Ein Straßenfoto unter vielen
Der Beklagte fotografierte die Klägerin im Rahmen seiner künstlerischen Tätigkeit als Straßenfotograf, als diese in einer normalen Alltagssituation über eine Straße ging. Anschließend veröffentlichte er das Foto sowohl auf einer Kunstausstellung als auch auf Facebook. Dabei handelte er ohne das Einverständnis der Klägerin. Diese fühlte sich durch die Veröffentlichung in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und mahnte den Beklagten ab. Dieser kam der Abmahnung umgehend nach und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Die Klägerin fordert darüber hinaus eine Geldentschädigung sowie Schadensersatz wegen der unerlaubten Veröffentlichung sowohl von dem Beklagten (zu 1) als auch von der Kunststiftung (Beklagte zu 2), die das Foto ausgestellt hat. Der Beklagte beruft sich auf die Kunstfreiheit.
Künstlerischer Wert des Fotos
Das streitgegenständliche Foto zeigt die Klägerin in einer Straßenszene in Berlin Charlottenburg. Sie trägt in einer Hand eine Plastiktüte und in der anderen eine Designertasche. Der Beklagte beschreibt den künstlerischen Wert seines Fotos als
ein Kaleidoskop der Gegensätze: Reich und bitter arm begegnen sich, die Vergnügten eilen an den Verzweifelten vorbei, die glamouröse Seite des Westens schlägt in die grausame um…
Die Entscheidung des LG Berlin
Das Gericht nahm zwar im Ergebnis zwar eine Persönlichkeitsrechtverletzung durch die unerlaubte Veröffentlichung an, jedoch liege kein unabwendbares Bedürfnis für einen finanziellen Ausgleich vor (Urteil vom 03.06.2014 – 27 O 56/14). Eine Geldentschädigung sei daher nicht gerechtfertigt:
„Vorliegend fehlt es an einer schweren Persönlichkeitsverletzung. Weder von dem Foto selbst noch von dessen konkreter Einbettung in die Straßenszene geht eine soziale Prangerwirkung für die Klägerin aus. Die streitgegenständliche Abbildung zeigt die Klägerin lediglich in einer gewöhnlichen Alltagssituation. Sie geht tagsüber auf einer Straße. Im Hintergrund ist ein neben anderen Gebäuden ein Leihhaus zu sehen. Die Klägerin trägt normale Kleidung. Durch die Darstellung selbst entsteht kein negativer Eindruck von der Klägerin. Insbesondere entsteht nicht der Eindruck, sie komme gerade aus dem Leihhaus. Die Klägerin ist so abgebildet, wie sie sich im öffentlichen Straßenraum bewegt. Für eine bewusst unvorteilhafte Darstellung oder eine Verfälschung ihres Bildnisses ist weder etwas ersichtlich noch dargetan. Die Verunzierung des Plakats mit Aufklebern, wie aus der Anlage K 5 ersichtlich, ist den Beklagten nicht zuzurechnen.“
Kein Schadensersatzanspruch mangels kommerzieller Nutzung
Dabei wurde außerdem berücksichtigt, dass der Beklagte durch die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung einsichtig bezüglich der Persönlichkeitsrechtsverletzung gewesen sei. Darüber hinaus bestehe auch kein Schadensersatzanspruch im Rahmen der fiktiven Lizenzanalogie, da keine kommerzielle Verwendung vorliege:
„Das Bildnis der Klägerin wird nicht zu Werbezwecken verwandt, sondern im Rahmen einer Ausstellung. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, dass die der breiten Öffentlichkeit wohl kaum bekannte Klägerin für ein bestimmtes Produkt oder eine Idee steht, mithin ein eigenes Werbeimage hat. Es stellt sich vorliegend als bloßer Zufall dar, dass die Klägerin auf dem Plakat gezeigt wird. Somit fehlt es der Veröffentlichung des Bildnisses der Klägerin an der kommerziellen Verwertung im Sinne einer Ausnutzung der dem Bild zukommenden Verwertungsmöglichkeiten.“
Das Gericht sprach der Klägerin lediglich einen Anspruch auf teilweise Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.
Abwägung nicht immer einfach
Das Spannungsverhältnis zwischen Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrechtverletzung spielt im Bereich der „Street Photography“ eine große Rolle. Vorliegend rechtfertigte die Persönlichkeitsrechtsverletzung keinen Geldanspruch. Wird die abgebildete Person jedoch durch die Abbildung bloßgestellt oder öffentlich zur Schau gestellt, wird man einen solchen Anspruch in der Regel bejahen. Es ist wie immer eine Einzelfallentscheidung.
(Bild: © ARTENS – Fotolia.com)
Es ist schon lächerlich. Da veröffentlichen die Leute ihr halbes Leben auf Facebook & Co., aber wenn sie dann mal auf einem Kunstwerk auftauchen, schreien sie plötzlich auf. Wo soll das eigentlich noch hinführen? Irgendwann wird man wohl auf offener Straße verprügelt, wenn man eine Kamera nur dabei hat. In Zeiten allgenwärtiger Smartphone-Kameras, Action-Cams und GoogleGlasses wird man es wohl kaum mehr vermeiden können, auf irgendwelchen Fotos zu landen, sobald man einen Fuß vor Tür setzt. Das finde ich dann allerdings um einiges bedenklicher, als wenn das eigene Antlitz aus Versehen mal zu einem Teil eines Kunstwerkes wird. Armes Deutschland!
Die dank Edathy in das StGB übernommenen Änderungen kann man auch positiv auslegen.
In § 201a (4) heißt es: Absatz 1 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 3 oder Nummer 4, Absatz 2 und 3 gelten nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.
Wenn solche schlimmen Dinge, die ich hier nicht direkt, sondern nur mit Verweis auf die Absätze und Unternummern des § 201a anzugeben wage ;-) – also echte Straftatbestände – im Rahmen der Kunst erlaubt sind, muss dass doch für harmlose Beeinträchtigungen, wie z.B. bei der Street Photography auftreten können, erst recht gelten. Anders gesagt können doch verbotene Handlungen, die unter bestimmten Bedingungen – egal unter welchen – im Rahmen der Kunst erlaubt sind, ganz so schlimm nicht sein. Oder am dem Paragrafen stimmt etwas nicht.
MfG
Johannes
Ich denke, bei vielen dieser Prozesse geht es gar nicht um das Bild selber, sondern um den Versuch der Kläger Geld zu erstreiten. Also eine „nette“ Einnhamequelle :)
LG
Rüdiger
@Frank Harms
Wer sagt Dir denn, dass diese Frau Bilder von sich auf Facebook veröffentlich? Oder soll sie das Recht an ihrem Bild aufgeben, weil andere Menschen Bilder auf Facebook veröffentlichen?
Und selbst wenn sie es täte:
Es bleibt immer noch Ihre Entscheidung, welche Bilder sie von sich selbst veröffentlichen möchte und ob sie es zulassen möchte, dass andere Leute ungefragt Fotos von ihr veröffentlichen.
Sie ist immerhin keine „Person des öffentlichen Lebens“ – nehme ich zumindest einmal an.
Warum soll nicht auch ein „Street Photographer“ das Recht anderer Menschen anerkennen können, wenn sie nicht veröffentlicht werden möchten? Man kann doch einfach mal nett fragen – die Häufigkeit der Zustimmung zur Veröffentlichung ist vermutlich sogar ausgesprochen groß.