Rechtsbehelfe in der Medienberichterstattung: Der Gegendarstellungsanspruch

Rechtsbehelfe in der Medienberichterstattung:

Nicht selten kommt es vor, dass über Prominente, aber auch Privatpersonen und Unternehmen knapp an der Wahrheit vorbei berichtet wird. Dies muss der Betroffene nicht hinnehmen.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt dem Einzelnen das Recht, grundsätzlich selbst darüber entscheiden zu können, wie er sich in der Öffentlichkeit darstellen will und ob – bzw. inwieweit – andere über seine Persönlichkeit durch entsprechende Mitteilungen in der Öffentlichkeit verfügen können (BverfGE 63, 131 ff.). Mit dem Gegendarstellungsanspruch wird dem Betroffenen – freilich  im Lichte der Presse- und Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG – die Möglichkeit einer persönlichen Gegenäußerung in demselben Medium und mit derselben Publizität verschafft.

Die Besonderheit dieses Instrumentariums besteht darin, dass keine konkrete, schuldhafte Rechtsverletzung durch den Bericht gegeben sein muss und keine Differenzierung nach unwahren oder wahren Tatsachenbehauptungen erfolgt.

Im Einzelnen:

Es findet sich keine einheitliche Regelung für den Gegendarstellungsanspruch, umso wichtiger ist daher das Auffinden der einschlägigen Norm. Die entsprechende Rechtsgrundlage findet sich – je nach betroffenem Medium – in unterschiedlichen Gesetzen. Im Bereich der Presse ist sie (in teils unterschiedlicher Ausprägung) in den jeweiligen Pressegesetzen der Länder geregelt, im Bereich des Rundfunks in den entsprechenden Staatsverträgen. Bei Veröffentlichungen im Internet besteht ein Gegendarstellungsanspruch nur gegenüber Anbietern von journalistisch-redaktionell gestalteten und periodisch erscheinenden Texten, also bei Online-Portalen mit redaktionellen Inhalten, Online-Magazinen oder Online-Ausgaben von Printmedien. Welches Gesetz anwendbar ist, richtet sich nach dem Veröffentlichungsort der entsprechenden Mitteilung. Bei Druckwerken ist dies in der Regel der Verlagsort, bei Fernsehsendungen regelmäßig der Ausstrahlungsort.

Nicht jede Berichterstattung rechtfertigt einen Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung. Grundsätzlich müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein, wobei die Anforderungen in den unterschiedlichen Gesetzen zum Teil differieren:

Wer kann den Anspruch geltend machen?

Jede natürliche oder juristische Person, die durch Tatsachenmitteilungen in den Medien betroffen ist, kann einen Gegendarstellungsanspruch geltend machen. Betroffen ist derjenige, der durch die Tatsachenbehauptung in der sogenannten Erstmitteilung, also der erstmaligen Veröffentlichung der beanstandeten Äußerungen, erkennbar als Individuum angesprochen wird. Eine namentliche Nennung ist hierfür nicht erforderlich und es braucht auch kein Angriff oder eine Rechtsverletzung seiner Person vorzuliegen. Eine „Berührung in der eigenen Interessenssphäre“ ist ausreichend, wenn der Betroffen zur mitgeteilten Tatsache in einer individuellen Beziehung steht. Denkbar ist ein Betroffensein auch bei einer Berichterstattung über Dritte Personen, wenn die Berichterstattung über einen selbst zurückfällt. So kann z.B. die Berichterstattung über verwahrloste Kinder auf deren Eltern ausstrahlen und diesen einen Gegendarstellungsanspruch gewähren.

Auf den Inhalt kommt es an!

Voraussetzung des Gegendarstellungsanspruchs ist eine bereits veröffentlichte Tatsachenbehauptung. Ob diese wahr oder unwahr ist, verletzend oder beleidigend, ist unerheblich. Gegenüber Meinungen, Kritik oder Werturteilen besteht der Anspruch nicht. Daher bedarf es einer – oftmals schwierigen – Abgrenzung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung, die nicht selten den Anspruch entfallen lässt, weil es sich eben um eine Meinung handelt.

Zentral ist also die Frage, ob eine Tatsachenbehauptung vorliegt. Kurz gesagt sind Tatsachenbehauptungen Äußerungen von Sachverhalten, Zuständen, Begebenheiten, deren Richtigkeit objektiv beweisbar ist. Beispiel: „Das Unternehmen XY ist insolvent“.  Auch bildliche Darstellungen – z.B. in Form von Karikaturen oder auch Fotomontagen – können eine Tatsachenbehauptung enthalten. Zudem kann sich eine Tatsachenbehauptung auch bloß aus einem zwischen den Zeilen stehenden Eindruck oder einer Schlussfolgerung ergeben. Ein Anspruch soll aber nur dann bestehen, wenn sich der Eindruck dem Leser als eigene Aussage und unabweisliche Schlussfolgerung aufdrängen muss – mit anderen Worten: Eine „nicht fern liegende Deutung“ oder ein „nicht fern liegender Eindruck“ genügt nicht.

Nicht gegendarstellungsfähige Meinungen sind dagegen Äußerungen von Werturteilen, Ansichten und Anschauungen aller Art und – so der Fachsprech – durch „Elemente des Dafürhaltens oder der Stellungnahme“ geprägt. Sie sind auf ihren Wahrheitsgehalt nicht überprüfbar, weil sie nur subjektive Meinungen wiedergeben. Beispiel: „Der Inhaber XY des Unternehmens weiß, wie man gekonnt eine Pleite hinlegt.“

Die Schwierigkeit der Abgrenzung besteht darin, dass tatsächliche und wertende Elemente in einer Äußerungen oftmals vermischt werden und die Grenzen somit fließend sind. Meinungen werden auf Behauptungen gestützt  und Behauptungen von Tatsachen erscheinen wegen des Gesamtzusammenhangs als Werturteil. Entscheidend ist in diesen Fällen nach der Rechtsprechung die im Vordergrund stehende Äußerung. Wie die Äußerung einzustufen ist, kann in der Regel erst festgestellt werden, wenn der zugrundeliegende Sachverhalt berücksichtigt wird. Sind Äußerung und Sachverhalt kongruent, liegt eine wahre Tatsachenbehauptung vor; decken sie sich nicht, ist eine unwahre Tatsachenbehauptung gegeben. Ist eine eindeutige Zuordnung nicht möglich, ist im Hinblick auf einen umfassenden Grundrechtsschutz eine Meinungsäußerung anzunehmen.

Hätten Sie es gewusst?

Das OLG Karlsruhe hatte sich mit der Mitteilung über einen bekannten Moderator in einer Illustrierten zu befassen, in der es hieß: „Sicherlich war er auch zu Tränen gerührt, als er vom Schicksal sozial benachteiligter Kinder in seinem Wohnort Potsdam hörte.“ Der Moderator wollte feststellen lassen, dass er nicht zu Tränen gerührt war, als er vom Schicksal sozial benachteiligter Kinder in seinem Wohnort Potsdam hörte. Das Gericht sah in der beanstandeten Mitteilung keine Meinungsäußerung, sondern einen dem Beweis zugänglichen körperlichen Vorgang und damit eine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung. Zur Begründung führte es aus:

„Ein sicher beträchtlicher Teil des Publikums verbindet mit „zu Tränen gerührt“ das Bild eines Menschen, der nicht nur beinahe, sondern der auch tatsächlich geweint hat. Auch wenn ein weiterer ebenfalls nicht geringer Teil des Publikums mit „zu Tränen gerührt“ nicht dieses Bild verbinden mag, wird er doch erwarten und voraussetzen, dass die betroffene Person jedenfalls ganz kurz vor dem Ausbruch der Tränen ist und dass dies auch spürbar, wenn nicht sogar sichtbar wird: Die Stimme einer solchen Person wird teigig und unsicher werden, ihre Augen sind gerötet und feucht, und vielleicht tritt – obwohl die Person gegen die Emotion ankämpft – die eine oder andere vereinzelte Träne doch schon hervor. Bei alledem handelt es sich um körperliche Vorgänge, die nicht im Inneren des Menschen verbleiben, sondern ebenso wie eine stockende Sprechweise oder ein gerötetes Gesicht bzw. andere als „Körpersprache“ bekannte Phänomene ohne weiteres im Wege einer Beweisaufnahme einer Feststellung zugeführt werden könnten.“

Das Urteil zeigt, wie wichtig die Abgrenzung zwischen beweisbaren Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerung ist. Hätte es in der Zeitschrift geheißen „Er machte auf die Beteiligten den Eindruck, er sei zu Tränen gerührt“, wäre die Entscheidung vermutlich anders ausgefallen.

Übrigens: Eine Gegendarstellung bei Anzeigen oder Werbung ist nicht möglich.

Achtung: Ausnahmen!

Der Gegendarstellungsanspruch scheitert unter anderem dann, wenn ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung der Gegenäußerung fehlt, z.B. weil diese völlig belanglos ist, ferner, wenn sie sich in der bloßen Wiederholung der Erstmitteilung erschöpft oder aber wenn die Gegendarstellung irreführend oder offensichtlich unwahr ist. Als irreführend wurde es beispielsweise angesehen, dass der Inhaber des Gegendarstellungsanspruchs als Einzelperson in seinem Antrag formulierte: „… stellen wir hiermit richtig, dass…”.

Wie fordere ich die Gegendarstellung?

Formal sind einige Voraussetzungen zu beachten. So muss die Gegendarstellung z.B. schriftlich erfolgen und handschriftlich unterzeichnet sein. Eine Übermittlung per Fax ist aus diesem Grund nach überwiegender Ansicht nicht ausreichend, die Gegendarstellung muss den Verantwortlichen also im Original zugehen. Hiervon zu unterscheiden ist das bloße Aufforderungsschreiben, mit dem der Abdruck der Gegendarstellung verlangt wird. Dieses ist nicht an eine Form gebunden. Vorausgesetzt ist nur die vorige oder gleichzeitige Zusendung der Gegendarstellung selbst.

In der Gegendarstellung müssen die korrekturbedürftigen Äußerungen und der entsprechende Presseartikel bzw. die konkrete Sendung als Anknüpfungspunkt so exakt wie möglich benannt und richtig wiedergegeben werden. Die Formulierung der Gegenäußerung darf selbst nur Tatsachen enthalten. Dabei gilt ein „alles-oder-nichts“-Prinzip, d.h., dass fehlerhafte Formulierungen den Anspruch insgesamt scheitern lassen können. In dem oben genannten Beispiel „Sicherlich war er auch zu Tränen gerührt, als (…)“ könnte nur geäußert werden: „Ich war nicht zu Tränen gerührt, als (…)“. Vom Umfang her sollte die Gegendarstellung die beanstandeten Textpassagen in der Erstmitteilung nicht überschreiten.

Die Gegendarstellung ist fristgebunden und hat dem Verantwortlichen „unverzüglich“ nach Kenntnis der in Frage stehenden Erstveröffentlichung zuzugehen. Was hierunter fällt, ist zum Teil in den verschiedenen Gesetzen unterschiedlich festgelegt. In der Regel ist ein Begehren innerhalb von 2 Wochen rechtzeitig. Letztlich kommt es aber auf den Einzelfall an. Erforderlich ist jedenfalls, dass die Erstmitteilung so aktuell ist, dass sie noch im Bewusstsein der Öffentlichkeit ist.

Wer muss die Gegendarstellung abdrucken?

Grundsätzlich richtet sich der Gegendarstellungsanspruch gegen den für die Erstmitteilung Verantwortlichen. Dies ist je nach Veröffentlichungsmedium unterschiedlich. Bei Printmedien ist dies beispielsweise der Verleger oder der verantwortliche Redakteur.

Sind alle Voraussetzungen gegeben, hat der Anspruchsgegner die Gegendarstellung unverzüglich,  in der nächstmöglichen Ausgabe oder Sendung, im gleichen Teil des Druckwerks oder in der gleichen Sendung, in gleicher Schrift, abzudrucken.

Wird eine Gegendarstellung vom Anspruchsgegner abgelehnt, kann diese gerichtlich durchgesetzt werden.

Fazit:

Bei der Geltendmachung von Gegendarstellungsansprüchen ist große Sorgfalt geboten. Nicht nur ist die Einordnung von Mitteilungen als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerungen prozessentscheidend, auch ungenaue Formulierungen der Gegendarstellung selbst können den Anspruch schnell zu Fall bringen.

(Bild: © designz – Fotolia.com)

[box type=“info“ size=“medium“] Dieser Beitrag wurde von unserer Gastautorin Rechtsanwältin Teresa Dretzki verfasst. Sie berät vorwiegend im gewerblichen Rechtsschutz und auch in allen Fragen des Urheber- und Medienrechts. Dies umfasst auch das Internet- und Presserecht sowie das Marken- und Werberecht, Wettbewerbs- und Eventrecht. [/box]

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