Bereits in dem Artikel „Das Recht am eigenen Bild“ haben wir einen kleinen Überblick über die Regelungen der §§ 22f. Kunsturhebergesetz (KUG) gegeben. Insbesondere die Ausnahme des § 23 Abs 1 Nr. 1 KUG, unter die auch die Abbildung von Personen der Zeitgeschichte fällt, ist, ausgehend von verschiedenen Klagebegehren der Prinzessin Caroline von Hannover (ehemals von Monaco), stark in der Diskussion. Nunmehr sollen anhand der Entscheidungen verschiedener Gerichte die bisherigen Veränderungen im Überblick dargestellt werden.
Der Ursprung
Alles begann mit einer Klage vor dem Landgericht Hamburg im Jahre 1994. Prinzessin Caroline versuchte sich mit der Klage gegen die Veröffentlichung verschiedener Paparazzi-Fotografien in Unterhaltungszeitschriften zu wehren, die sie, teils mit ihren Kindern, teils mit ihrem Ehemann, zeigten. Die Veröffentlichung geschah sowohl in Deutschland als auch in Frankreich. Prinzessin Caroline sah sich dadurch und durch die ständige Belagerung der Reporter in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt und vertrat die Ansicht, auch als „absolute“ Person der Zeitgeschichte Anspruch auf einen geschützten Privatbereich außerhalb ihres Hauses zu haben. Das Landgericht Hamburg sprach ihr jedoch lediglich für die Veröffentlichungen in Frankreich einen Unterlassungsanspruch zu (LG Hamburg, Urteil vom 04.02.1994, Aktz.: 324 O 537/93). Auf die Berufung hin wies das Oberlandesgericht Hamburg die Klage im Ganzen ab (OLG Hamburg, Urteil vom 08.12.1994, Aktz.: 3 U 64/94). Mit der Revision verfolgte Prinzesion Caroline ihr Begehren weiter.
Bundesgerichtshof
Der Bundesgerichtshof entschied daraufhin im Jahr 1995, dass Personen der „absoluten“ Zeitgeschichte, zu denen auch Prinzessin Caroline von Hannover zählt, Veröffentlichungen von Abbildungen hinzunehmen haben, „auch wenn diese sie nicht bei der Wahrnehmung einer öffentlichen Funktion zeigen, sondern ihr Privatleben im weiteren Sinne betreffen“ (BGH, Urteil vom 19.12.1995, Aktz.: VI ZR 15/95). Wie bereits in vorherigen Entscheidungen, wandte der BGH auch hier die Kriterien der „relativen“ und „absoluten“ Zeitgeschichte an. „Absolute“ Personen der Zeitgeschichte waren demnach solche Personen, die dauerhaft im Blickfeld der Öffentlichkeit standen. Dies war unter anderem sowohl für Staatsoberhäupter als auch Angehörige regierender Königs- und Fürstenhäuser anerkannt. Eine Ausnahme davon solle nur gelten, wenn man den Aufenthaltsort der Person als abgeschieden bezeichnen kann. „Relative“ Personen der Zeitgeschichte hingegen waren solche Personen, die nur für einen vorübergehenden Zeitraum das Interesse der Öffentlichkeit auf sich zogen. Berichte über sie waren nur für den Zeitraum im Zusammenhang mit dem entsprechenden Ereignis ohne Einwilligung zulässig. So konnte beispielsweise über Straftäter zumindest im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Tat berichtet werden.
Bundesverfassungsgericht
Prinzessin Caroline gab sich jedoch mit der Entscheidung des BGH nicht zufrieden und wandte sich mit einer Verfassungsbeschwerde gegen sämtliche zivilgerichtliche Urteile, soweit die zukünftige Verbreitung der Fotos nicht untersagt wurde, an das Bundesverfassungsgericht. Sie rügte die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, insbesondere des Rechts am eigenen Bild und des Rechts auf Achtung der Privatsphäre.
Auch das Bundesverfassungsgericht gab der Klägerin jedoch nur zum Teil Recht und ihre Verfassungsbeschwerde wurde als teilweise unbegründet abgewiesen. Es erachtete sowohl die Auslegung der der §§ 22f. KUG, als auch die vom BGH angewandten Kriterien der „relativen“ und „absoluten“ Personen der Zeitgeschichte als verfassungsrechtlich unbedenklich, „solange die einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den berechtigten Interessen des Abgebildeten nicht unterbleibt“. Lediglich hinsichtlich der Veröffentlichung der Fotos, die auch ihre Kinder abbilden, stellen die beanstandeten Urteile eine Verletzung ihre Persönlichkeitsrechts dar (BVerfG, Urteil vom 15. 12. 1999, Aktz.: 1 BvR 653/96).
Europäischer Gerichtshof für Menschenrecht
Da Prinzessin Caroline jedoch auch in der Veröffentlichung der Fotos, die sie selbst abbilden, eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts sah, erhob sie Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und rügte die Verletzung des Rechts auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens durch die Entscheidungen der deutschen Gerichte gem. Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Dieser stellte fest, dass es nicht ausreichend sei, Prinzessin Caroline pauschal als „absolute“ Person der Zeitgeschichte einzustufen und damit ein Eindringen in ihre Privatsphäre zu rechtfertigen. Vielmehr sei ein anderes Kriterium für die Rechtmäßigkeit entscheidend. Die Bildberichterstattung müsse einen Beitrag zu einer Diskussion von allgemeinem Interesse leisten. Dies sei bei Aufnahmen, die die Prinzessin bei privaten Aktivitäten, außerhalb der Wahrnehmung ihrer offiziellen Aufgaben, zeigen, nicht der Fall. Weiter hat die Öffentlichkeit „trotz der allgemeinen Bekanntheit der Beschwerdeführerin auch kein berechtigtes Interesse daran, zu wissen, wo sie sich befindet und wie sie sich allgemein in ihrem Privatleben verhält, selbst wenn sie sich an Orten aufhält, die man nicht immer als abgeschieden bezeichnen kann.“ Selbst wenn ein solches Interesse bestünde, müsse es hinter dem wirksamen Schutz des Privatlebens zurücktreten. Im Ergebnis ist die gerügte Verletzung des Art. 8 der EMRK damit begründet (EGMR (III. Sektion), Urteil vom 24. 06. 2004, Aktz.: 59320/00).
Folgeentscheidungen
Unter Berücksichtigung dieser Entscheidung des EGMR gab der BGH seine Kriterien der „absoluten“ und „relativen“ Person der Zeitgeschichte auf und nahm nunmehr eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Rechten und Grundrechten der abgebildeten Person aus Art. 1 I, 2 I GG und Art. 8 EMRK und den Rechten der Presse aus Art. 5 I 2 GG und Art. 10 EMRK vor („abgestuftes Schutzkonzept“). Unter Berücksichtigung dieser Aspekte kam der BGH mit einer Entscheidung vom 06.03.2007 zu dem Ergebnis, dass Bildveröffentlichungen, die Prinzessin Caroline und ihren Gatten Prinz Ernst August von Hannover im Urlaub zeigen, nicht von allgemeinem Interesse sind. Zulässig sind hingegen Fotoveröffentlichungen, die in Kombination mit einer Wortberichterstattung, über ein zeitgeschichtliches Ereignis berichten. Abgebildet waren Prinzessin Caroline und Prinz Ernst August von Hannover auf öffentlicher Straße im Urlaub in St. Moritz. Da die zum Bild gehörige Wortberichterstattung jedoch auch Bezug zu der Erkrankung des ehemaligen Fürsten von Monaco und dem Verhalten seiner Familienmitglieder während dieser Krankheit nahm, seien die Veröffentlichungen nicht zu beanstanden (BGH, Urteil vom 6. 3. 2007, Aktz.: VI ZR 51/06).
Das Bundesverfassungsgericht bestätigte die „neuen“ Kriterien des BGH unter anderem in einem Beschluss vom 26.02.2008 als verfassungsgemäß (BVerfG, Beschluss vom 26. 02. 2008, Aktz.: 1 BvR 1602/07).
Fazit
Es stellt sich die Frage, ob diese „formalen“ Änderungen nun tatsächlich Auswirkungen auf das Ergebnis solcher Entscheidungen hat. Zwar entscheided nun stärker der Kontext einer Berichterstattung darüber, ob eine Veröffentlichung zulässig ist oder nicht, jedoch räumt der BGH dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit weiterhin großen Raum ein. So besteht dieses Interesse laut BGH auch im Rahmen der Berichte zur reinen Unterhaltung. Zwar hast dieses Interesse ein geringeres Gewicht gegenüber dem Schutz der Privatsphäre einer Person, jedoch bleibt ein Rückgriff auf die Rechtsprechung zu Zeiten der „absoluten“ und „relativen“ Personen der Zeitgeschichte geboten. Ebenso gibt weiterhin der Bekanntheitsgrad einer Person vor, ob zugunsten oder zuungunsten der Pressefreiheit entschieden wird. Je bekannter eine Person ist, desto größer ist regelmäßig das Interesse der Öffentlichkeit an der Information über deren Verhalten.
Auch die vom BGH getroffene Feststellung, der Persönlichkeitsschutz für Wort- und Bildberichterstattung reiche unterschiedlich weit, ändert faktisch nichts an diesem Ergebnis. So kam der BGH in einer Entscheidung vom 26.20.2010 zu einem einheitlichen Ergebnis für beide Formen der Berichterstattung, obwohl er eine unterschiedliche Reichweite annahm (BGH, Urteil vom 26.10.2010, Aktz.: VI ZR 230/08). Da es sich jedoch ausdrücklich um Einzelfallentscheidungen handelt, bleiben weitere Entwicklungen der Rechtsprechung abzuwarten. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt wäre eine Aussage über konkrete Richtungswechsel der höchstrichterlichen Rechtsprechung verfrüht.