Berichterstattung von Pop-Konzerten: eine Zumutung für den Fotografen

„Die Künstlerin steht auf der Bühne, umhüllt von Kunstnebel, gekleidet in hautengem schwarzen Lack und schwarzen Leder, der Lippenstift blutrot, das Gesicht weiß geschminkt. Trotz wilder Tanzeinlagen sitzt die hochtoupierte Frisur perfekt und lässt die silbernen Brillant-Ohrringe nur umso mehr funkeln.“

Da muss sich ein Konzert-Journalist schon etwas ins Zeug legen, um das, was auf der Bühne passiert, in Worte zu fassen, ohne auf Fotomaterial zurückgreifen zu können. Denn möglicherweise stehen ihm dabei keine Bilder des Live-Gigs zur Verfügung. Warum? Dank einer harten Linie der Konzertveranstalter und der Künstler selbst gegenüber professionellen Fotografen. Die müssen nämlich immer häufiger Fotoverträge unterschreiben, mit denen sie auf so ziemlich sämtliche Rechte verzichten müssen und die sie auch in sonstiger Art und Weise einschränken. Oder ihnen wird gleich ganz der Eintritt verwehrt unter Hinweis auf Bilder von anderen Konzerten, die ja „ganz ähnlich aussehen“. Aktuelle Beispiele sind da die Kölner Konzerte von Lady Gaga und Coldplay im September 2012.

Wie reagieren die Medien?

Viele Presseorgane machen trotzdem mit und veröffentlichen nur „genehmigte“ Fotos. Andere wehren sich auf ihre Art: So wird die Konzertkritik in der Zeitung Der Westen aufgepeppt mit älteren Fotos, die BILD fotografiert die Sängerin einfach vor ihrem Konzert, während sich EinsLive ganz mit Symbolfotos zufrieden gibt.

Und – ganz aktuell – ruft der Deutsche Journalisten-Verband dazu auf, Konzerte des Alt-Barden Leonard Cohen zu boykottieren. Hier sollen nicht nur Foto-, sondern sogar auch Textjournalisten geknebelt werden – unhaltbare Zustände für den Verband.

Aber dürfen Fotografen bei Konzerten eigentlich reglementiert werden?

Schauen wir uns die Regeln in derartigen Fotoverträgen einmal an. Häufig wird man dort Klauseln finden wie die folgenden:

  • Fotografieren ist nur während der ersten Titel, manchmal sogar nur für wenige Minuten oder gar Sekunden erlaubt.
  • Blitzlicht darf nicht verwendet werden.
  • Fotografen dürfen nur von ihnen zugewiesenen Plätzen aus fotografieren.
  • Die Fotos dürfen nur einmal veröffentlicht werden, und zwar in zuvor durch den Fotografen aufgelisteten Presseorganen.
  • Die Lizenz gilt nur drei Monate lang, danach sind die Fotos zu löschen.
  • Der Fotograf tritt sämtliche – auch zukünftige – Rechte an dem Foto an den Künstler bzw. Veranstalter ab.
  • Presseagenturen dürfen keine Fotos anfertigen und verwerten.

Die Hintergründe derartiger Regelungen sind klar: Der Künstler möchte ein genau definiertes Bild von sich in der Öffentlichkeit verbreiten. Da sollte er nicht zu verschwitzt aussehen – und auch ein Kratzen an der Nase macht sich nicht so gut. Auf der anderen Seite möchten die Künstler die Bilder kontrollieren, knapp halten und so auch entsprechende Preise für „Exklusivfotos“ erzielen können (das konnte man gut bei den ersten Fotos der Zwillinge von Brad Pitt und Angelina Jolie erleben: 14 Millionen Dollar mussten zwei Magazine laut Presseberichten für die Fotos zahlen).

Können Pressefotografen sich dagegen wehren?

Haben Sie vielleicht sogar ein Recht darauf, ihre Fotos schießen zu können? Häufig wird in diesem Zusammenhang das Grundrecht der Pressefreiheit bemüht, die aber mangels staatlicher Beteiligung in aller Regel nicht zur Anwendung kommt.

  • Hausrecht

Die Grundlage für das Dürfen oder Nichtdürfen findet sich häufig im so genannten Hausrecht: Die Konzerte finden ja in aller Regel in Stadien oder Hallen (also „im Haus“) statt. Der Eigentümer dieser Location kann mit seinem Eigentum letztlich tun und lassen, was er will. Er kann daher auch das Fotografieren verbieten bzw. regelmentieren – dazu steht ihm das Hausrecht zur Seite, das sich aus dem Eigentumsrecht ableitet. Und für die Dauer des Konzerts steht das Hausrecht eben dem Veranstalter zu.

  • Urheberrecht

Da hilft es dann auch nicht, wenn sich die Fotografen auf das deutsche Urheberrecht berufen wollen. Das gibt ihnen nämlich eigentlich das Recht zu bestimmen, wo und zu welchem Zeitpunkt er welches seiner Bilder veröffentlicht, und steht damit diametral gegen einige der oben genannten Vorschriften. Doch mithilfe des Hausrechts hat es der Veranstalter in der Hand, ob überhaupt Fotos gemacht werden können. Wer sich mit den durch ihn aufgestellten Regeln nicht einverstanden erklärt, wird eben kurzerhand nicht hereingelassen. Und ohne Fotos auch kein Urheberrecht. Der Fotograf sitzt hier leider am kürzeren Hebel.

Die Lösung

Rechtlich gesehen ist hier kaum etwas zu machen. Rein tatsächlich bestünde die Möglichkeit eines Boykotts: „Wenn ihr uns nicht fotografieren lasst, berichten wir eben nicht.“ Das könnte für Musiker, die von der Medienberichterstattung und der daraus resultierenden Popularität leben, durchaus ein schwerer Schlag sein. Dass das funktioniert, musste Britney Spears einmal bei ihrem Deutschlandkonzert 2009 erleben, Freelens, der Berufsverband für Fotojournalisten, betitelte diesen Coup damals treffend „Britney who?“. Doch da es häufig Fotografen geben wird, die sich nicht an einen solchen Boykott halten, ist diese Linie sicherlich nicht leicht einzuhalten.

(Bild: © DWP – Fotolia.com)

Info zum Autor
Dieser Beitrag wurde von unserem Gastautor Sebastian Dosch verfasst. Er ist seit 1999 Rechtsanwalt und seit 2007 Fachanwalt für Informationstechnologierecht (IT-Recht). Berufserfahrung hat er nicht nur als Anwalt gesammelt, sondern auch in IT-Unternehmen, in der Softwareentwicklung, als Internet-Manager für einen Fachverlag und im Bereich Electronic Publishing. Dabei ist er darauf bedacht, sich nicht hinter juristischem Fachchinesisch zu verstecken, sondern Klartext zu reden. Hier hilft ihm seine jahrelange Erfahrung als freier Mitarbeiter einer Lokalzeitung und seine ausgesprochene Liebe gegenüber der deutschen Sprache. Folgerichtig nennt sich sein Blog auch “kLAWtext”

1 Gedanke zu „Berichterstattung von Pop-Konzerten: eine Zumutung für den Fotografen“

  1. Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Sebastian Dosch, bin von Ihrer Darstellung der Fotobeschränkungen bei Konzerten sehr angetan, weil es meine Kollegen und mich sehr betrifft. Ich möchte (wenn möglich) künftig öfter mich bei Ihren Informationen bedienen und, wenn Sie es gestatten, auch über meine website und eventuell auch im Printmagazin „flash“ (Auflage 1.200 Stück, zwei Mal jährlich in Österreich verbreiten).
    syndikatfotofilm.at ist in Österreich eine Organisation wie z. B. freelens in Deutschland. Es mag in Österreich kleine Unterschiede geben – aber eigentlich gehts um dieselben Probleme.
    Vielleicht höre ich gelegentlich von Ihnen?
    Liebe Grüße!
    gerhard.sokol@syndikatfotofilm.at   

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