EuGH: Kein Ausgleichanspruch für Privatkopien aus unerlaubten Quellen

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten der EU nach Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG Urhebern das ausschließliche Recht einräumen, die Vervielfältigung ihrer Werke auf jede Art und Weise und in jeder Form zu verbieten oder zu erlauben.

Ausnahmen im Unionsrecht

Zugleich können die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 2 lit. b dieser Richtlinie eine Ausnahme von dem ausschließlichen Vervielfältigungsrecht vorsehen, wenn es sich um Privatkopien handelt (sogn. „Privatkopieausnahme“). Bedingung ist aber, dass die Urheber einen gerechten Ausgleich erhalten (sogn. „Privatkopievergütung“).

Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie verlangt zudem, dass solche Ausnahmen nur gemacht werden dürfen, wenn die normale Verwertung des Werks nicht beeinträchtigt wird und die Interessen des Rechtsinhabers nicht verletzt werden.

Streit um Zahlung der Privatkopievergütung

Die Kläger waren Importeure und/oder Hersteller von unbeschriebenen Datenträgern wie z.B. CDs oder CD-Rs. Nach niederländischen Rechtsvorschriften waren die Unternehmen zur Zahlung einer Privatkopievergütung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2001/29 an eine Stiftung verpflichtet, wobei deren Höhe durch eine weitere Stiftung festgelegt wird.

Nach Ansicht der Kläger hätte bei der Festlegung der Höhe der Abgabe der Schaden, der den Urhebern durch das Kopieren auf Grundlage einer unrechtmäßigen Quelle entsteht, nicht berücksichtigt werden dürfen und verklagten die beiden Stiftungen.

Der Obersten Gerichtshofs der Niederlande war der Auffassung, dass die Richtlinie 2001/29 nicht klarstellt, ob im Rahmen der Festlegung des Ausgleichs i.S.v. Art. 5 Abs. 2 lit. b der Richtlinie unrechtmäßige Vervielfältigungen zu berücksichtigen sind und legte die Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung i.S.d. Art. 267 AEUV vor.

Unterscheidung zwischen rechtmäßiger und unrechtmäßiger Quelle zwingend

Mit Urteil vom 10. April 2014 (Az.: C‑435/12) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass nach dem Unionsrecht eine Unterscheidung zwischen rechtmäßiger und unrechtmäßiger Quelle einer Kopie zum privaten Gebrauch zu erfolgen hat. Nationale Rechtsvorschriften die dem entgegenstehen, verstoßen demnach gegen Unionsrecht.

Hätten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Vorschriften zu erlassen, die gestatten, dass Privatkopien auch auf der Grundlage einer unrechtmäßigen Quelle angefertigt werden, hätte dies eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts zur Folge.

Kein Verzicht auf urheberrechtlichen Schutz

Zudem dürfe die Verwirklichung des Ziels der Richtlinie, die Verbreitung der Kultur zu fördern, nicht durch Verzicht auf urheberrechtlichen Schutz oder durch Duldung der unrechtmäßigen Verbreitung von nachgeahmten oder gefälschten Werken erfolgen.

Insbesondere aber würden derartige Regelungen gegen die Voraussetzungen in Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29 verstoßen: Denn zum einen würde es die Verbreitung von nachgeahmten bzw. gefälschten Werken fördern, wenn Kopien auf Grundlage einer illegalen Quelle angefertigt werden dürften. Dadurch würde zwangsläufig der Umfang an rechtmäßigen Verkäufen, also die normale Verwertung der geschützten Werke, verringert. Zum anderen sei die Anwendung solcher nationaler Rechtsvorschriften geeignet, den Urhebern einen nicht gerechtfertigten Schaden zuzufügen.

Dieser Beurteilung stehe auch nicht der Umstand entgegen, dass keine anwendbare technische Maßnahme existiert, um die Anfertigung von unrechtmäßigen Privatkopien zu bekämpfen.

Vergütung der angefertigten Privatkopien

Durch die Bedingung des „gerechten Ausgleichs“ nach Art. 5 Abs. 2 lit. b der Richtlinie solle den Urhebern die ohne Genehmigung angefertigte Privatkopie ihrer Werke vergütet werden. Er sei als Gegenleistung für den Schaden zu sehen, der durch derartige Kopien entsteht.

Daher sei grundsätzlich die Person, die diesen Schaden verursacht – also derjenige, der ohne Genehmigung eine Kopie des geschützten Werks anfertigt –, verpflichtet, den Schaden wiedergutzumachen, indem sie den Ausgleich finanziert, der dem Urheber gezahlt wird. Dabei stehe es den Mitgliedstaaten frei, zur Finanzierung des Ausgleichs eine Abgabe einzuführen, die diejenigen belastet, die die Höhe der Abgabe auf den Preis für die Geräte und Träger zur Vervielfältigung oder auf den Preis für die Dienstleistung einer Kopie abwälzen können. Letztlich würde die Abgabe so vom privaten Nutzer getragen, der diesen Preis zahlt.

Sicherung des Vergütungssystem durch Interessenausgleich

Ein derartiges Vergütungssystem müsse aber durch einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Urhebern und den Nutzern gesichert werden. Dies sei jedoch nicht möglich, wenn bei der Berechnung der Privatkopievergütung nicht danach unterschieden wird, ob die Quelle, auf deren Grundlage eine Privatkopie angefertigt wurde, rechtmäßig oder unrechtmäßig ist. Denn dann würden alle Nutzer, die solche Geräte oder Träger erwerben, mittelbar bestraft, da sie dadurch zwangsläufig auch zum Ausgleich des Schadens beitragen, der durch Privatkopien auf Grundlage einer unrechtmäßigen Quelle entsteht. Sie müssen dadurch ungerechtfertigte Zusatzkosten in Kauf nehmen, um Kopien anfertigen zu können, die unter die Ausnahme nach Art. 5 Abs. 2 lit. b der Richtlinie fallen.

Kopien aus rechtswidrigen, illegalen Vorlage sind bei Vergütung nicht zu berücksichtigen

Mit seiner Entscheidung hat der EuGH klargestellt, dass Kopien, die aus einer rechtswidrigen, illegalen Vorlage stammen bei der Höhe der Abgabe für die Anfertigung von Privatkopien eines geschützten Werkes nicht berücksichtigt werden dürfen. In nationalen Vorschriften ist demnach eine Regelung, nach der es keine Rolle spielt, ob eine erlaubte Privatkopie aus einer rechtmäßigen oder rechtswidrigen Quelle stammt, unzulässig.

Diese Klarstellung des EuGH ist grundsätzlich – insbesondere zur Schaffung einer übereinstimmenden Regelung in allen EU-Ländern – zu begrüßen. Auf das deutsche Recht wird die Entscheidung jedoch keine großen Auswirkungen haben. Der deutsche Gesetzgeber hatte bereits im Jahr 2008 in § 53 I 1 UrhG geregelt, dass Privatkopien nur zulässig sind, soweit keine „offensichtlich rechtswidrig hergestellte“ Vorlage verwendet wird.

1 Gedanke zu „EuGH: Kein Ausgleichanspruch für Privatkopien aus unerlaubten Quellen“

  1. Muss man jetzt – völlig unabhängig von der Frage nach der Leermittelabgabe – nicht schließen, dass auch unser § 53 Abs. 1 UrhG nicht richtlinienkonform ist, eben weil er ja Privatkopien aus – wenn auch nur nicht offensichtlich rechtswidriger – Quelle zulässt?

    MfG
    Johannes

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