Der Schutz von „Street-Art“ – und die Verwertungsmöglichkeiten von Fotos

. Sie können manchmal gar künstlerisch wirken, an anderen Stellen sind sie jedoch eher nur als „Tag“ eine unbeliebte Schmiererei an der Wand. Und wenn man in Köln auf der Domplatte steht sieht man eine weitere Form der Street-Art: Männer und Frauen zaubern manchmal gar großartige Bilder mit Kreide oder anderen Hilfsmitteln auf den Boden und bringen die Leute zum Stehenbleiben. Der Einfachheit halber wird im Artikel hauptsächlich auf Graffiti eingegangen, jedoch können die Ausführungen weitestgehend auf jegliche Street-Art übertragen werden.

Von der künstlerischen Seite einmal abgesehen stellt sich daher nun die Frage, in wie weit ein urheberrechtlicher Schutz reicht und ob man Street-Art auf Fotos uneingeschränkt verwerten darf.

Die Schöpfungshöhe

Dass Graffiti prinzipiell urheberrechtlichen Schutz genießen können, wurde schon längst anerkannt (vgl. BGH Urteil v. 23.02.1995, Az I ZR 68/93 = BGH NJW-RR 1995, 1556 ff. – Mauer-Bilder).

Für einen Schutz nach dem Urhebergesetz bedarf es aber zunächst einmal der sogenannten „Schöpfungshöhe“ – auch „Gestaltungshöhe“ genannt. So verlangt es § 2 I Nr.4, II UrhG. Wann jedoch ist diese Schöpfungshöhe erlangt? Im Prinzip muss das Bild oder der Schriftzug individuellen geistigen Charakter haben. Das hat nichts damit zu tun, ob man etwas schön oder ästhetisch findet. Es geht vielmehr darum, ob mit dem Werk etwas ausgedrückt wird, was über das offensichtliche – über die objektive Eigenartigkeit – hinausgeht (vgl. Schack § 9 Rn 185 ff).

Diese kleine Hürde hat zur Folge, dass längst nicht alles schützenswert sein muss. So kann man simplen Schriftzügen eher keine Originalität zusprechen. Manch Kreidebildern auf der Domplatte hingegen kann man dies durchaus zugestehen und auch viele Graffiti zeugen von hoher Kreativität und geistigem Inhalt.

Die Grenzen sind wie so oft fließend und sind von Fall zu Fall zu ziehen.

Sprayer vs. Eigentümer

Ein Sprayer darf seine eigene Hauswand durchaus besprühen und muss nur wenige Einschränkungen hinnehmen, wie z.B. dass durch das Kunstwerk der Verkehr nicht beeinflusst wird (im Einzelfall abgelehnt: OVG Koblenz, Urteil v. 24. Juli 1997, Az 8 A 12820/96).

Regelmäßig werden jedoch wohl eher fremde Wände benutzt. Dabei ist zunächst einmal festzuhalten, dass der Sprayer – solang er ungefragt und ohne Erlaubnis drauflossprüht – sich nach § 303 II StGB strafbar machen kann. Dies hat jedoch keinerlei Auswirkungen auf das vollwertige Urheberrecht des Sprayers.

Juristisch betrachtet stehen sich damit die Rechte des Sprayers aus §§ 14, 25 UrhG und die Rechte des Eigentümers aus Art. 14 GG bzw. §§ 823, 1004 BGB gegenüber. Dies hat zur Folge, dass bei einer Abwägung, wie sie im Urhebergesetz verlangt wird, in den meisten Fällen zugunsten der Eigentümer entschieden wird. Hier wird der Begriff der „aufgedrängten Kunst“ verwendet, der bereits selbst umschreibt was damit ausgedrückt werden soll. Nämlich dass der Eigentümer ohne sein Wissen und Wollen mit dem Kunstwerk konfrontiert wird. Ihm muss daher zugestanden werden, diese Kunst auch wieder loszuwerden und zu vernichten oder gar zu veräußern (vgl. Schmieder, Kunst als Störung privater Rechte, NJW 1982, 628 ff.; von Waasen, Das Spannungsfeld zwischen UrhR und Eigentum im deutschen und ausländischen Recht, 1994, S. 168 f.).

So hatte auch der BGH zwar festgestellt, dass der Verkauf von Teilen der mit Graffiti versehenen Berliner Mauer einen Eingriff in das Verbreitungsrecht der Künstler darstelle (BGH aaO – Mauer Bilder), aufgedrängte Kunst auf einem Gegenstand

der auch ohne das mit ihm untrennbar verbundene aufgedrängte Kunstwerk gut verwertbar sei, (jedoch auch) grundsätzlich weiterveräußert werden dürfe, da der Eigentümer sonst in unerträglicher Weise in seinem grundrechtlich geschützten Recht, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, beschränkt würde (Urteil des I. Zivilsenats v. 24.5.2007 – I ZR 42/04 – Staatsgeschenk).

Fotos von Graffiti und die Verwertungsrechte

Solange ein Graffiti nicht die erforderliche Schöpfungshöhe erfüllt, wird ihm kein Urheberrecht zuerkannt werden können und der Sprayer kann Fotos sowie deren Verwertung nicht verhindern.

Und natürlich kann es auch Fälle geben, in denen Graffiti nicht zur Schaustellung in der Öffentlichkeit und dann auch mit Einwilligung der Eigentümer erstellt wird. Die Künstler werden ihr Werk dann auch oftmals unterzeichnen. In diesen Fällen ist das freie Fotografieren natürlich eingeschränkt und die Erlaubnis zur Verwertung richtet sich nach der Freigabe durch die Künstler und / oder den hausrechtlichen Regeln. Solche Graffiti sind aber wohl eher die Ausnahme, schließlich spricht man von „Street-Art“.

Graffiti treten daher (fast ausschließlich) in der Öffentlichkeit auf. Deswegen fällt hier grundlegend die Panoramafreiheit des § 59 UrhG ins Gewicht. Wichtig ist, dass die Graffiti im Sinne der Sprayer auch „bleibend“ – und nicht nur vorübergehend – der Öffentlichkeit präsentiert werden sollen. Das wird wohl jeder Sprayer bestätigen können. Gleiches gilt für die oben genannten Kreidemalereien auf der Domplatte. Zwar halten diese bekanntlich nicht vergleichbar lange, jedoch ist die Beständigkeit für das Merkmal „bleibend“ irrelevant, es kommt allein auf den Willen des Künstlers an.

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 59 UrhG sind gegeben, solange man sich nicht auf Privatbesitz befindet (vgl. zu den Voraussetzungen im Artikel zur Panoramafreiheit).

Daher lässt sich festhalten, dass Fotos von Graffiti, welche die Voraussetzungen der Panoramafreiheit erfüllen, somit prinzipiell ohne Probleme verwertet werden dürfen.

Einzig die Frage nach einem Recht der Namensnennung des Sprayers bei Nutzung seines Werkes, welches sich aus § 13 UrhG ergeben kann, bleibt bestehen. Die Urheberbezeichnung wird mit Signierung des Werkes erfüllt, auch wenn dies bei Graffiti oftmals ausbleibt. Denn die Namensnennung bei Graffiti ist nicht notwendig und es liegt darin kein genereller Verzicht auf das Nennungsrecht, d.h. dem Sprayer muss es stets ermöglicht werden seinen Namen unter seine Graffiti zu setzen (BGH – Staatsgeschenk; so auch Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 2. Neu bearbeitete Auflage, S. 257 f. mwN.).

Ob sich allerdings aus § 13 UrhG ein genereller Anspruch auf Namensnennung bei Werknutzung herleiten ließe, hat der BGH in der Entscheidung „Staatsgeschenk“ ausdrücklich offen gelassen. Es besteht aber

jedenfalls deshalb kein Anspruch des Klägers auf Benennung als Urheber, weil er sich selbst nicht zu seinem Werk, das er ohne Zustimmung des Landes Berlin als Eigentümer auf den Mauersegmenten angebracht hatte, bekannt hatte.

Im Rahmen von § 59 UrhG sollte man zudem zwar grundsätzlich eine Quellenangabe vornehmen, doch diese Pflicht entfällt nach § 63 I UrhG ebenfalls, wenn

die Quelle weder auf dem benutzten Werkstück oder bei der benutzten Werkwiedergabe genannt noch dem zur Vervielfältigung Befugten anderweit bekannt ist.

Da stellt sich am Ende nur die Frage welcher Sprayer seinen Namen unter das – wohl meist strafrechtlich verfolgbare – Graffiti setzt. Wenn er es denn getan hat so sollte man den Namen bei Fotos auch angeben.

Fazit

Street-Arts können durchaus urheberrechtlichen Schutz genießen. Allerdings dürfen sie im Rahmen der Panoramafreiheit von Dritten fotografiert und die Fotos verwertet werden, ohne dass der Künstler in diesen Fällen etwas dagegen ausrichten kann. Bleibt nur das Recht der Künstler, bei Verwertung ihrer Werke genannt zu werden – sofern dies möglich ist.

(Bild: © bodot – Fotolia.com)

34 Gedanken zu „Der Schutz von „Street-Art“ – und die Verwertungsmöglichkeiten von Fotos“

  1. Ändert sich die rechtliche Einschätzung, wenn das Foto nur das Grafitti zeigt, sonst nichts. Also ein Foto von einem signierten Grafitti, aufgenommen im öffentlichen Raum, das aber eher die Anmutung eines Kunstdrucks hat.
    Sind da der Panoramafreiheit Grenzen gesetzt?

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  2. Ich habe den doppelten Kommentar mal gelöscht :)

    Zu deiner Frage: das Werk, welches sich „bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befindet“ (§ 59 UrhG) – also auch ein Graffito – kann durchaus auch als Hauptgegenstand auf dem Foto präsentiert und verwertet werden (so zumindest Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn 567 f. mwN; anders bspw. in Frankreich). Dies wird damit begründet, dass der Urheber (Sprayer) sein Werk im öffentlichen Raum präsentiert und es somit nicht länger monopolisieren kann. Sollte ich dazu ein Urteil finden werden wir das veröffentlichen.

    Wenn es tatsächlich signiert sein sollte, müsste man dann aber zumindest den Urheber nennen, § 63 UrhG.

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  3. FRAGE:
    kann ich meine Fotos von Grafitties z. B. in einem dann kostenpflichtigen Buch veröffentlichen, wenn es mir nicht möglich ist, die „Signatur“ einer Person zuzuordnen. Schließlich gibt es keine Liste aus der man im Vergleich dann auf den Künstler käme (oder doch ?).
    Leider habe ich auch keinen Zugang zu dieses Künstlerszene

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  4. Die Angabe der Signatur, wie sie unter Graffitis zu finden ist, sollte für solche Fälle ausreichen. Der Urheber hat selbst entschieden, so aufzutreten. Eine Recherche nach dem Klarnamen ist reichlich umständlich und damit wohl unzumutbar und nicht erforderlich. Zudem wird die Angabe seines Klarnamens vom Sprayer oft gar nicht gewollt sein.

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  5. wie ist es wenn jemand fotos von street-art-werken macht und diese auf leinwand druckt und ausschliesslich zum verkauf anbietet, ohne sich vorher die nutzungsrechte einzuholen?

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  6. Es kommt drauf an …
    Prinzipiell sehe ich da keine Probleme – solange das Street-Art-Werk auch im Rahmen der Panoramafreiheit fotografiert wurde. Was ich jedoch als grenzwertig in Richtung verboten ansehen würde, wäre das Street-Art-Werk aus dem Foto mit Hilfe von Photoshop oder auf ähnlichen Wegen freizustellen, um es dann zu verwerten.
    Soweit erkennbar muss zudem die Namensnennung und Quellenangabe beachtet werden.

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  7. Regelmäßig wird dies keine Verletzung darstellen, weil es im Prinzip das gleiche ist, wie wenn jemand ein Bild vom Kölner Dom macht. Es geschieht im Rahmen der Panoramafreiheit und solche Bilder dürfen meist uneingeschränkt verwertet werden. Was man evtl. anmerken könnte, wäre ein Eingriff in das Verbreitungsrecht des Künstlers, siehe https://www.rechtambild.de/2012/04/bgh-mauerbilder/
    Etwas anderes – um den Fall von Christo aufzuführen – ist es auch, wenn der Künstler sein Werk nicht „bleibend“ darstelle möchte. Vgl hierfür vielleicht die folgenden Artikel:
    https://www.rechtambild.de/2011/07/verhullter-reichstag-erneut-klagegegenstand/
    https://www.rechtambild.de/2011/12/fotos-von-werbeplakaten-und-das-urheberrecht/

    Ebenso kann man eventuell eine Verletzung annehmen, dass die Street-Art „freigestellt“ wird, um diese dann zu drucken und zu verwerten. Dazu ist mir leider keine Rechtsprechung bekannt.

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  8. wir wollen ein im Rahmen der Panoramafreit präsentiertes Graffiti verwerten, indem wir es jedoch farblich
    und graphisch verändern, so dass es zu unserem architektonisch Gestaltungskonzept passt.
    Anschließend soll dieses Bild vergrößert, und auf eine WC-Trennwand gedruckt werden.
    Geht das, oder werden hier die Urheberrechte beschnitten.
    Wir hätten auch kein Problem die Namensnennung auf diesem Bild unterzubringen, wenn es denn sein muss.
     

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