Der Bundesgerichtshof hatte im Streit zwischen einem Architekten und einem Hauseigentümer über das Zugangsrecht des Architekten zu entscheiden (BGH, Urteil v. 29. April 2021, Az. I ZR 193/20). Dieser begehrte Zugang zu dem Gebäude dessen Umbau und Erweiterung er geplant hatte. Im dazugehörigen Vertrag war u.a. folgende Klausel enthalten:
„Der Auftragnehmer ist berechtigt – auch nach Beendigung dieses Vertrags – das Bauwerk oder die bauliche Anlage in Abstimmung mit dem Auftraggeber zu betreten, um fotografische oder sonstige Aufnahmen zu fertigen.“
Duldung in erster Instanz erfolgreich durchgesetzt
Auf dieses vertragliche Recht auf Zugang zum Gebäude zur Anfertigung von Fotografien berief der Architekt sich nun gegenüber dem Eigentümer. Dieser wollte eine solches Recht jedoch nicht anerkennen und verweigerte den Zugang. In der ersten Instanz vor dem Amtsgericht Stuttgart war der Architekt mit seinem Begehren erfolgreich. Der Eigentümer wurde zur Duldung des einmaligen Betretens zur Anfertigung von konkret benannten Lichtbildern verurteilt. Das Landgericht Stuttgart schloss sich hingegen der Auffassung des Eigentümers an und wies die Klage als Berufungsinstanz ab. Mit der Revision vor dem BGH begehrt der Architekt die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
BGH lehnt Zugangs- und Fotografierecht in Musterverträgen ab
Der BGH hat einen Anspruch auf Zugang sowohl basierend auf der entsprechenden Klausel des Architektenvertrags als auch § 25 Abs. 1 UrhG abgelehnt. Die relevante Klausel
„Der Auftragnehmer ist berechtigt – auch nach Beendigung dieses Vertrags – das Bauwerk oder die bauliche Anlage in Abstimmung mit dem Auftraggeber zu betreten, um fotografische oder sonstige Aufnahmen zu fertigen.“
sei nach Auffassung des Gerichts gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie bei der gebotenen objektiven Auslegung den Vertragspartner des Architekten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige.
Zugangsklausel benachteiligt Vertragspartner unangemessen
Das Gericht bestätigte im Wesentlichen die Ausführungen des Landgerichts und hielt fest, dass dessen Erwägungen keine Rechtsfehler enthielten. So sei der Klausel insbesondere kein lediglich einmaliges Zugangsrecht zu entnehmen, wie der Architekt argumentierte. Ebenfalls beschränke sich das Zugangsrecht nicht auf die Wahrnehmung der urheberrechtlichen Befugnisse des Architekten. Es handele sich nach nicht zu beanstandender Auffassung um
„ein mehrmaliges, weder zeitlich beschränktes noch auf die Durchsetzung von Urheberrechten begrenztes Betretungsrecht, während die Interessen des Vertragspartners nur insoweit berücksichtigt würden, als das Betretungsrecht „in Abstimmung“ mit ihm ausgeübt werden müsse.“
BGH, Urteil v. 29. April 2021, Az. I ZR 193/20
Im Hinblick auf eine vermeintliche Branchenüblichkeit eines solchen Zugangsrechts ließ der BGH recht deutlich erkennen, dass selbst bei einer angenommen Üblichkeit, diese keine Angemessenheit zur Folge habe:
„Im Übrigen ergibt sich aus einer Branchenüblichkeit allein noch keine Angemessenheit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung. Eine eventuell branchenübliche Verwendung der in Rede stehenden Klausel besagt nicht, dass in der Branche über das Verständnis dieser Klausel in jeder Hinsicht und insbesondere hinsichtlich der Frage der Reichweite des Zugangsrechts Einigkeit besteht.“
BGH, Urteil v. 29. April 2021, Az. I ZR 193/20
Kein gesetzliches Zugangsrecht mangels urheberrechtlich schutzfähigem Werk
Auch über ein Zugangsrecht nach § 25 Abs. 1 UrhG entschied der BGH mit umfangreicher Begründung. Diese Vorschrift schützt u.a. das Urheberpersönlichkeitsrecht, indem sie das Zugangsrecht die ideelle Beziehung des Urhebers zu seinem Werk ermöglicht. Ein solches Recht setzt aber in jedem Fall voraus, dass es sich um ein „Werk“ im Sinne des § 2 UrhG handelt. Dies hat das Berufungsgericht im Falle der gegenständlichen Erweiterung/des Umbaus ablehnt.
„Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Frage der Schöpfungshöhe sei in der mündlichen Verhandlung anhand diverser Lichtbilder sowie eines Plans des Umbau- und Sanierungsvorhabens ausführlich erörtert worden. Eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG, die gerade hinsichtlich der Gestaltung des Inneren des Gebäudes aus der Masse alltäglichen Bauschaffens herausrage, lasse sich dabei nicht erkennen. […] Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung stand“
BGH, Urteil v. 29. April 2021, Az. I ZR 193/20
Es war dabei auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Bewertung der Werkqualität (allein) basierend auf vom Architekten vorgelegten Lichtbildnern vorgenommen hat:
„Geht es – wie hier bei der Innenraumgestaltung eines Bauwerks – um ein Werk, bei dem es im Wesentlichen auf den sich aufgrund der Betrachtung des Objekts ergebenden Gesamteindruck ankommt, der sich oft einer genauen Wie- dergabe durch Worte entzieht, kann der Kläger seiner Darlegungslast auch durch Vorlage von Fotografien des Werks genügen, wenn die maßgeblichen Umstände hierauf ausreichend deutlich zu erkennen sind (BGH, Urteil vom 19. März 2008 – I ZR 166/05, GRUR 2008, 984 Rn. 19 = WRP 2008, 1440 – St. Gottfried).“
BGH, Urteil v. 29. April 2021, Az. I ZR 193/20
Der BGH lehnt eine Anwendung des § 25 Abs. 1 UrhG damit mangels urheberrechtlich schutzfähigem Werk ab.
Werk der Baukunst ist Werk der bildenden Kunst
Das Gericht nimmt auf Beanstandung der Revision hin auch zum unionsrechtlichen Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft Stellung und betont die bei der Bewertung anzuwendenden (strengen) Maßstäbe. Die von der Revision vorgebrachte Kritik an der landgerichtlichen Entscheidung, diese habe sich nicht an den höchstrichterlichen Vorgaben der Entscheidung „Geburtstagszug“ (BGHZ 199, 52 – Geburtstagszug) orientiert, wies der BGH zurück. Bei dem hier relevanten „Werk“ handele es sich nicht um ein Werk der angewandten Kunst, sondern um ein Werk der bildenden Kunst.
Individuelle Vereinbarung eines Zugangs- und Fotografierrechts empfehlenswert
Da viele (Muster)Architektenverträge die hier gegenständliche Klausel enthalten, ist von einer hohen Relevanz der Entscheidung für die Praxis auszugehen. Soweit ein Zugangsrecht für den Architekten im Einzelfall von Relevanz ist, wird man eine abweichende Formulierung finden müssen, die den Anforderungen des BGH entspricht. Im Idealfall geschieht dies im Rahmen einer individuellen Vereinbarung mit dem Eigentümer.
(Bild: mayenco auf pixabay)