Der 2. Zivilsenat des OLG Braunschweig hatte einen Fall zu entscheiden, in dem unberechtigt Fotos bei eBay genutzt wurde (Urteil v. 08.02.2012 – Az. 2 U 7/11). Dabei ging das OLG unter anderem auf die bisher umstrittenen Voraussetzungen des § 97a Abs. 2 UrhG ein. Ebenso zeigt das Gericht – etwas unverständlich – auf, warum ein Bild nur 20,00 € wert ist und warum der Urheber trotz fehlender Nennung kein Recht auf einen Ausgleich daraus hat.
Zum Sachverhalt
Ein Mediengestalter betreibt einen Versandhandel und fertigt für den Verkauf Bilder seiner Produkte an. Gleichzeitig vermarktet er die Bilder selbst. Vier dieser Aufnahmen werden von dem Beklagten ungefragt bei eBay für den Verkauf eines Monitors genutzt. Der Mediengestalter begehrt mit Hilfe (s)eines Anwalts Unterlassung und Schadensersatz.
Zu erwähnen sei hier, dass der Anwalt bereits in 20 bis 30 weiteren Fällen vorher für den Kläger tätig geworden ist. Dies sei, so der Mediengestalter, notwendig gewesen, da er davor ohne Anwalt mittels selbst gefertigter Abmahnungen gegen die jeweiligen Verletzer vorgegangen war und damit seiner Einschätzung nach wenig Erfolg gehabt habe.
In diesem Fall war trotz Anwalt die Abmahnung ohne Erfolg und es wurde Klage auf Unterlassung, Schadensersatz und Freistellung von den Abmahnkosten erhoben. Danach folgte ein Hin und Her, weil erst der Beklagte Einspruch einlegte und dann dem Kläger die daraufhin ergangenen Urteile nicht passten und er Berufung einlegte.
Das Urteil des OLG
Zu den Voraussetzungen des § 97 a Abs. 2 UrhG
Um dies vorweg zu nehmen: der Anwendungsbereich des § 97 a Abs. 2 UrhG ist noch immer umstritten und nicht höchstrichterlich entschieden. Die hier genannten Voraussetzungen sind also nicht bindend, zeigen jedoch den bisherigen Stand, wie und wann er zum tragen kommen soll.
Der Zivilsenat stellt zumindest fest, dass die Voraussetzungen des § 97 a Abs. 2 UrhG gegeben sind:
- Es handelt sich um eine erstmalige Abmahnung.
- Der Fall ist einfach gelagert. Das ist dann anzunehmen, wenn nach Art und Umfang kein größerer Arbeitsaufwand zu notwendig ist, er also zur Routine gehört. Abzustellen ist dabei auf die Sicht eines Durchschnittsanwalts, nicht auf die eines Urheberrechtsspezialisten, da die Auswahl eines Anwalts nicht zu Lasten des Verletzten gehen darf. Als Beispiel wird die „Verwendung eines Lichtbildes in einem privaten Angebot einer Internetversteigerung ohne vorherigen Rechtserwerb“ aufgeführt. Dem OLG nach liegen einfach gelagerte Fälle also vor, wenn keinerlei Zweifel an einer Begründetheit der Abmahnung bestehen. Sofern nicht ganz klar ist, ob eine Schutzfähigkeit vorliegt oder wer Anspruchsgegner ist, können hingegen solche Zweifel bestehen.
In dem vorliegenden Fall konnte der Kläger eigenen Aussagen nach mit Hilfe des Softwareprogramms „garage buy“ die Verletzung unproblematisch feststellen. Der Beklagte konnte über seine eBay-Zugangsdaten ohne Schwierigkeiten als Verletzer ermittelt werden.
- Die vom Beklagten verursachte Rechtsverletzung ist auch unerheblich.
„Die Einstufung der Rechtsverletzung als unerheblich erfordert ein geringes Ausmaß der Verletzung in qualitativer und quantitativer Hinsicht (…). Sie ist geboten, wenn sich – so wie hier – die Verletzung nach Art und Ausmaß auf einen geringfügigen Eingriff in die Rechte des Abmahnenden beschränkt und deren Folgen durch die schlichte Unterlassung beseitigt werden kann (…).“
Zwar sind vier Fotos verwendet worden, doch war dies im Rahmen nur eines Angebots geschehen. Dies kommt daher im Ergebnis einer einzigen Verwendung nahe. Dies sei, so das OLG, eine wertende Betrachtung des Einzelfalles, wie es der Gesetzgeber vorsehen würde.
- Der Beklagte ist darlegungs- und beweisbelastet, dass die Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs, d.h. im privaten Bereich, stattgefunden hat:
Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr ist jede wirtschaftliche Tätigkeit auf dem Markt, die der Förderung eines eigenen oder fremden Geschäftszwecks zu dienen bestimmt ist (…). Der Begriff ist weit zu verstehen und soll sich mit dem Tatbestandsmerkmal der §§ 14 Abs.2, 15 Abs. 2 MarkenG decken (…). Für die Feststellung eines Verkaufs im geschäftlichen Verkehr können deshalb u.a. folgende Indizien herangezogen werden (…): wiederholte Angebote gleichartiger Waren, insbesondere von Neuwaren; die zum Verkauf angebotenen Waren wurden kurz zuvor selbst bei eBay erworben; der eBay-Verkäufer ist auch sonst gewerblich tätig oder verkauft Waren für Dritte; hohe Anzahl von Feedbacks, hohe Anzahl von Angeboten innerhalb eines kurzen Zeitraums sowie Angebot von neuwertigen Markenartikeln.
Der Nachweis ist gelungen. Im Fall fand der Verkauf dem Gericht nach im privaten Bereich statt. Zwar hat der Beklagte für bisherige Verkäufe bei eBay bereits 86 Bewertungen erhalten, jedoch kann aus der Anzahl der Bewertungen allein nicht auf gewerbliches Handeln geschlossen werden, da es sich nicht um gleichartige Waren, sondern um Einzelstücke handelte. Zudem gibt es keine besonders hohe Anzahl von Angeboten innerhalb eines kurzen Zeitraums.
Damit wurde der § 97 a Abs. 2 UrhG bejaht und allein deswegen könnten die anwaltlichen Gebühren auf 100 € „gedeckelt“ sein. Dem ist dem Grunde nach aufgrund der bekannten Informationen wohl zuzustimmen. Man muss hier aber vielleicht darauf hinweisen, dass es einen Einzelfall darstellt. Denn die Frage, wer Anspruchsgegner ist, kann nicht immer so einfach zu beantworten sein, wie das OLG es hier darlegt. Sobald tiefergehende „Ermittlungen“ notwendig sind kann aus dem einfachen ein doch recht komplizierter Fall werden.
Zu den Voraussetzungen des § 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG
Darüber hinaus kommt es auf den § 97 a Abs. 2 UrhG aber gar nicht an. Denn im § 97a Abs.1 S. 2 UrhG steht:
Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden.
Darunter können auch die verauslagten Anwaltskosten fallen, wenn die Einschaltung des Rechtsanwaltes erforderlich war. Genau dieses war dem OLG nach nicht notwendig, weil der Kläger die Abmahnung ohne weiteres auch ohne anwaltliche Hilfe hätte vornehmen können. Das OLG sieht sich im Einklang mit dem BGH (Urt. v. 08.11.1994 – VI ZR 3/94; Urt. v. 06.05.2004 – I ZR 2/03 – Selbstauftrag) und führt auf, dass die Einschaltung des Anwalts nicht geboten ist, wenn der Verstoß unschwer zu erkennen ist und der Verletzte selbst über die Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung verfügt.
Grundsätzlich erforderlich ist also ein Anwalt, wenn der Kläger ein juristischer Laie ist. Man könnte sagen, dass sich die „Laienhaftigkeit“ in „Sachkundigkeit“ wandelt, wenn der Kläger in der Lage ist, einen erfolgten Rechtsverstoß des Beklagten zu erkennen und auch mittels einer Abmahnung außergerichtlich zu verfolgen. Denn dem OLG nach hätte der Kläger in diesem Fall die Rechtsverletzung selbst feststellen und, wie seine alleinige (also ohne Anwalt) frühere Abmahntätigkeit belegt, die Verletzerdaten bei eBay in Erfahrung bringen sowie ein Abmahnschreiben formulieren können. Ebenso hat der Kläger aufgrund der Vielzahl an Abmahnungen mit Hilfe des Anwalts das Wissen erlangt, dass die Verwendung seiner Fotos durch Dritte bei eBay eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Die Feststellung eines Urheberrechtsverstoßes durch den Beklagten war demnach für den Kläger auch deshalb ohne weiteres möglich, weil sich dieser durch einen schlichten Vergleich der Fotos erschließt, so das OLG.
Dass es regelmäßig ohne Erfolg bleibt, wenn man keinen Anwalt hat, sei unerheblich. Denn dann kann man gegen die Verletzer, die die Unterlassungserklärung nicht abgegeben haben, ohne das Kostenrisiko aus § 93 ZPO gerichtlich vorgehen und zur Anspruchsdurchsetzung dann auch einen Rechtsanwalt einschalten.
Zum Schadensersatz aus §§ 97 Abs. 2 S. 3; 72 Abs. 1; 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 16 und § 15 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 19a UrhG
Die Fotos sind Lichtwerke nach § 72 Abs. 1 UrhG und wegen unberechtigter Nutzung ist ein Verstoß gegeben. Die Fotos wurden vervielfältigt (§ 15 Abs. 1 Nr. 1; 16 UrhG) und durch das Einstellen in das Internet öffentlich zugänglich gemacht (§ 15 Abs. 2 Nr. 2; 19a UrhG). Die Leistungsschutzrechtsverletzungen wurden schuldhaft (jedenfalls fahrlässig) begangen, indem die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde, § 276 Abs. 1 S. 2 BGB.
Unter Berücksichtigung der Grundsätze zur Lizenzanalogie sind nicht mehr als 20,00 € pro Foto zu verlangen. Auf Mengenrabatt etc. muss nicht eingegangen werden. Auch MFM-Empfehlungen kommen nicht zur Geltung, da es sich bei den „MFM-Empfehlungen für das Jahr 2010 für Online-Nutzungen, Internet, Webdesign, Banner, Online-Shops (Werbung/PR/Corporate Publishing)“, nicht um eine repräsentative Grundlage für die hier relevante Fotonutzung handelt. Der private eBay-Verkauf wird überhaupt nicht berücksichtigt. Eine schematische, unreflektierte Anwendung der MFM-Empfehlungen ist im Einklang mit dem BGH abzulehnen (vgl. BGH WRP 2006, 274 ff. – Pressefotos).
Relevant für den Lizenzwert ist zwar auch die Qualität der Fotografie, weshalb gestalterische Aspekte mit einfließen müssen (OLG Hamburg, GRUR-RR 2008, 230, 234 – Chefkoch), doch seien 20, 00 € hierbei angemessen, da das gestalterische Niveau nicht außergewöhnlich sei. Dem OLG nach wären also maximal 80,00 € Schadensersatz zuzusprechen. Jedoch war dem Kläger bereits 500 € vom LG zugesprochen worden; das OLG sieht also nicht, warum der Kläger mehr bekommen sollte.
Zum „Verletzerzuschlag“
Der Verletzer soll bei der Fiktion des Lizenzvertrages nicht besser und nicht schlechter stehen als ein vertraglicher Lizenznehmer. Aus diesem Grund ist ein Zuschlag, der allein wegen der rechtswidrigen Nutzung zu zahlen wäre, grundsätzlich abzulehnen, da das deutsche Recht gerade keine Verletzerzuschläge kennt.
Zur fehlenden Urhebernennung
Die Verletzung des § 13 UrhG führt nur dann zu einem zusätzlichen Anspruch, wenn entweder gemäß § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG dieser bei einer angemessenen Vergütungspraxis zu einem entsprechenden Aufschlag führen würde oder gemäß § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG wegen der Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechtes dieses der Billigkeit entspräche.
Beides sei nach Ansicht des OLG interessanterweise nicht gegeben:
Eine Lizenzpraxis bei der Nutzung von Fotos für einen privaten eBay-Verkauf, die bei einem unterbliebenen Bildquellennachweis zu einem Lizenzaufschlag führt, ist nicht ersichtlich. Auch sonst ist nicht ersichtlich, dass die fehlende Nennung eine wirtschaftlich nachteilige Auswirkung für den Kläger hatte, d.h. für diesen kommerzialisierbar war. Soweit der unterbliebene Bildquellennachweis den Kläger in seinem Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt hat, scheidet eine Entschädigung hierfür aus. Diese ist schließlich nur aus Billigkeitsgründen zu gewähren. Für die Frage der Billigkeit sind aber insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs (Ausmaß der Verbreitung, Nachhaltigkeit, Fortdauer der Beeinträchtigung), der Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen. Bei einem einfach gelagerten, unerheblichen Rechtsverstoß, bei dem nach dem Willen des Gesetzgebers schon die Erstattungsfähigkeit von Abmahnkosten auf 100,00 € begrenzt ist, ist diese Billigkeitsvoraussetzung aber nicht gegeben.
Am Ende bleibt zu sagen
Auch das OLG betont ausdrücklich, dass es sich um eine maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls geprägte Entscheidung handelt. Da es auf den § 97 a Abs. 2 UrhG nicht ankommt, könne der Streit um die Anwendbarkeit auch dahinstehen.
Ob man 20,00 € nun für angemessen hält mag der ein oder andere stark bezweifeln. Das Gericht verkennt zumindest eindeutig, dass es dem Internetnutzer viel zu einfach gemacht wird, Fotos zu klauen – warum also sollte ein Internetnutzer Geld zahlen, wenn es so viel einfacher ist, fremde Bilder zu nutzen, für die er dann im Zweifel nichts oder nur wenig am Ende zahlen muss. Daher kann ein „marktüblicher Preis“ auch gar nicht ermittelt werden, weil dieser praktisch nicht existent ist.
Und warum ein einfach gelagerter Fall Grund dafür sein soll, dass es unbillig ist, dem Urheber wegen fehlender Nennung einen prinzipiell anerkannten Aufschlag zu verweigern, erscheint auch nicht schlüssig. Denn entgegen der Aussage des OLG sind nicht die gesamten Abmahnkosten auf 100 € begrenzt, sondern (nur) der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen.
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