Schadensersatzberechnung nach hypothetischer Lizenzierung – immer ein gerechtes Ergebnis?

In dem uns vorliegenden aktuellen Urteil des Landgerichts Hamburg vom 27. Januar 2015 (Az.: 310 O 393/13) wurde dem Unterlassungsbegehren eines Fotografen wegen einer Verletzung seiner Urheberrechte im vollem Umfang stattgegeben. Die Höhe des Schadensersatzes ist jedoch noch nicht abschließend geklärt und geht in die zweite Runde.

Verlag nutzte ungefragt Fotos in Büchern

Der Kläger ist ein Fotograf aus Polen, der seine Fotos hauptsächlich als Postkarten vertreibt. Überdies lizenziert er seine Fotos aber auch an Dritte, wobei er ein eigenes Vergütungsmodell inkl. Preisliste einsetzt.

Ein in München ansässiger Verlag druckte ab dem Jahr 2000 in vier seiner Bücher ein vom Kläger im November 1995 erstelltes Foto ab. Auf diesem war das Königsschloss in Warschau mit der Sigismund-Säule abgebildet. Die Bücher wurden in Deutschland, Österreich und der Schweiz verkauft. Zudem wurden sie auch in den Internetauftritten des Verlags mit dem Foto beworben.

Mit seiner Klage begehrte der Fotograf Unterlassung und Schadensersatz i.H.v. 16.380 €.

Urheberrechtsschutz in Deutschland

Das LG Hamburg hat entschieden, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG zusteht. Durch den Abdruck des Fotos und dem anschließenden Vertrieb der Bücher sei rechtswidrig in seine ausschließlichen Rechte zur Vervielfältigung und Verbreitung eingegriffen worden. Zudem sei das Foto durch die Nutzung in den Internetauftritten des Verlags öffentlich zugänglich gemacht worden.

Der Kläger genieße gem. § 120 Abs. 1, 2 Nr. 2 UrhG als Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der EU in Deutschland den gleichen urheberrechtlichen Schutz für seine Werke wie deutsche Staatsangehörige.

Dem Anspruch auf Schadensersatz nach § 97 Abs. 2 UrhG hat das LG jedoch nur i.H.v. 5.580 € stattgegeben, obwohl es von einem schuldhaften Handeln des Verlags überzeugt war. Denn dieser hätte sich vor Nutzung des Fotos Gewissheit über die Berechtigung zum Abdruck verschaffen müssen.

Berechnung des Schadensersatzes nach Lizenzanalogie

Der Schadenersatzanspruch ist gem. § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG bei Anwendung der Lizenzanalogie auf Grundlage des Betrages zu berechnen, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Nach der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass für die Ermittlung angemessener Lizenzsätze ausreichend sei, wenn der Verletzte darlegen und beweisen kann, dass eine ausreichende Zahl von Lizenzverträgen nach seinem Vergütungsmodell abgeschlossen wurden. Dieser Umstand soll die Feststellung rechtfertigen, dass vernünftige Vertragsparteien bei einer vertraglicher Lizenzeinräumung eine entsprechende Vergütung vereinbart hätten – selbst wenn sie über dem Durchschnitt vergleichbarer Vergütungen liegt (vgl. BGH GRUR 2009, 660, 663).

Vorliegend war die Kammer des LG der Ansicht, dass die vom Kläger vorgelegten Lizenzverträge im Sinne der BGH-Rechtsprechung ausreichend seien. Im Ausgangspunkt sei es daher gerechtfertigt, die Preisliste des Klägers für die Schadensermittlung heranzuziehen. Die Vergleichsverträge ließen nach Auffassung der Richter aber nicht den Schluss zu, dass der Fotograf sämtliche Positionen seiner Preisliste auf dem Markt auch kumulativ durchsetzen könne. Das Gericht erkannte entsprechend der Preisliste zwar ein Grundhonorar für die Nutzung der Fotos für drei Jahre i.H.v. umgerechnet 1.200 € an, zog die Preisliste des Klägers ansonsten aber nicht heran.

Stattdessen wurde die weitere Schadensermittlung anhand der MFM-Liste vorgenommen. Die dort vorgesehenen Sätze für die Vergütung für die Lizenzverlängerungen und -erweiterungen i.H.v. 75 € für Zeitintervalle von je drei Jahren wurden überdies – aufgrund des hohen Grundhonorars – auf 25 € gekürzt. Die Preisliste des Klägers sah hier einen Zuschlag von 50 % des Grundhonorars vor.

Ein Anspruch für die Online-Nutzung, welche vom Kläger mit einem 30 %-Zuschlag angesetzt wurde, wurde gänzlich aberkannt. Denn diese sei allein zur Bewerbung der Bücher erfolgt. Für die weitere Nutzung in Österreich und der Schweiz wurde ebenfalls nur ein Zuschlag von je 25 € anerkannt. Nach der von dem Fotografen vorgelegten Preisliste hätte dieser 30 % des Grundhonorars für jedes weitere Land betragen. Vernünftige Vertragsparteien hätten nach Auffassung der Kammer zudem für die Weglassung der Urhebernennung nur einen Zuschlag von 20 % – und nicht wie vom Kläger gefordert von 100 % – auf das hypothetische Nutzungsentgelt vereinbart. Auf sämtliche Zuschläge wandte das Gericht überdies einen – von dem Fotografen eigentlich nur ausnahmsweise bzgl. seiner Preisliste gewährten – Nachlass von 50 % an.

Berechnungen des Gerichts nicht nachvollziehbar

Nach alledem stellt sich die Frage, ob die vom Gericht anhand von § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls bemessene Höhe des Schadensersatzes vorliegend in jeder Beziehung gerechtfertigt ist. Denn nach der oben bereits zitierten BGH-Rechtsprechung (BGH GRUR 2009, 660) komme es nicht darauf an, ob die aufgeführten Lizenzsätze und sonstigen Konditionen allgemein üblich und angemessen sind. Bereits der Umstand, dass Lizenzvereinbarungen abgeschlossen werden, rechtfertige den Schluss, dass vernünftige Vertragsparteien bei vertraglicher Lizenzeinräumung eine entsprechende Vergütung vereinbart hätten. Dies gilt jedenfalls, sofern sich das zur Streitentscheidung berufene Gericht davon überzeugen kann, dass eine ausreichende Zahl von Lizenzverträgen nach einem von der Schadensersatz begehrenden Partei angebotenen Vergütungsmodell abgeschlossen wurden.

Nicht nachvollziehbar sind aber insbesondere die Kürzungen, welche vom Gericht vorgenommen wurden. Einerseits akzeptieren die Richter 1.200,00 EURO für eine Nutzungsdauer von 3 Jahren für ein Bild – andererseits will es die Preisliste nicht für weitere Berechnungen anwenden weil schon die 1.200,00 EURO zu viel seien. Auch geben die Richter an, der Kläger wäre Fotograf und würde seine Fotos direkt oder als Postkarten vertreiben wobei es ihm sehr auf seine Nennung ankäme. Am Ende wird die fehlende Urhebernennung lediglich mit 20% berechnet weil der Werbewert für den Fotograf von untergeordneter Bedeutung sei. Es fehlt gänzlich an durchgreifenden Begründungen.

Rechtsanwalt Florian Wagenknecht hierzu:

Das Gericht dreht sich mit seiner Argumentation im Kreis. Es wären praxisnahe Argumente schön gewesen, die einen Ausgleich zwischen den Interessen des Fotografen und dem Nutzer begründen – so allerdings ist das Urteil nicht nachvollziehbar.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ob der Verlag in Berufung gehen wird, ist schwer einzuschätzen. Der Kläger hat gegenüber rechtambild.de aber mitgeteilt, dass er auf jeden Fall Berufung einlegen wird. Schließlich habe er nicht das bekommen habe, was er beantragt hat.

Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie das Oberlandesgericht Hamburg als Berufungsinstanz über die Höhe des Schadensersatzes entscheiden wird.

(Bild: © Coloures-pic – Fotolia.com)

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