EuGH zu urheberrechtlichen Fragen rund um Portraitfotos

Das Handelsgericht Wien (Österreich) hat dem EuGH Fragen vorgelegt, über die am 01. Dezember 2011 (Az. C‑145/10) entschieden wurden. Darin ging es um Portraitfotos, die von Verlagen in Österreich und Deutschland veröffentlicht wurden, ohne die Fotografin zu benennen. Der EuGH entschied hierbei u.a. darüber, ob die Klagen in einem Verfahren geregelt werden können, in wie weit Portraitfotos urheberrechtlicher Schutz zukommt und wie weit die Rechte der Medien im Rahmen kriminalpolizeilicher Ermittlungen reichen.

Ausgangslage

Eine Fotografin hatte mehrere Fotografien von Natascha K. gemacht. Einige dieser Fotos sind verkauft worden, ohne dass Dritten Rechte daran eingeräumt, oder ihrer Veröffentlichung zugestimmt wurde. Mit dem Kaufpreis wurden nur die Fotoabzüge abgegolten.

Natascha K. wurde 1998 entführt und es kam es zu einem Fahndungsaufruf durch die Fahndungsbehörde. Dabei wurden die genannten Fotos benutzt.

Nach der Flucht von Natascha K. und vor ihrem ersten öffentlichen Auftreten veröffentlichten die Beklagten Zeitungsverlage (Standard VerlagsGmbH, Axel Springer AG, Süddeutsche Zeitung GmbH, Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co KG, Verlag M. DuMont Schauberg Expedition der Kölnischen Zeitung GmbH & Co KG) die Fotos in Zeitungen und Zeitschriften sowie auf den dazugehörigen Internetseiten. Der Name der Fotografin wurde nicht genannt oder es wurde jemand anderes als Urheber angegeben.

Angeblich wurden die Fotos von einer Presseagentur bezogen, ohne Nennung der Fotografin bzw. mit Angabe eines anderen Namens.

Ebenso wurde in einigen Medien mit Hilfe eines Portraitfotos ein Phantombild dargestellt. Hierzu hatte der Oberste Gerichtshof in Wien bereits entschieden, dass das Foto, das als Vorlage für das streitige Phantombild benutzt worden ist, ein urheberrechtlich geschütztes Lichtbildwerk sei. Die Erstellung und Veröffentlichung des Phantombilds sei jedoch keine Bearbeitung sondern eine freie Benutzung, die ohne Zustimmung habe erfolgen können (dies wäre wohl auch in Deutschland so entschieden worden, Anm. d. Red.).

Für die weiteren Fragen musste der EuGH angerufen werden.

Vorlagefragen an den EuGH (vereinfacht) und die Antworten

Frage 1: Können die Klagen gegen alle Verlage in einem Verfahren behandelt werden, wenn national unterschiedliche, im Wesentlichen jedoch eine gleiche Rechtslage besteht?

Wenn wegen einer identische Urheberrechtsverletzung mehrere verklagt werden, kann dies in einem Verfahren geregelt werden, auch wenn die Rechte der Beklagten auf – je nach Mitgliedstaat – unterschiedlichen nationalen Grundlagen beruhen. Nationale Gerichte müssen dann jedoch anhand des gesamten Akteninhalts prüfen, ob die Gefahr besteht, dass in getrennten Verfahren unterschiedliche Entscheidungen ergehen.

Frage 2 a): Muss der das Werk oder einen sonstigen Schutzgegenstand zitierende Presseartikel ein urheberrechtlich geschütztes Sprachwerk sein?

Zwischen dem Recht des Nutzers eines Werks oder sonstigen Schutzgegenstands auf freie Meinungsäußerung und dem Vervielfältigungsrecht des Urhebers ist ein angemessener Ausgleich zu erreichen.

Dieser angemessene Ausgleich wird im vorliegenden Fall dadurch sichergestellt, dass der Ausübung des Rechts der Nutzer auf freie Meinungsäußerung der Vorrang gegenüber dem Interesse des Urhebers, sich der Vervielfältigung von Auszügen aus seinem bereits rechtmäßig der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Werk widersetzen zu können, eingeräumt wird, diesem aber ein Anspruch darauf zugestanden wird, dass grundsätzlich sein Name angegeben wird.

Es steht seiner Anwendung daher nicht entgegen, dass der ein Werk oder einen sonstigen Schutzgegenstand zitierende Presseartikel kein urheberrechtlich geschütztes Sprachwerk ist.

Frage 2b): Muss dem zitierten Werk oder sonstigen Schutzgegenstand der Name des Urhebers oder des ausübenden Künstlers beigefügt sein?

Es gilt die grundsätzliche Verpflichtung, bei Zitaten die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers anzugeben, es sei denn, dass sich dies als unmöglich erweist, wobei das Werk oder der sonstige Schutzgegenstand, aus dem zitiert wird, der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemacht worden sein muss.

Es ist jedoch auch zu beachten, dass

alles im Kontext kriminalpolizeilicher Ermittlungen steht, in deren Rahmen die zuständigen nationalen Sicherheitsbehörden nach der Entführung von Natascha K. im Jahr 1998 einen Fahndungsaufruf unter Vervielfältigung der streitigen Fotos erließen. Daher lässt sich nicht ausschließen, dass es die nationalen Sicherheitsbehörden waren, die die streitigen Fotos der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben, die dann später von den Beklagten des Ausgangsverfahrens verwendet wurden.

Die Presse müsse nicht überprüfen, aus welchen Gründen die Angabe des Urhebers fehlt. Es erweise sich für sie als unmöglich, in einer solchen Situation den Namen des Urhebers zu ermitteln bzw. anzugeben, so dass sie als von der grundsätzlichen Verpflichtung, den Namen des Urhebers anzugeben, befreit anzusehen sei.

In diesem Fall wäre keine Nennung des Urhebers notwendig. Nur die Quelle müsse angegeben werden.

Frage 3 a): Wird im Interesse der im Rahmen der öffentlichen Sicherheit wahrzunehmenden Strafrechtspflege ein konkreter aktueller und ausdrücklicher Aufruf der Sicherheitsbehörden zur Bildnisveröffentlichung voraussetzt, d. h. die Bildnisveröffentlichung zu Fahndungszwecken muss amtlich veranlasst sein und liegt andernfalls eine Rechtsverletzung vor?

Frage 3 b): Wenn a) verneint: Dürfen Medien ohne ein entsprechendes Fahndungsersuchen der Behörde von sich aus selbst entscheiden, ob Bildnisveröffentlichungen „im Interesse der öffentlichen Sicherheit“ stattfinden?

Frage 3 c): Wenn b) bejaht: Reicht es in diesem Fall aus, dass Medien im Nachhinein behaupten, dass eine Bildnisveröffentlichung Fahndungszwecken gedient hat, oder bedarf es in jedem Fall eines konkreten Fahndungsaufrufs zur Mithilfe der Leser zur Mitwirkung bei der Aufklärung einer Straftat, der unmittelbar mit der Lichtbildveröffentlichung verbunden sein muss?

In Anbetracht erheblicher Anforderungen kann es einem Medium (hier: Presseverlag) nicht erlaubt sein, für sich in Anspruch zu nehmen, die öffentliche Sicherheit zu schützen.

Denn nur der Staat, dessen zuständige Behörden über geeignete Mittel und koordinierte Strukturen verfügen, ist als fähig und verantwortlich dafür anzusehen, die Erreichung dieses Ziels durch passende Maßnahmen wie z. B. einen Fahndungsaufruf sicherzustellen. Ein solcher Verlag darf daher nicht aus eigener Initiative unter Berufung auf ein Ziel der öffentlichen Sicherheit ein urheberrechtlich geschütztes Werk nutzen. […] Es lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass es im Einzelfall zur Erreichung eines solchen Ziels beitragen kann, indem es eine Fotografie einer gesuchten Person veröffentlicht. Diese Initiative muss jedoch zum einen im Zusammenhang mit einer Entscheidung oder einem Vorgehen der zuständigen nationalen Behörden zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit stehen, und sie muss zum anderen im Einvernehmen und in Absprache mit diesen Behörden ergriffen werden, soll sie nicht deren Maßnahmen zuwiderlaufen, ohne dass allerdings ein konkreter, aktueller und ausdrücklicher Aufruf der Sicherheitsbehörden, zu Fahndungszwecken eine Fotografie zu veröffentlichen, erforderlich wäre.

Frage 4: Genießen Lichtbildwerke und/oder Lichtbilder, insbesondere Porträtaufnahmen, einen „schwächeren“ oder gar keinen urheberrechtlichen Schutz vor Bearbeitungen, weil diese im Hinblick auf die „realistische Aufnahme“ eine zu geringe Gestaltungsmöglichkeit aufweisen?

Das Urheberrecht kann nur in Bezug auf ein Schutzobjekt – wie eine Fotografie – angewendet werden, bei dem es sich um ein Original in dem Sinne handelt, dass es eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Dies ist anzunehmen, wenn die Persönlichkeit des Urhebers in dem Werk zum Ausdruck kommt; wenn der Urheber also frei kreative Entscheidungen trifft.

Dies sei bei der Herstellung einer Porträtfotografie auf mehrfache Weise und zu unterschiedlichen Zeitpunkten möglich und der Fotograf kann dem Werk seine „persönliche Note“ verleihen.

Der Schutz kann auch nicht schwächer sein als derjenige, der anderen Werken – fotografische Werke eingeschlossen – zukommt. Der Urheber eines geschützten Werks besitzt vor allem das ausschließliche Recht, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung des Werks auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten. Der Schutz müsse demnach weitreichend gewährt sein (vgl. Urteil Infopaq International, Randnr. 43). Eine andere Ansicht habe keine Grundlagen.

1 Gedanke zu „EuGH zu urheberrechtlichen Fragen rund um Portraitfotos“

  1. Eigentlich ein gutes Urteil für uns Fotografen. Nur schade, dass man, bis man mal Recht erhält, erhebliche Finanzmittel einsetzen muß und das Risiko trägt. Ein Fotograf, der zu oft bestohlen wurde und daher auch große Verdienstausfälle hatte, kann diese Finanzmittel nicht aufbringen. Es wird auch immer rüder geklaut. Es vergeht kein Monat, in dem ich nicht irgendeines meiner Fotos irgendwo per Google auf einer Webseite finde, ohne dass jemand meine Genehmigung dazu hat. Die Gesetze und Urteile sind schön zu sehen, aber leider helfen sie wenig.

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