EuGH: Zum Klageort bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet

Der EuGH hat mit Urteil vom 25. Oktober 2011 (Rs. C-509/09 und C‑161/10) entschieden, dass bei Verletzungen von Persönlichkeitsrechten durch Inhalte auf einer Website (Texte, Bilder, Videos …), die vom Ausland aus ins Internet gestellt wurden, im Inland geklagt werden kann.

Ausgangspunkt waren Klagen in Deutschland und Frankreich

Zwei Brüder wurden damals in Deutschland wegen Mordes verurteilt. Die österreichische Gesellschaft berichtete über diesen Rechtsstreit mit voller Namensnennung. Die Brüder wollten Unterlassung fordern, doch von der Gesellschaft wurde die internationale Zuständigkeit des BGH angezweifelt.

In Frankreich ist der Schauspieler O. Martinez vor das Tribunal de grande instance de Paris gezogen, weil die britische Zeitung Sunday Mirror (MGN) einen in Englisch verfassten Artikel in Wort- und Bildform im Internet veröffentlichte. In diesem Artikel wurde über private Details berichtet. Martinez und sein Vater rügen eine Verletzung ihres Privatlebens sowie des Rechts am eigenen Bild. MGN hingegen rügt die internationale Zuständigkeit des Tribunal de grande instance, da kein hinreichend enger Bezug zwischen der Veröffentlichung und einem Schaden in Frankreich dargestellt wurde.

Urteil des EuGH

Die Opfer mittels des Internets begangener Persönlichkeitsverletzungen können wegen des gesamten entstandenen Schadens die Gerichte ihres Wohnsitzmitgliedstaats anrufen. Der Betreiber einer Website, für die die Richtlinie über den elektronischen Rechtsverkehr gilt, darf jedoch in diesem Staat keinen strengeren als den im Recht seines Sitzmitgliedstaats vorgesehenen Anforderungen unterworfen werden.

Ebenso kann ein Gericht jedes Mitgliedstaates angerufen werden, in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war. Logisch und sinnvoll ist hierbei allerdings die Einschränkung, dass dann nur über den Schaden entschieden werden kann, der in dem jeweiligen Land entstanden ist. Bei Klagen im „eigenen“ Land des Opfers kann vollumfänglich über den gesamten Schaden entschieden werden.

Auch kann der Urheber der im Internet veröffentlichten Inhalte in seinem eigenen Land verklagt werden.

Das bedeutet im Klartext

Wer im Internet Opfer einer Persönlichkeitsrechtsverletzung ist, kann in Deutschland klagen. Es muss dabei jedoch auch die Rechtslage beachten werden, die im Staat des Verursachers gilt.

Wer sich also auf fremden Fotos im Internet findet, muss nicht erst suchen, wo der Urheber dieser Bilder seinen Wohnsitz hat. Wenn man im eigenen Land klagt, hat man zudem die Möglichkeit, den gesamten Schaden einklagen zu können.

Ebenso bedeutet dies aber auch, dass man bei Fotos aus dem Ausland – wie bspw. von der letzten Urlaubsreise – aufpassen muss. Gerade bei Partybildern kann sich jemand mal schnell auf den Schlips getreten fühlen. Wenn diese Bilder dann im Internet landen (an dieser Stelle ist wohl wieder Facebook zu nennen), kann das ebenso schnell zu einer Klage im Ausland führen.

Wenn man dann persönlich vorgeladen wird, sollte man dies vielleicht mit einem weiteren Urlaub verbinden; kostengünstig kann das im Zweifel so oder so nicht werden.

Für Interessierte: worüber im Detail gestritten wurde

Zur Auslegung des Art. 5 Nr. 3 der Verordnung

Der EuGH war angerufen zu entscheiden, wie der Wortlaut „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ des Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) zu verstehen ist.

Mit „Ort“ ist sowohl der Ort des ursächlichen Geschehens als auch der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs gemeint. Für Presseartikel galt bereits, dass Klagen gegen den Herausgeber sowohl bei den Gerichten des Vertragsstaates, in dem der Herausgeber der ehrverletzenden Veröffentlichung niedergelassen ist (für Entscheidungen über den Ersatz sämtlicher durch die Ehrverletzung entstandener Schäden), als auch bei den Gerichten jedes Vertragsstaates erhoben werden kann, in dem die Veröffentlichung verbreitet worden ist und in dem das Ansehen des Betroffenen nach dessen Behauptung beeinträchtigt worden ist (für Entscheidung über den Ersatz der Schäden, die in dem Staat des angerufenen Gerichts verursacht worden sind).

Diese Erwägungen sind nach Auffassung des EuGH auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet übertragbar; mit der Abänderung, dass das Opfer einer mittels des Internets begangenen Verletzung eines Persönlichkeitsrechts nach Maßgabe des Ortes, an dem sich der Erfolg des in der Europäischen Union durch diese Verletzung verursachten Schadens verwirklicht hat, einen Gerichtsstand für den gesamten Schaden in Anspruch nehmen kann.

Diese Auffassung entspricht einer geordneten Rechtspflege, da Verletzungen

am besten von dem Gericht des Ortes beurteilt werden können, an dem das mutmaßliche Opfer den Mittelpunkt seiner Interessen hat. […] Der Ort, an dem eine Person den Mittelpunkt ihrer Interessen hat, entspricht im Allgemeinen ihrem gewöhnlichen Aufenthalt. Jedoch kann eine Person den Mittelpunkt ihrer Interessen auch in einem anderen Mitgliedstaat haben, in dem sie sich nicht gewöhnlich aufhält, sofern andere Indizien wie die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit einen besonders engen Bezug zu diesem Staat herstellen können.

Zur Auslegung des Art. 3 der Richtlinie 2000/31

Weiter ging es zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 um bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. L 178, S. 1).

Der EuGH sollte entscheiden,

ob die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie kollisionsrechtlichen Charakter in dem Sinne haben, dass sie auch für den Bereich des Zivilrechts unter Verdrängung der nationalen Kollisionsnormen für die Dienste der Informationsgesellschaft die alleinige Anwendung des im Herkunftsland geltenden Rechts anordnen oder ob es sich bei diesen Bestimmungen um ein Korrektiv des nach den nationalen Kollisionsnormen für anwendbar erklärten Rechts handelt, um dieses gemäß den Anforderungen des Herkunftslands inhaltlich zu modifizieren.

Nach Auffassung des EuGH verlangt Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie keine Umsetzung in Form einer speziellen Kollisionsregel. Er stellt jedoch ebenso fest,

dass die Unterwerfung der Dienste des elektronischen Geschäftsverkehrs unter die Rechtsordnung des Sitzmitgliedstaats ihres Anbieters nach Art. 3 Abs. 1 es nicht ermöglichen würde, den freien Verkehr dieser Dienste umfassend sicherzustellen, wenn die Diensteanbieter im Aufnahmemitgliedstaat letztlich strengere Anforderungen als in ihrem Sitzmitgliedstaat erfüllen müssten. Daher lässt es Art. 3 der Richtlinie vorbehaltlich der bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 4 gestatteten Ausnahmen nicht zu, dass der Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs strengeren Anforderungen unterliegt, als sie das im Sitzmitgliedstaat dieses Anbieters geltende Sachrecht vorsieht.

Hier gehts noch zur Pressemitteilung.

(Bild: © imageteam – Fotolia.com)

1 Gedanke zu „EuGH: Zum Klageort bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet“

  1. D. h., dass bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung nach Deutschem Recht nicht dagegen vorgegangen werden kann, wenn der Anbieter der Telemedien z. B. in Irland sitzt und die Handlung keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts nach irischem Recht darstellt.

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