Ursprünglich hatte Kachelmann 2,25 Millionen Euro gefordert
Kachelmann hatte sogar deutlich mehr Schmerzensgeld gefordert, nämlich 1,5 Millionen Euro von „Bild“ und 750.000 Euro von „bild.de“. Er warf „Bild“ und „bild.de“ vor, in mehr als 100 verschiedenen Berichten über das Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung seiner Ex-Freundin eine „vorsätzliche Kampagne mit Schädigungsabsicht“ gegen ihn geführt und damit seine Persönlichkeitsrechte verletzt zu haben. Veröffentlicht wurden u.a. Details aus seinem Sexualleben sowie Auszüge aus seinem SMS- und Email-Verkehr ohne jeglichen Bezug zum Strafverfahren. Auch wurden Fotos veröffentlicht, die ihn z.B. unter dem Titel „Hofgang im Knast“ während seines Aufenthalts in der Justizvollzugsanstalt zeigen. Laut seinem Anwalt Ralf Höcker habe Kachelmann die „schlimmste Hetzkampagne der deutschen Presserechtsgeschichte“ über sich ergehen lassen müssen.
Schwerer Eingriff ins Persönlichkeitsrecht in 38 Fällen
Das Gericht sah eine Persönlichkeitsrechtsverletzung als teilweise gegeben an und verurteilte laut eines Berichts von Spiegel Online „Bild“ wegen persönlichkeitsrechtsverletzender Berichterstattung in 20 Fällen zur Zahlung von 335.000 Euro und „bild.de“ zur Zahlung von 300.000 Euro wegen 18 Fällen von rechtswidriger Berichterstattung (LG Köln, Urteil v. 30.09.2015, Az.: 28 O 2/14 und 28 O 7/14). Das ist die höchste Schmerzensgeldsumme, die in einem solchen Verfahren bisher zugesprochen wurde.
Durch die Berichte sei Kachelmann in seiner Intimsphäre, seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht und dem Recht am eigenen Bild verletzt worden. Es sei diesbezüglich kein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu erkennen, das die Eingriffe rechtfertigen würde. Vielmehr habe die Berichterstattung der Befriedigung der Neugier der Öffentlichkeit gedient. Auch habe die Berichterstattung eine erhebliche Prangerwirkung entfaltet und zu einer sozialen Isolation geführt. Es sei durch die Berichte zu einer Vorverurteilung Kachelmanns gekommen, er werde trotz des Freispruchs in Zukunft als „gewaltaffin und frauenverachtend“ stigmatisiert.
Das Interesse an der Berichterstattung sei zwar insbesondere aufgrund der Bekanntheit Kachelmanns besonders groß gewesen. Dies rechtfertige jedoch nicht jedwede Berichterstattung. Der Bericht über den Verdacht einer Straftat werde oft als wahr erachtet, die Berichterstattung über eine später erwiesene Haltlosigkeit des Vorwurfs könne den Mangel kaum beseitigen und finde deutlich weniger Aufmerksamkeit als eine Bezichtigung.
Keine Schädigungsabsicht der Beklagten erkennbar
Laut einer Pressemitteilung von Axel Springer konnte das Landgericht jedoch nicht feststellen, dass „Bild“ die Persönlichkeitsrechtsverletzungen vorsätzlich und mit Schädigungsabsicht herbeigeführt hätte. Jedoch könne ihr vorgeworfen werden, „auf einem außerordentlich schwierigen Gebiet der Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen die rechtliche Grenzziehung fahrlässig verfehlt zu haben“. „Bild“ habe sich jedoch nicht, wie von Kachelmann vorgeworfen, „rücksichtslos der Grenze zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit angenähert“.
Keine Pressekampagne mit anderen Verlagen geführt
Auch eine Pressekampagne mit anderen Verlagen konnte das Gericht laut Spiegel Online entgegen der Ansicht von Kachelmann nicht feststellen. Es stelle demnach „kein hinreichendes Indiz für ein planmäßiges und auf die Schädigung des Klägers gerichtetes Zusammenarbeiten der Verlage dar“, wenn sich konkurrierende Verlage in ihrer Berichterstattung wechselseitig zitieren.
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