VGH Bayern: Fotografieverbot auf Demonstrationen

Die Zulässigkeit des Fotografierens bei Versammlungen

Demonstrationen und Versammlungen sind aufsehenerregende Ereignisse und werden oft durch Foto- und Videoaufnahmen zur Berichterstattung gegenüber einer breiten Öffentlichkeit dokumentiert. Das Aufnehmen dieser Art öffentlicher Veranstaltungen und die Veröffentlichung des Bildmaterials kollidieren jedoch mit dem Persönlichkeitsrecht der Abgebildeten. Daher setzen die Gerichte immer wieder strenge Grenzen für den Umgang mit dem bei Demos gewonnenen Bild- und Videomaterial.

Das Ablichten einer Person, die sich als Teilnehmer einer Versammlung oder lediglich zufällig in der Öffentlichkeit befindet, wird als ein unzulässiger Eingriff in das durch Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht bewertet, wessen Ausprägung das Recht am eigenen Bild ist.

Recht am eigenen Bild und Persönlichkeitsschutz

In seinem Beschluss vom 16.10.2014 erklärte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Az.: 10 ZB 13.2620) das Aufnehmen von Gegendemonstranten, opponierenden Teilnehmern und unbeteiligten Personen im vorliegenden Fall für unzulässig.
Nachdem die Teilnehmer einer Demonstration die Gegendemonstranten abgelichtet und die Aufnahmen im Internet veröffentlicht hatten, legte das Gericht ihnen ein Fotografie- und Filmverbot auf.

Einwilligung des Betroffenen erforderlich

Das Gericht betonte, dass das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit unter anderem die Normen des Kunsturhebergesetzes und das Recht am eigenen Bild umfasst. Dabei stellte das Gericht fest, dass die Teilnehmer an einer Demonstration nur dann die Gegendemonstranten ablichten dürfen, wenn eine ausdrückliche Einwilligung gemäß § 22 KunstUrhG hierzu erteilt worden ist oder aber sonstige Rechtfertigungsgründe gemäß § 23 KunstUrhG vorliegen. Sollte dies nicht der Fall sein, sei eine Verletzung der Vorschriften des Kunsturhebergesetzes gegeben.

Die Verbreitung der Aufnahmen im negativen Kontext – eine strafbare Handlung

Vorliegend wurden einige der Aufnahmen anschließend auf den Internet- und Facebookseiten der Demonstranten veröffentlicht. Aus dem Gesamtkontext losgelöst und mit unfreundlichen Kommentaren versehen, dienten die Bildnisse dazu, die Gegendemonstranten in einem negativen Licht darzustellen. Zur Verstärkung des Gesamteffekts wurden zu den Bildern die Webseiten der Gegendemonstranten angegeben, woraufhin diese von deren Gegnern beleidigend angesprochen wurden.
Die kontextlose Darstellung mit negativer Bewertung stellte nicht nur eine ungerechtfertigte öffentliche Zurschaustellung dar (§ 22 KunstUrhG), sondern führte zudem zu einer negativen öffentlichen Reaktion, welche den Kontrollmöglichkeiten der Betroffenen entzogen war.
Daraufhin kam das Gericht zu der Annahme, dass die Veröffentlichung zu einer Bloßstellung der Gegendemonstranten und opponierenden Teilnehmer und somit zur Gefährdung der öffentlichen Sicherheit geführt hat. Nach Berücksichtigung der jeweiligen Interessen der Parteien (§ 22 i.V.m. § 23 Abs. 2 KunstUrhG und § 23 Abs. 1, Nr. 1 und 2 KunstUrhG) stellten die Richter fest, dass die kontextlose Veröffentlichung den berechtigten Interessen der Betroffenen gemäß § 23 Abs. 2 KunstUrhG entgegensteht. Der Verstoß sei daher eine strafbare Handlung nach § 33 KunstUrhG.

Gefahr der wiederholten Internetveröffentlichung mit negativer Tendenz

Darüber hinaus werde durch die Handlungen der Klagepartei nach Einschätzung des Gerichts die Wiederholungsgefahr indiziert. Die konkrete Gefahr einer erneuten Verbreitung von Bildnissen im Internet mit ausgeprägt negativer Tendenz zur Bloßstellung, Anprangerung, Beleidigung oder aber Einschüchterung stünde den berechtigten Interessen opponierender Personen und Gegendemonstranten nach § 23 Abs. 2 KunstUrhG entgegen. Das Fotografie- und Filmverbot sei gerechtfertigt, da vorliegend die Normen des Kunsturhebergesetzes verletzt seien.

Verbreitung der Bilder zum Selbstschutz – zulässiger Rechtfertigungsgrund?

Der Vortrag der Klägerpartei, die Veröffentlichung erfolgte zum eigenen Schutz, sei nach Auffassung des Gerichts in der konkreten Situation kein Rechtfertigungsgrund. Da ein Einschreiten der Polizei bereits bei verbalen Provokationen von Gegendemonstranten unverzüglich erfolgte, sei keine Notwendigkeit für eine Veröffentlichung ersichtlich.

Vorsicht ist geboten

Die Tendenzen in der Rechtsprechung zeigen immer wieder, dass bei öffentlichen Veranstaltungen ein sensibler Umgang mit Foto- und Videoaufnahmen geboten ist. Trotzdem sind im digitalen Zeitalter die gewollten und ungewollten Verletzungen der einschlägigen Rechtsvorschriften kein seltenes Ereignis. Häufig vergessen diejenigen, die einen guten Grund für die Veröffentlichung von Fotomaterial ohne die Einwilligung der Betroffenen zu haben glauben, dass anhand von Metadaten (die auf der Fotodatei gespeicherten Daten, wie Uhrzeit, evtl. Ort, Kameramodell etc.) ein Schluss auf den Fotografen häufig möglich ist. Daher ist zur Achtung der eigenen und fremden Interessen die Unkenntlichmachung von personenbezogenen Merkmalen, wie Gesichter oder Kleidung geboten.

(Bild: © JiSign – Fotolia.com)

9 Gedanken zu „VGH Bayern: Fotografieverbot auf Demonstrationen“

  1. Ich finde, dass das Aufnehmen der Polizei gewährt werden sollte, um im Fall der Fälle Übeltäter finden zu können. Ansonsten sollte auch der Staat die Bilder von Unschuldigen wieder löschen müssen.

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  2. Hallo Vigilux!

    Zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen man eine fremde Person in der Öffentlichkeit fotografieren darf, empfehle ich Dir folgende Artikel:

    https://www.rechtambild.de/2010/04/fotografieren-verboten/

    https://www.rechtambild.de/2010/03/das-recht-am-eigenen-bild/

    Hier dürfte alles detailliert beschrieben sein.

    Mit der Pressefreiheit verhält es sich so, dass diese in bestimmten Fällen mit dem Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten kollidiert. Daher ist sie in solchen Konstellationen aus verfassungsrechtlichen Gründen einzuschränken.

    Viele Grüsse

    Kristina

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  3. Um welches Urteil geht es tatsächlich? Der Link ist irgendwie kaputt.

    Ich sehe die Rechtfertigungsgründev in §23 KunstUrhG bei jeder Demonstration gegeben, egal, ob diese sich zufällig „Gegeg“demo nennt. Meiner Meinung nach würde so ein Urteil sich direkt gegen geltendes Recht richten.
    Unbenommen kann natürlich gegen die üble Nachrede oder ähnliches vorgegangen werden, zu der es in dem vorliegenden Fall offenbar kam. Deshalb aber ein (hinreichend sinnloses, da das Geschehen in der Vergangenheit liegt) Fotografieverbot auszusprechen, erscheint doch sehr willkürlich und nicht rechtsstaatlich.

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  4. Hallo Herr Müller,

    das Urteil können Sie unter dem folgenden Link nachlesen:

    https://www.rechtambild.de/2015/05/bayerischer-vgh-beschluss-vom-16-oktober-2014-az-10-zb-13-2620/

    Bei den streitgegenständlichen Aufnahmen handelt es sich um Aufnahmen von opponierenden Gegendemonstranten und Teilnehmern, welche ohne Einwilligung entstanden sind und sodann veröffentlicht worden sind. Im konkreten Fall sieht das Gericht darin eher eine Provokation. In dem Urteil wird daher eine Verletzung des § 22 Abs. 1 KunstUrhG ohne Rechtfertigungsgründe gem. § 23 KunstUrhG bejaht.

    Vorliegend wird eine Abwägung zwischen den berechtigten Interessen der Abgebildeten und den Interessen des Urhebers vorgenommen. Nach Ansicht des Gerichts greife der Ausnahmetatbestand § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG nicht. Grund dafür seien die entgegenstehenden berechtigten Interessen der Abgebildeten nach § 23 Abs. 2 KunstUrhG. Im konkreten Fall sei nicht die eigentliche Veranstaltung (Redner, Teilnehmer als Beiwerk etc.) Schwerpunkt der Aufnahmen, sondern die Provokation und die Bloßstellung von Opponenten.

    Berücksichtigen Sie dabei bitte insbes. Rn. 12 und Rn. 14 des Urteils.

    Viele Grüße
    Kristina

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  5. Um das Urteil richtig würdigen zu können, empfehle ich einmal den Absatz 9 des Urteils zu lesen. Dort befindet sich eine URL. Einfach einmal in die Adresszeile des Browsers eintragen und nachsehen und ganz einfach einmal darüber nachdenken um welche Demostration und welche Opposition es sich dabei gehandelt hat.

    Für mich ist das Urteil ein Eingriff in die Presse-, Informaitons- und Meinungsfreiheit, weil es ganz einfach verbietet das Verhalten von Gegendemonstraten zu dokumentieren. Auch ein solches Verhalten ist für mich ein zeitgeschichtlich relevanter Vorgang und darf – aus journalistischer Sicht muß – dokumentiert werden. In meinen Augen spricht ein friedliches Verhalten von Gegendemonstranten – sollte beispielhaft auch dokumentiert werden – durchaus für die Auseinandersetzungskultur unserer Demokratie. Ein gegenteiliges Verhalten von Opponenten spricht eher für deren gestörtes Verhältnis zu den Grundwerten der FDGO. Daß entsprechendes auch für Demonstranten gilt, erwähne ich nur der Vollständigkeit halber und um Mißverständnisse im Vorfeld auszuschließen.

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  6. Ungeachtet der verschwurbelten Gesetzesinterpretationen fehlt mir völlig die Logik der Argumentation: Demonstrieren heißt doch, sich mit seiner Person in der Öffentlichkeit zu seiner Position zu bekennen. (Dasselbe gilt für Gegendemonstranten, nicht jedoch für unbeteiligte Zuschauer).
    Dabei fotografiert zu werden verstärkt doch nur die Absicht des Demonstrierenden, mit seiner Position wahrgenommen zu werden.
    „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“…

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  7. Gilt das nur bei GEGENdemonstranten – oder darf man DEMONSTRANTEN aufnehmen?
    Was ist, wenn man einen Presseausweis (von wem auch immer – offizielle Anbieter gibt es ja nicht) hat?

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  8. Wenn es tatsächlich darum ginge, Einzelpersonen zur Schau zu stellen (wie dies bspw. die Antifa regelmäßig mit den Portraitfotos tut, die sie von Demonstranten anfertigt) – DANN wäre es nicht nach KunstUrhG gerechtfertigt. Das kann ich mir vorstellen.
    Aber eine Gegendemonstration muss genauso dokumentiert werden dürfen wie eine Demonstration. Sonst nennt man seine nächste Demo einfach „Gegendemonstration gegen die parallele Antifa-Demo“ und ist damit vor jeder Bildaufnahme geschützt.

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