Interview mit RA Prof. Dr. Gerhard Pfennig, VG Bild-Kunst

Die VG Bild-Kunst ist eine Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung der Rechte von Urhebern. Sie ist unter anderem für die Wahrnehmung der Verwertungsrechte der Fotografen zuständig. ‚Recht am Bild‘ hat mit dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied Prof. Dr. Gerhard Pfennig über die aktuelle Situation der Rechtewahrnehmung der Mitglieder der Berufsgruppe II (Fotografen, Bildjournalisten, Designer, Karikaturisten, Pressezeichner, Bildagenturen und Verleger) durch die VG Bild-Kunst gesprochen.

RaB:

Die Urheber haben die Möglichkeit die Wahrnehmung ihrer Rechte auf die VG Bild- Kunst zu übertragen; welche konkreten Vorteile ergeben sich daraus für jeden Einzelnen?

Pfennig:

Mitglieder der BG II übertragen in der Regel nur die Vergütungsansprüche für die Privatvervielfältigung, die Bibliothekstantieme und die Kabelweitersendung und in geringem Umfang Rechte für die Archivnutzung ihrer Werke auf die VG Bild-Kunst. Diese Ansprüche könnten sie individuell nicht wahrnehmen, weil insofern Verwer- tungsgesellschaftspflicht besteht. Sie bekommen von der VG den ihnen zustehenden Anteil an den Vergütungen für Ausleihen von illustrierten Büchern in öffentlichen Bibliotheken, für die Kabelweiterleitung gesendeter Fotos und für die zulässige Verielfältigung durch z.B. Kopieren, Scannen und Speicherung im PC im privaten und in Bildungs- und Wissenschaftsbereich. Insofern haben sie hier einen uneingeschränkten Vorteil. Einige Fotografen mit abgeschlossenem Lebenswerk bzw. solche, die im Kunstmarkt arbeiten, übertragen der VG auch die Reproduktions- und die Rechte der öffentlichen Zugänglichmachung sowie die Senderrechte; die Verwaltung ihrer Rechte erfolgt analog zur Verwaltung der Rechte Bildender Künstler (BG I).

RaB:

Die Berufsgruppe II stellt nur einen Teil der Urheber dar, deren Rechte die VG Bild- Kunst wahrnimmt. Welchen Anteil macht diese Berufsgruppe an der Gesamtheit der vetretenen Urheber aus?

Pfennig:

Ca. 22.000 Fotografen, Grafik-Designer und Bildagenturen sind Mitglied der BG II; ihr Aufkommen liegt durchschnittlich bei 40 % des Gesamtaufkommens, im Jahr 2010 betrug es ca. 25 Mio Euro.

RaB:

Wie läuft die Geltendmachung der Rechte der BG II in der Praxis ab?

Pfennig:

Die VG macht, meist gemeinsam mit anderen VGs im Nutzungsbereich, in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise ( §§ 54 h UrhG bzw. 13 a ff. des Wahrnehmungsgesetzes) die Vergütungsansprüche bei den Abgabepflichtigen ( bei Herstellern und Importeuren von Geräten und Leermedien und bei öffentlichen Einrichtungen des Bildungswesens bzw. der Kultusministerkonferenz der Länder) geltend und verteilt die Erlöse an die Mitglieder aufgrund der Nutzungsinformationen, die diese ihr liefern. Teilweise erhebt die VG die Nutzungsdaten auch selbst.

RaB:

Stellen sich für die VG Bild-Kunst bei der Geltendmachung der Vergütungsansprüche der BG II besondere Probleme?

Pfennig:

Keine, außer dem der mangelnden Zahlungsbereitschaft mancher Abgabepflichtiger. In solche Fällen muss das im Wahrnehmungsgesetz beschriebene Schiedsstellenverfahren mit anschließendem Verfahren vor den ordentlichen Gerichten beschritten werden (§ 14 ff UrhWG).

RaB:

Wie könnte man diese Zahlungsbereitschaft Ihrer Meinung nach in Zukunft verbessern?

Pfennig:

Durch größeres Verständnis dafür, dass der durch die Schrankenregelungen des UrhG gesetzlich ermöglichte freie Zugang zu Werknutzungen zu dem gesetzlich vorgeschriebenen „gerechten Ausgleich“ bzw. zu einer „angemessenen Vergütung“ der Urheber/innen führen muss, wenn man nicht die Existenzgrundlagen der kreativen Menschen – und damit die Existenzgrundlage der Informationsgesellschaft – gefährden will.

RaB:

Inwieweit führen denn die unterschiedlichen Interessen der einzelnen Mitglieder innerhalb einer Gruppe zu Konflikten?

Pfennig:

Es gibt keine Konflikte. Die Erlöse werden nach festgesetzten Verteilungsplänen aufgeteilt, die in der Mitgliederversammlung aufgrund von Vorberatungen der Fachkreise beschlossen werden. Hält jemand sie für unangemessen, kann er bei der Aufsichtsbehörde, dem DPMA, Beschwerde einlegen.

RaB:

Der Gesetzgeber hat in § 11 I UrhWG einen Abschlusszwang der Verwertungsgesellschaften mit Werknutzern festgeschrieben. Wie beurteilen Sie die dadurch entstehenden und teilweise kritisierten ‚Zwangslizenzen’ für die Urheber? Findet durch sie nicht eine indirekte Verletzung der urheberpersönlichkeitsrechtlichen Interessen statt?

Pfennig:

Die Frage betrifft natürlich nur solche Verträge, die für Urheber/innen geschlossen werden, die der VG Nutzungsrechte und nicht nur Vergütungsansprüche einräumen, also vor allem bildende Künstler. Die Urheber, die Verträge mit VGs schließen, wissen, welche Rechte sie diesen zur Verwaltung übergeben. Persönlichkeitsrechte gehören nicht dazu. In der Regel wird bei allen Nutzungen, die die Persönlichkeitsrechte berühren könnten – z.B. Ausschnittnutzungen, Werbung -, Rücksprache mit den Urhebern genommen. Wir führen notfalls sogar Prozesse, wenn die Nutzer absprachewidrig Persönlichkeitsrechte verletzen. Aber auch die Schrankenregelungen (z.B. Private Vervielfältigung) schaffen keinen Freibrief für Persönlichkeitsrechtsverletzungen.

RaB:

Im Rahmen eines Beitritts zur VG Bild-Kunst werden von dem einzelnen Urheber auch die zukünftigen Rechte an entstehenden Werken abgetreten. Inwieweit ist dies noch mit der in § 6 I UrhWG geforderten ‚Angemessenheit’ zu vereinbaren? Findet dadurch nicht auch eine Bevormundung des Urhebers statt, wenn ihm bis zu seinem Austritt die Wahl für zukünftige Rechte genommen wird?

Pfennig:

Wenn die VG „unbekannte Nutzungsarten“ im Bereich der Wahrnehmung der „Erstrechte“ in die Wahrnehmungspraxis aufnehmen will, muss sie zuerst mit den Mitgliedern diskutieren und die Wahrnehmungsverträge erweitern. Diese Änderungen werden den Mitgliedern in einem formalisierten Verfahren mitgeteilt, sie haben das Recht, der Erweiterung zu widersprechen. Dann kann die VG sie bei der Lizensierung dieser neuen Nutzungsart nicht vertreten. Wenn allerdings der Gesetzgeber die Schrankenregelungen erweitert, muss die VG die entsprechenden Erlöse einziehen und verwalten.

RaB:

Abschließend: Sehen Sie zukünftig eine geringere Notwendigkeit, für z. B. Fotografen, ihre Rechte durch eine Verwertungsgesellschaft wahrnehmen zu lassen, wenn sich durch technische Möglichkeiten wie digitale Wasserzeichen die Nutzungsvorgänge vom Urheber selbst individueller gestalten lassen?

Pfennig:

Wir behindern die individuelle Rechtswahrnehmung überhaupt nicht. Die Urheber müssen der VG die Erstrechte/Nutzungsrechte ja nicht einräumen, niemand hindert sie, diese selbst zu verwalten. Bei Fotografen ist dies oft auch, wie erwähnt, sinnvoll, weil sich die hauptberufliche Vermarktung von Fotos einer eher schematischen Wahrnehmung wie z.B. bei der Lizensierung von Innenteilabbildungen von Kunstwerken in Büchern entzieht.

Wir nehmen – wie zu Frage 2 ausgeführt – deshalb für Fotografen in der Regel nur Vergütungsansprüche für Nutzungen im Rahmen der Schrankenregelungen wahr. Wenn die Fotografen digitale Wasserzeichen verwenden – was voraussetzen würde, dass solche entwickelt werden, die funktionieren und von den Urhebern zu vernünftigen Bedingungen eingesetzt werden können – können ihre Werke nicht mehr vervielfältigt werden, eine Vergütung erhalten sie dann auch nicht.

Unsere Erfahrung ist allerdings, dass andere Bildurheber, z.B. bildende Künstler, in vielen Fällen schon aus Gründen der Bequemlichkeit, Effizienz und des Schutzes vor ungenehmigter Verwertung die Verwaltung der Rechte durch VGs durchaus begrüßen, vor allem dort, wo eine individuelle Verwaltung aufwendig und umständlich ist.

Wir bedanken uns bei Herrn Professor Pfennig für das Gespräch.

(Logo: Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst r.V., Bonn)

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