OLG Hamburg: Persönlichkeitsrechtsverletzung durch eine digital erstellte satirische Fotomontage

OLG Hamburg

Urteil

Aktenzeichen: 7 U 73/01

Verkündet am: 30.10.2007

Persönlichkeitsrechtsverletzung durch eine digital erstellte satirische Fotomontage

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 24, vom 6.7.2001 (Geschäftsnummer: 324 O 263/01) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist hinsichtlich des Verbotsausspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 46.000 Euro, hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Unterlassungsklage bezieht sich auf die Verbreitung einer in der „W.“ Nr. 38/00 vom 14.9.2000 auf den Seiten 5, 83, 85 und 89 veröffentlichen Fotomontage, die den Kläger mittels Montage eines Fotos seines Kopfes auf ein Foto eines anderen Körpers abbildet, wobei die Person auf einem von Rissen durchzogenen „T“ aus dem Firmenemblem der D. T. AG sitzt (Anlage K 1). Die Beklagte ist Verlegerin der „W.“, in deren Ausgabe Nr. 38/00 sie einen Beitrag unter dem Titel „Allmächtiger S.“ veröffentlichte. In der Ausgabe Nr. 46/00 der „W.“ auf Seite 3 wurde die Fotomontage erneut veröffentlicht (Anlage K 2). Wegen der Einzelheiten der angegriffenen Veröffentlichungen wird auf die Anlagen K 1 und K 2 verwiesen.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es bei Vermeidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, die in der „W.“ Nr. 38/00 auf den Seiten 5, 83, 85 und 89 sowie in der „W.“ Nr. 46/00 auf Seite 3 veröffentliche Fotomontage, die den Kläger auf einem „T“ sitzend zeigt, zu verbreiten.

Der erkennende Senat hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 12.2.2002 zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben und die Klage in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen (Urteil vom 30.9.2003, Geschäftsnummer VI ZR 89/02). Auf die Verfassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundesverfassungsgericht das Urteil des Bundesgerichtshofs aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen (Beschluss vom 14.2.2005, Geschäftsnummer 1 BvR 240/04). Schließlich hat der Bundesgerichtshof das Urteil des erkennenden Gerichts vom 12.2.2002 aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (Urteil vom 8.11.2005, Geschäftsnummer VI ZR 64/05).

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der vorgenannten Entscheidungen ergänzend Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6.7.2001 (AZ.: 324 O 263/01) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat zum Beweis der Behauptung des Klägers, sein Foto, das für die Fotomontage in den Anlagen K 1 und K 2, die den Kläger auf einem bröckelnden T sitzend zeige, verwendet worden sei, sei über technisch unvermeidbare Änderungen hinaus manipuliert worden, ein Sachverständigengutachten eingeholt. Auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Diplominformatiker A. U. vom 4.7.2007 wird verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache nach wie vor keinen Erfolg.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Unterlassungsklage auf der Basis einer entsprechenden Anwendung der §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB begründet. Denn die Verbreitung der beanstandeten Fotomontage stellt eine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers dar und begründet eine Wiederholungsgefahr. Der Senat ist unverändert der Auffassung, dass der Kläger durch die Darstellung seines Kopfes und deren Wirkung auf einen durchschnittlichen Betrachter nicht unerheblich in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt ist.

1. Nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsbeschwerde des Klägers beschränkt sich die rechtliche Beurteilung einer satirischen Darstellung nicht auf den Aussagekern, sondern ist auch die Einkleidung der Aussage gesondert daraufhin zu überprüfen, ob sie das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person verletzt (II. 2. a) bb) (3) des Beschlusses vom 14.2.2005). Diese Beurteilung führt hier zu dem Ergebnis, dass eine eigenständige Persönlichkeitsbeeinträchtigung des Klägers dadurch eingetreten ist, dass die Verwendung eines technisch manipulierten Fotos seines Kopfes eine für ihn negative, unzutreffende Aussage enthält. Denn der durchschnittliche Betrachter der Fotomontage sieht, dass der Kopf des Klägers ungünstig verändert gegenüber der Realität erscheint: Die Wangen sind länger, das Kinn ist voller, der Hals ist kürzer. Auch wenn der Rezipient ein realistisches Porträt des Klägers nicht zur Hand hat und das Ergebnis der technisch manipulierten Proportionen nicht im Einzelnen vergleichen kann, nimmt er doch eine ungünstige Veränderung wahr. Der Leserschaft wird mithin eine unzutreffende Bildaussage präsentiert.

Dabei erscheint die Abbildung des Kopfes in der Fotomontage für den Betrachter zugleich so realitätsgetreu, dass er irrig annimmt, dieser sehe tatsächlich so aus wie abgebildet. Anders als bei einer karikaturhaften Zeichnung vermittelt der in der Fotomontage abgebildete Kopf des Klägers den Anschein, eine hineinkopierte fotografische Abbildung zu sein, die dem Betrachter keinen Anhaltspunkt für eine Manipulation und Verzerrung der Gesichtszüge gibt; während die übrige Darstellung der Fotomontage deutlich erkennbar den Charakter des Fiktiven hat, gilt dies für die Abbildung des Kopfes gerade nicht.

In den Gründen der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde des Klägers führt das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang (unter II. 2. b)) aus:

bb) Das fotografische Abbild übermittelt ohne Verwendung von Worten Informationen über die abgelichtete Person. Fotos suggerieren Authentizität und die Betrachter gehen davon aus, dass die abgebildete Person in Wirklichkeit so aussieht. Diese Annahme aber trifft bei einer das Aussehen verändernden Bildmanipulation, wie sie heute relativ einfach mit technischen Mitteln herbeigeführt werden kann, nicht zu. Der Träger des Persönlichkeitsrechts hat zwar kein Recht darauf, von Dritten nur so wahrgenommen zu werden, wie er sich selbst gerne sehen möchte (vgl. BVerfGE 97, 125 <148 f.>; 97, 391 <403>; stRspr), wohl aber ein Recht, dass ein fotografisch erstelltes Abbild nicht manipulativ entstellt ist, wenn es Dritten ohne Einwilligung des Abgebildeten zugänglich gemacht wird. Die Bildaussage wird jedenfalls dann unzutreffend, wenn das Foto über rein reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen hinaus verändert wird. Solche Manipulationen berühren das Persönlichkeitsrecht, einerlei ob sie in guter oder in verletzender Absicht vorgenommen werden oder ob Betrachter die Veränderung als vorteilhaft oder nachteilig für den Dargestellten bewerten. Stets wird die in der bildhaften Darstellung in der Regel mitschwingende Tatsachenbehauptung über die Realität des Abgebildeten unzutreffend.

cc) Die Unwahrheit der Aussage hat Auswirkungen auf die Reichweite des Schutzes durch die Meinungsfreiheit. Eine unrichtige Information, die der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Möglichkeit zutreffender Meinungsbildung nicht dienen kann, ist unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Gut (vgl. BVerfGE 54, 208 <219>; 61, 1 <8>; 94, 1 <8>). So liegt es auch bei der Verwendung von fotografischen Abbildungen in satirischen Kontexten, wenn die Manipulation dem Betrachter nicht erkennbar ist, so dass er die Veränderung nicht als Teil der für satirische Darstellungen typischen Verfremdungen und Verzerrungen deuten und damit für seine Meinungsbildung bewertend einordnen kann.

2. Die vor diesem Hintergrund durchgeführte Beweisaufnahme über die Frage, ob die Gesichtszüge des Klägers in der beanstandeten Fotomontage über technisch unvermeidbare Änderungen hinaus manipuliert worden sind, hat zur Überzeugung des Senats ergeben, dass dies geschehen ist. Der Sachverständige zeigt in seinem schriftlichen Gutachten im Einzelnen nachvollziehbar, in welchen Arbeitsschritten das Foto des Klägers auf die Abbildung des Körpers einer sitzenden Person montiert worden ist. Im Vergleich dazu führt der Sachverständige alternativ vor, dass die Montage mit weniger Veränderungen, insbesondere ohne die eingetretene Verzerrung der Proportionen des Gesichts (die beanstandete Abbildung des Kopfes wurde um 8,7% in die Länge gezogen und horizontal um 4,5 % gestaucht) und Verkürzung des Halses möglich gewesen wäre. Insgesamt ist das Ergebnis des in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Sachverständigengutachtens, dass das Foto des Klägers über das technisch notwendige Maß hinaus verändert wurde, überzeugend.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sieht der Senat keine Veranlassung zu der Sorge, eine Erstellung von Fotomontagen im Pressealltag würde praktisch unmöglich gemacht, wenn ein so sorgfältiges Vorgehen verlangt würde, wie der Sachverständige bei der von ihm vorgenommenen alternativen Fotomontage an den Tag gelegt hat. Denn der Sachverständige hat den Arbeitsaufwand für die Herstellung der alternativen Fotomontage, bezogen auf die einzelnen Arbeitsschritte bzw. Funktionen jeweils als niedrig oder niedrig bis mittel bewertet. Der Senat hat keinen Anlass an dieser Bewertung oder überhaupt an der Sachkunde des Sachverständigen zu zweifeln.

Im Übrigen hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass die Verwendung einer frontalen Aufnahme des Fotomodells die Komplexität der späteren Bildverarbeitung signifikant reduziert hätte, was auch einem Laien der digitalen Bildbearbeitung beim Vergleich der verwendeten Fotos einleuchtet.

3. Die über technisch unvermeidbare Änderungen hinausgehenden Manipulationen an der Abbildung des Fotos des Klägers sind nicht derart geringfügig, dass sie nur bei besonders aufmerksamer Betrachtung unter Heranziehung des Originalfotos erkennbar sind. Dies kann der Senat beurteilen, ohne ein Sachverständigengutachten einzuholen; denn die Mitglieder des Senats gehören zu dem Personenkreis, der durch die mit der beanstandeten Fotomontage illustrierte Berichterstattung angesprochen wird; sie können deshalb auf Grund eigener Anschauung und Lebenserfahrung grundsätzlich selbst beurteilen, wie der in der Fotomontage abgebildete Kopf des Klägers im Zeitpunkt der Veröffentlichung auf einen durchschnittlichen Betrachter wirkte (vgl. BGH, Urteil vom 19.4.2001, NJW 2001, 3193, 3195). Ein interessierter, durchschnittlich aufmerksamer Leser der Zeitschrift „W.“ nahm im September 2000 wahr, dass das Gesicht des Klägers in der Fotomontage anders aussah als aus damals noch häufigen Veröffentlichungen über den Kläger in Presse und Fernsehen bekannt; zumindest entstand bei dem Betrachter der Eindruck, dass die Abbildung in einer in ihren Einzelheiten nicht genau erfassten Art und Weise insgesamt ungünstig von den damals bekannten Darstellungen des Klägers abwich. Diese Abweichung von der Realität ist nach unveränderter Auffassung des Senats nicht so geringfügig, dass sie schon deshalb das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht nennenswert verletzt.

4. Hinsichtlich der vorzunehmenden Abwägung der betroffenen Grundrechte der Parteien hält der Senat an den Ausführungen in seinem Urteil vom 12.2.2002 fest und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen darauf (S. 5 – 11 des genannten Urteils). Zu ergänzen ist lediglich, dass das Sachverständigengutachten auch bewiesen hat, dass die Verzerrung der Proportionen in der Abbildung des Gesichts mit einem niedrigen bis mittleren technischen Aufwand hätten vermieden werden können. Dieser Umstand wirkt sich bei der Interessenabwägung zu Lasten der Bewertung der von der Beklagten in Anspruch genommenen Grundrechtspositionen aus und bestätigt den Vorrang des Persönlichkeitsrechts des Klägers, obwohl dieses zwar nicht nur geringfügig, aber auch nicht besonders schwerwiegend beeinträchtigt ist.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 709 S. 1 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache nunmehr weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO.

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