Notwehrrecht gegen aufdringliche Paparazzi

Im Dezember 2014 veröffentlicht BILD Online ein Video, auf welchem zu sehen ist, wie der Popsänger Herbert Grönemeyer angeblich einen Fotografen und einen Kameramann angreift. Der Vorfall ereignete sich am Flughafen Köln/ Bonn, wo der Sänger zusammen mit seinem Sohn und seiner Lebensgefährtin landete.

Angriff oder Verteidigung?

Die Familie wird von zwei aufdringlichen Paparazzi belästigt. Dagegen soll sich der Sänger, den Medienberichten zufolge, etwas temperamentvoll sowohl verbal als auch körperlich verteidigt haben. Er habe die Kamera festgehalten und mithilfe seiner Tasche den Kameramann weggetrieben. Grönemeyer behauptet, er sei von den Fotografen bewusst provoziert und die Aufnahmen seien inszeniert worden. Der Fotograf bestreitet das und bereitet eine Strafanzeige gegen den Sänger wegen Körperverletzung vor.

Nachdem das Video von BILD Online ins Internet gestellt wurde, verbreitete sich dieses schnell in diversen Online-Medien.

LG Köln – die Verbreitung des Videos wird untersagt

Grönemeyers Anwalt erwirkt vor dem Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung, so dass der Zeitschrift die Verbreitung des Videos untersagt wurde.

Die Online- Zeitschrift ist aber der Meinung, das Video soll aufgrund des öffentlichen Informationsinteresses weiterhin gezeigt werden. Um diese Position durchzusetzen, wird die Videosequenz als ein Ereignis der Zeitgeschichte dargestellt. So möchte die Zeitschrift eine besondere Situation schaffen, so dass die Ausnahme nach § 23 KUG einschlägig wird.

Nach § 22 Kunsturhebergesetz (KUG) dürfen Bildnisse einer Person nur dann verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden, wenn eine ausdrückliche Einwilligung des Abgebildeten vorliegt. Die Einwilligung ist nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG dann entbehrlich, wenn es sich bei der Aufnahme um ein Bildnis der Zeitgeschichte handelt, an dem ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Ob die bloße Anwesenheit einer prominenten Familie am Flughafen ein zeitgeschichtliches Ereignis von gesellschaftlicher Bedeutung darstellt, so dass die gesetzliche Ausnahme einschlägig sein soll, dürfte äußerst fraglich sein.

Grönemeyer hält dagegen, er und seine Familie wurden von den Fotografen bedrängt und belästigt. Grönemeyers Anwalt argumentiert, dass die Handlungen der Fotografen eine Verletzung der Privatsphäre des Sängers darstellten, wogegen er sich währen durfte. Daher handele es sich bei seiner Aktion um eine Notwehrhandlung, durch die er sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und sein Recht am eigenen Bild verteidigt hätte. Dem gaben die Richter Recht und verbieten erstmal die Verbreitung des Videomaterials.

LG Berlin: Audiatur et altera pars – auch der andere Teil soll angehört werden

Das Video diente des Weiteren als Grundlage für zahlreiche Berichte, welche den Sänger teilweise negativ darstellen.

Über den Vorfall erschien unter anderem im Bild am Sonntag ein Artikel unter dem Titel „Prügelattacke am Flughafen…Herbert Grönemeyer vermöbelt Fotografen“. Gegen diesen hat Grönemeyers Anwalt vor der Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin nunmehr eine Gegendarstellung beansprucht.

Nachdem sich der Sänger vor dem Landgericht Köln gegen den Axel Springer Verlag durchgesetzt hat, verfügt am 20.Januar 2015 auch das Landgericht Berlin per einstweiliger Verfügung zu Gunsten des Sängers. Der Vorsitzende verpflichtet Bild am Sonntag zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung.

Der Gegendarstellungsanspruch gibt der Person, die von einer Tatsachenbehauptung betroffen ist, die Möglichkeit, kostenlos im selben Medium, in einer vergleichbaren Stelle und im vergleichbaren Umfang die eigene Position darzustellen. Durch die Gegendarstellung wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt sowie dem Interesse der Öffentlichkeit an inhaltlich richtigen Informationen Ausdruck gegeben.

Das Gericht hält sich strikt an die Formel: gleicher Umfang, gleiche Stelle, gleiche Aufmachung

Obwohl Grönemeyer seine Genugtuung bekommt, wurde sein Antrag doch teilweise zurückgewiesen. Der Sänger hat eine Gegendarstellung auf der Titelseite begehrt. Das Gericht befolgt aber sehr strikt den Grundsatz der Waffengleichheit (vgl. Caroline-von-Monaco-Urteil I). Hiernach soll die Berichtigung von der Ausrichtung, dem Umfang und der Aufmachung her dem ersten Bericht entsprechen.

In der konkreten Konstellation wurde der Artikel ursprünglich nicht auf der Titelseite veröffentlicht. Auf der Titelseite erschien lediglich eine Ankündigung des Beitrags mit dem Satz „Prügel am Flughafen“. LG Berlin war der Meinung, dass aus der Titelseite nicht hervorging, um welchen Vorfall es sich handelte. Unter Berücksichtigung der Pressefreiheit stellte das Gericht fest, dass eine Ankündigung der Gegendarstellung auf der Titelseite unverhältnismäßig wäre. Die von Grönemeyer begehrte Gegendarstellung soll nunmehr im inneren Teil der Zeitung erscheinen.

Das Notwehrrecht bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen – wird die Pressefreiheit nun neue Grenzen erfahren?

Der Springer Verlag hat jedoch bereits angekündigt, dass er sich sowohl gegen den Beschluss des LG Köln als auch gegen den Beschluss des LG Berlin wehren will.

Wenn es tatsächlich zu einer Revision kommen sollte, dürfte insbesondere die Entscheidung der Revisionsinstanz gegen den Beschluss des LG Köln mit Spannung erwartet werden.

Entscheidend könnte die Frage sein, ob Herrn Grönemeyer ein Notwehrrecht zustand und ob eine Notwehrhandlung als zeitgeschichtliches Ereignis bewertet werden darf. War seine Handlung als Verteidigung seiner Privatsphäre angemessen? Hierfür müsste eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Sängers und der Pressefreiheit vorgenommen werden. Dass das Persönlichkeitsrecht ein notwehrfähiges Rechtsgut ist, welches bei Paparazzi-Attacken durch Notwehrhandlungen verteidigt werden kann, wurde von der Rechtsprechung in anderen Konstellationen bereits anerkannt (z.B. OLG Hamburg Beschluss v. 05.04.2012, Az.: 3-14/12).

Wenn das Gericht auch im Fall Grönemeyers entscheiden sollte, dass er sich tatsächlich „gewehrt“ hat, dürfte sein Notwehrrecht wohl nicht durch die Ausnahme nach § 23 KUG (das Vorliegen eines zeitgeschichtliches Ereignisses) umgangen werden.

Der Flughafen-Vorfall könnte einen neuen Präzedenzfall begründen. Die weitere Entscheidung des Gerichts bleibt abzuwarten.

(Bild: © Tom Wang – Fotolia.com)

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