenzen zur verfügung stehen und keinen eigenen quellcode erstellt. Bedeutet das jetzt, dass das werk unter den bereits bestehenden lizenzen weiter verbreitet werden darf?

    Mit freundlichen Grüßen
    Jan Alberts

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  8. Sehr geehrter Herr Alberts,

    grundsätzlich sind verschiedene Konstellationen denkbar. Zunächst könnte durch die Verbindung unterschiedlicher Komponenten ein neues Werk entstanden sein über dessen Verwendung allein der Urheber entscheidet. Weiter kann es natürlich auch sehr gut sein, dass eine Weiterverwendung unter den Voraussetzungen der genannten Lizenzen möglich ist. Dies hängt jedoch sehr von der konkreten Ausgestaltung des Einzelfalls und der Verbindung des Codes ab.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dennis Tölle

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  9. Einen Haken hat auch die Gemeinfreiheit. Der Titel eines Werkes kann als Werktitel im Sinne des Markenrechts noch geschützt sein, wenn das Werk längst gemeinfrei ist. Zitat aus BGH-Winnetous-Rückkehr: „Jedermann darf zwar Nachdrucke des gemeinfreien Werkes unter seinem Titel veröffentlichen und vertreiben. Es entfällt jedoch weder das Recht des ursprünglich Titelschutzberechtigten noch das eines sonstigen Verwenders des Titels im Zusammenhang mit dem Werk. Diese können Rechte aus dem Titel geltend machen, wenn dieser für ein neues, ein anderes Werk benutzt wird“. Aber wie verhält es sich, wenn z. B. ein Verlag den Roman „Der Graf von Monte Christo“ in gekürzter Fassung ohne deutlichen Hinweis auf der Titelseite herausgibt, dass es sich nicht um die Originalausgabe handelt? Da kann beim Verbraucher ganz leicht Verwirrung entstehen.

    MfG
    Johannes

    PS: Bei Fotos, Gemälden und anderen Werke der bildenden Kunst sehe ich keinen Raum für Werktitelschutz. Wenn verschiedene Bilder den gleichen Titel haben, besteht dadurch wie bei Personen mit gleichen Vornamen nicht die geringste Verwechslungsgefahr.

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