Fotoausstellung zeigt Privatmomente aus öffentlich zugänglichen Webcams

Das NRW-Forum Düsseldorf präsentiert aktuell eine Ausstellung, die sich auf provokante Weise mit Themen wie Privatsphäre im Internet und digitale Identität auseinandersetzt. Im Rahmen der Ausstellung erfreut sich auch der schweizerische Künstler Kurt Caviezels großer Aufmerksamkeit.

Das Auge des Künstlers Caviezels erblickt durch „öffentlich“ freigeschaltete Webcams unbekannter Leute spannende intime Momente und sammelt diese. Das so entstandene Puzzle unzähliger menschlicher Motive aus dem World Wide Web präsentiert der Künstler aktuell unter dem Titel „The Users“ im Rahmen der Ausstellung „Ego Update“ im NRW-Forum Düsseldorf.

Die Abgebildeten wissen nicht, dass deren Privatmomente zu einem Kunstobjekt geworden sind. Sie wurden nie gefragt, ob sie mit der Veröffentlichung einverstanden sind. Die Sammlung des Fotografen umfasst mittlerweile etwa 3 Millionen Bilder. Bereits im Jahr 2013 hatte der New Yorker Fotograf Arne Svenson mit einem ähnlichen Konzept ausgestellt und damals für einiges Aufsehen gesorgt.

Das Spannungsfeld zwischen künstlerischem Voyeurismus und dem rechtlich Erlaubten

Nach Aussage des Künstlers, würden die Fotos die Banalität des Alltages festhalten. Das Spannungsmoment würde erst bei einer zufälligen Gegenüberstellung zwischen dem Fremden und seinem Porträt entstehen. Für Kurt Caviezels begründen die Fotografien keine Rechtsverletzung, denn „Webcams sind autorenlose Bildautomaten“. Der Künstler geht davon aus, dass diejenigen, die Webcams aufstellen, beobachtet werden wollen und sich freiwillig zeigen wollen. Bei den Fotografien würde es primär um den paradoxen Umgang mit der Privatsphäre im Internet sowie um die Problematik der Überwachung des öffentlichen Raumes gehen.

Beschwert hat sich bisher keiner der Abgebildeten. Die künstlerische Provokation bringt trotzdem einige rechtliche Probleme mit sich. Mehrere der abgebildeten Personen haben ihre Webcams versehentlich freigeschaltet oder aber haben offensichtlich vergessen, dass die Webcam noch läuft. Ohne ihr Wissen sind sie in sehr intimen Situationen aufgenommen worden. Somit sind diverse Lebensbereiche des Abgebildeten und insbesondere die geschützte Privats- und Intimsphäre betroffen. Die Fotos zeigen zum Teil auch öffentliche Räume, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit überwacht wurden.

Kollision zwischen der Kunstfreiheit und dem Recht am eigenen Bild

Durch die konkrete Art der Darstellung kollidieren zwei verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter, nämlich die durch Art. 5 Abs. 3 gewährleistete Kunstfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht, verankert in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, dessen Ausprägung das Recht am eigenen Bild ist.

Gemäß § 22 KUG dürfen Bilder einer anderen Person grundsätzlich nur mit ihrer Einwilligung verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Das gibt dem Abgebildeten das Recht darüber zu bestimmen, wie und ob seine Person in der Öffentlichkeit durch Fotografien dargestellt wird. Ausnahmen von der Einwilligungsbedürftigkeit sind in § 23 KUG geregelt.

Das Recht am eigenen Bild findet seine Schranken, wenn andere Grundrechte betroffen sind, insbesondere die Presse- oder die Kunstfreiheit. Wenn ein höheres Interesse der Kunst gegeben ist, dürfen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG Bilder der Betroffenen auch ohne ihre Einwilligung verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Gemäß § 23 Abs. 2 KUG greift diese Ausnahme nur dann ein, wenn keine Verletzung berechtigter Interessen der Betroffenen vorliegt.

Eine Verletzung berechtigter Interessen ist im vorliegenden Fall durch das unbefugte Eindringen in die Privat- und Intimsphäre der Betroffenen gegeben. Viele Porträts zeigen Leute in sehr intimen Momenten in dem geschützten Bereich ihrer Wohnungen. Da bei manchen die Webcams bereits seit mehreren Jahren online eingeschaltet sind, ist das ein Indiz dafür, dass das öffentliche Präsentieren unbeabsichtigt war. Gleichfalls lässt sich dieser Fakt wohl auch für die Argumentation nutzen, dass eine öffentliche Darstellung gerade gewollt ist.

Die Annahme, dass die Abgebildeten konkludent durch die Einstellung ihrer Webcams auf dem Modus „öffentlich“ ihre Erlaubnis zur vorliegenden Verwendung erteilt haben, ist jedoch fernliegend.

Eine Verletzung der §§ 22, 23 KUG würde Auswirkungen auf zivilrechtlicher Ebene haben und Unterlassungs- bzw. Entschädigungsforderungen der Abgebildeten ermöglichen.

Strafrechtliche Folgen

Die Verletzung des Rechts am eigenen Bild kann gemäß § 33 Abs. 1 KUG zu einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder zur Geldstrafe führen. Erforderlich dafür ist jedoch gemäß § 33 Abs. 2 KUG ein Antrag des Betroffenen.

Bei dieser vom Künstler ausgewählten Darstellungsform ist ferner eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs i.S.v. § 201a StGB denkbar. Eine Strafverfolgung kann hierbei auch von Amts wegen erfolgen, wenn die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Bei intensiven Verletzungen, die die höchstpersönliche Sphäre des Verletzten betreffen, sieht § 201a StGB eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahres oder eine Geldstrafe vor.

Durch § 201a StGB wird der private Wohnbereich bzw. der höchstpersönliche Lebensbereich des Abgebildeten geschützt. Intensive Verletzungen des höchstpersönlichen Lebensbereichs sind insbesondere beim Eingreifen in die Privatsphäre gegeben. Vorliegend wurden die Abgebildeten in verschiedenen Alltagssituationen gezeigt, unter anderem auch spärlich bekleidet. Bei bestimmten Fotografien wäre also auch eine Verletzung der Menschenwürde denkbar und somit eine Verletzung des §201a StGB. Auch hier wäre eine Einwilligung der Betroffenen wohl nicht gegeben.

Mit Spannung bleibt es abzuwarten, ob die künstlerische Provokation auch Beschwerden mit sich bringen wird.

(Bild: © Donets – Fotolia.com)

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