Als im Juni 2011 das Videoportal kino.to geschlossen wurde, begann auf breiter Ebene die Diskussion darüber, ob die Nutzung des Portals nun rechtswidrig war oder nicht. Das deutsche Recht erlaubt zwar gem. § 53 UrhG die Nutzung geschützter Werke (z. B. Videos oder Musiktitel) zu rein privaten Zwecken, jedoch nur mit der Maßgabe, dass diese nicht aus einer „offensichtlich rechtswidrigen Quelle“ stammen. Ab wann eine solche Quelle vorliegt, darüber kann man trefflich streiten. Möglicherweise wird dieser Streit allerdings durch die erwartete Entscheidung des EuGH obsolet.
In den Niederlanden sieht die vergleichbare Regelung nämlich keine Einschränkung vor und lässt auch die Privatkopie aus rechtswidrigen Quellen zu. Der Hohe Rat der Niederlande (Hoge Raad der Nederlanden) hat als oberste gerichtliche Instanz unserer holländischen Nachbarn die Frage, ob diese Regelung mit dem europäischen Recht vereinbar ist, dem europäischen Gerichtshof vorgelegt. Konkret kommt es auf die Frage an, ob das niederländische Recht mit der sogenannten Urherberrechtsrichtlinie (2001/29/EG) zu vereinbaren ist.
Sollte diese Frage verneint werden, so wären sämtliche Versuche, auch in Deutschland Werke aus rechtswidrigen Quellen für den privaten Gereicht zuzulassen, für die Katz. Eine entsprechende Änderung des deutschen Urheberrechts (wie z. B. von den Piraten gefordert) würde dann gegen europäische Rechtsprechung verstoßen und wäre damit nicht zulässig. Sobald sich die Rechtswidrigkeit einer Quelle aufdrängt, könnte man nicht (mehr) unbescholten aus dieser Quelle Werke beziehen.
Hält der EuGH die niederländische Regelung hingegen für zulässig, so könnte dies in Zukunft auch bei der Reform des deutschen Urheberrechtsgesetzes berücksichtigt werden. Das könnte dann zur Folge haben, dass Privatkopien auch aus „offensichtlich rechtswidrigen Quellen“ zulässig sind. Das hätte nicht nur enorme Auswirkungen auf die Praxis für jeden Einzelnen, sondern auch Auswirkungen auf die Verwertungsgesellschaften und die Geräteabgabepflicht. Denn bisher gilt, dass solche Fälle von der Vergütungspflicht ausgenommen sein sollten, bei denen für die Vervielfältigung offensichtlich rechtswidrig beschaffte Quellen zur Verfügung gestellt werden, da diese nicht unter die erlaubte Privatkopie fallen (BGBl. I, 1774, 12. Sept. 2003; näheres zur Geräteabgabepflicht hier).
Die Entscheidung des EuGH kann also mit Spannung erwartet werden.