Auf Höhenflug folgt tiefer Fall: Drohnenfotos unzulässig

Das OLG Hamm hat entschieden, dass mit einer Drohne aufgenommene Bilder nicht unter die urheberrechtliche Panoramafreiheit fallen.

Dem Verfahren vor dem OLG Hamm lag ein Rechtsstreit zwischen der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst und einem Verlag zugrunde, der Luftaufnahmen von verschiedenen, im Ruhrgebiet belegenen Kunstbauwerken in einem Reiseführer veröffentlicht hatte (OLG Hamm, Urteil vom 27.04.2023 – 4 U 247/21).

Was ist die rechtliche Grundlage der Auseinandersetzung?

Grundsätzlich hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten – beispielsweise zu vervielfältigen – sowie in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben – insbesondere mittels Bildträger öffentlich wahrnehmbar zu machen.

Dieses Recht des Urhebers gilt allerdings nicht uneingeschränkt. So kann es etwa zulässig sein, Fotoaufnahmen von Bauwerken öffentlich wiederzugeben, wenn sich diese Objekte an öffentlichen Orten befinden (sogenannte Panoramafreiheit). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass solche Bauwerke der Öffentlichkeit gewidmet wurden, weil sie aufgrund ihres Belegenheitsortes von jedermann wahrgenommen werden können.

Was hatte das Gericht zu entscheiden?

Unproblematisch zulässig wäre es gewesen, wenn der Verlag nur solche Fotoaufnahmen der konkreten Kunstbauwerke veröffentlicht hätte, die von den öffentlichen Zugangswegen zu ebener Erde eingefangen worden wären. Problematisch war also, dass die Fotos mit einer Drohne aus der Vogelperspektive aufgenommen worden waren. Solche Luftaufnahmen fallen nach Ansicht des OLG Hamm also nicht unter die Panoramafreiheit, sondern verletzen das Urheberrecht der jeweiligen Künstler – Folge: Ansprüche der Rechteinhaber u.a. auf Schadensersatz. Dieses Urteil dringt auf bisher nicht höchstrichterlich entschiedenes Terrain vor. Jedoch ist die Revision zum BGH zugelassen und auch bereits eingelegt worden. Insofern bleibt abzuwarten, wie der BGH die Lage bewertet.

Was spricht gegen die Entscheidung des OLG Hamm?

Der technische Fortschritt wurde nicht berücksichtigt

Das OLG Hamm bezieht sich insbesondere auf ein Urteil des BGH, wonach das grundsätzlich urheberrechtlich geschützte Objekt nur dann ausnahmsweise fotografiert – und verwertet – werden darf, wenn die gewählte Perspektive für das allgemeine Publikum öffentlich zugänglich ist, da das Publikum die Werke, die es von öffentlichen Orten aus mit eigenen Augen sehen kann, wiedergeben dürfen soll (BGH, Urteil vom 05. Juni 2003 – I ZR 192/00). Diese Rechtsprechung liegt nunmehr jedoch knapp 20 Jahre zurück und mittlerweile sind Orte – etwa mittels Drohne – für ein allgemeines Publikum zugänglich, die damals nicht ohne Weiteres hätten erreicht werden können. Heutzutage ist es ein Leichtes, aus einem Laden um die Ecke oder einem der vielen Online-Shops eine Drohne zu beziehen und Luftaufnahmen zu tätigen. Die Vogelperspektive steht also jedermann offen.

Es wurde unterbewertet, dass Hilfsmittel grundsätzlich zulässig sind

Des Weiteren kann dem OLG Hamm entgegengehalten werden, dass der BGH bereits entschieden hatte, dass auch die Ablichtung solcher Werke durch die Panoramafreiheit geschützt ist, die unter Verwendung von Hilfsmitteln erfolgte. So wurde es als zulässig bewertet, den rechtlich geschützten Kussmund eines Aida-Kreuzfahrtschiffes, mit einem Motorboot anzusteuern und zu fotografieren (BGH, Urteil vom 27.04.2017 – I ZR 247/15). Zwar bewertet das OLG Hamm den Sachverhalt insofern anders, als dass ein Mensch auf einem Motorboot das Werk mit eigenen Augen sehen kann und bei einer Drohne nicht. Jedoch wirft das die Frage nach einem Vergleich mit aus Flugzeugen aufgenommenen Fotos auf. Flugzeuge sind ebenso wie Motorboote Verkehrsmittel, die dem Menschen unnatürliche Wege und Perspektiven eröffnen. Fotos aus Flugzeugen müssten also problemlos zulässig sein. Doch warum sollten solche Fotos anders zu bewerten sein als Fotos, die mit einer Drohne aufgenommen wurden?

Es wurde verkannt, dass Hilfsmittel nur aus bestimmten Gründen nicht verwendet werden dürfen

Überdies greift die Bezugnahme des OLG Hamm auf eine weitere Stelle des vorgenannten BGH-Urteils fehl. Der BGH hatte weiter ausgeführt, dass die Panoramafreiheit nach ihrem Zweck nicht solche Aufnahmen erfassen kann, die „unter Verwendung besonderer Hilfsmittel (wie einer Leiter) oder nach Beseitigung blickschützender Vorrichtungen (wie einer Hecke) angefertigt worden sind“. Hieraus hat das OLG geschlossen, dass auch die Drohnenfotos unzulässig sein müssen. Doch dass nicht der Einsatz eines jeden Hilfsmittels zur Unzulässigkeit der Fotoaufnahme führen soll, zeigt bereits der als zulässig eingestufte Einsatz des Motorbootes. Es spricht einiges dafür, dass die dargelegte Ausführung des BGH dahingehend zu verstehen ist, dass Hilfsmittel lediglich nicht dazu eingesetzt werden dürfen, Hindernisse, deren Zweck die Abschottung vor der Öffentlichkeit ist, zu überwinden. So würde es zu weit greifen, wenn ein Fotograf unter Zuhilfenahme einer Leiter über eine Hecke, die geeignet und dazu bestimmt ist, das dahinterliegende Bauwerk vor der breiten Masse abzuschotten, hinweg ablichten würde. So weit kann die Panoramafreiheit nachvollziehbar nicht reichen. Vorliegend gab es allerdings keinerlei Sicherheitsvorkehrungen oder Hindernisse gegen die Ablichtung der Bauwerke von oben.

Die widerstreitenden Interessen wurden nicht im Einzelfall abgewogen

Im Zuge dessen ist auch der Sinn und Zweck des Urheberrechts und der Beschränkung desselbigen zu berücksichtigen. Das Urheberrecht will die Kreativität und Umsetzung einer Idee schützen, jedoch nur, solange das private Interesse hieran überwiegt. Es wäre einleuchtend, Aufnahmen aus der Vogelperspektive dann nicht zu erlauben, wenn private Belange des Künstlers unzumutbar tangiert wären. Man denke beispielsweise an eine Kulisse, deren künstlerische Aussagekraft der Öffentlichkeit gezielt nur aus der Frontalansicht offenbart werden soll, deren künstlerische Umsetzung (etwa das rückseitige Gerüst) jedoch nicht aus der Vogelperspektive offengelegt werden soll. Derartige Belange waren bei den streitgegenständlichen Werken aber gerade nicht berührt. Das OLG Hamm zog sich allein darauf zurück, dass die Perspektive als solche nicht zulässig sei.

Der Gesetzeswortlaut steht der Ansicht des OLG Hamm entgegen

Hierfür bietet aber auch der Gesetzeswortlaut keinerlei Anhaltspunkte. Die Panoramafreiheit gilt ausdrücklich für Werke, die „an“ öffentlichen Orten liegen. Die Kunstbauwerke lagen unabhängig davon, aus welcher Perspektive sie betrachtet wurden, auch „an“ einem solchen öffentlichen Ort. Außerdem erstreckt sich die Panoramafreiheit bei Bauwerken nach dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich „nur auf die äußere Ansicht“. Das leuchtet insbesondere aus Gründen der privaten Lebensführung ein, jedoch fällt auf, dass der Gesetzgeber bewusst eine Beschränkung der Panoramafreiheit vorgenommen hat, ohne jedoch die zulässige Perspektive zu beschränken. Die „äußere Ansicht“ kann aus jeder Perspektive – auch aus der Luft – erfasst werden.

Ausblick

Das Urteil des OLG Hamm sollte jedenfalls dadurch relativiert werden, dass Drohnenaufnahmen aufgrund der Vogelperspektive nicht per se unzulässig sein dürfen. Stattdessen sollten die verfassungsrechtlich geschützten Positionen sowohl des Urhebers des (hier: Bau-) Werkes als auch der durch die Panoramafreiheit geschützten Allgemeinheit im Einzelfall abgewogen werden. So könnte der eine Künstler davor geschützt werden, dass eine Drohne seine nur aus der Frontalansicht für die Öffentlichkeit bestimmte Kulisse von oben „entlarvt“, und ein anderer Künstler müsste hinnehmen, dass sein öffentlich einsehbares Bauwerk, das von oben gleichermaßen schützenswert ist wie von vorne, auch mit einer Drohne im Höhenflug erfasst wird.

(Bild von Pexels auf Pixabay)

2 Gedanken zu „Auf Höhenflug folgt tiefer Fall: Drohnenfotos unzulässig“

  1. Siehe dort https://www.golem.de/news/gerichtsurteil-panoramafreiheit-gilt-nicht-bei-drohnenaufnahmen-2305-174465.html
    auch den Nachtrag vom 25. Mai 2023, 16:50 Uhr:
    Zitat: „Eine höchstrichterliche Entscheidung dürfte auch deshalb sinnvoll sein, weil das Landgericht Frankfurt am Main in einem ähnlichen Fall anders entschied. In dem Urteil vom 25. November 2020 verweist das Gericht auf die EU-Infosoc-Richtlinie von 2001, die in Artikel 5, Nummer 3, Buchstabe h eine entsprechende Urheberrechtsschranke „für die Nutzung von Werken wie Werken der Baukunst oder Plastiken, die dazu angefertigt wurden, sich bleibend an öffentlichen Orten zu befinden“, vorsieht (Az. 2-06 O 136/20). Zitatende“

    Und Ihren Beitrag:
    https://www.rechtambild.de/2020/12/luftbilder-von-bauwerken-von-panoramafreiheit-gedeckt/

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  2. Ich finde die Entscheidung des OLG Hamm bezüglich Drohnenfotos und urheberrechtlicher Panoramafreiheit interessant und kontrovers. Die Debatte darüber, ob Luftaufnahmen mit Drohnen unter die Panoramafreiheit fallen, berücksichtigt nicht ausreichend den technologischen Fortschritt. Die Argumentation, dass die Perspektive von oben nicht zugänglich genug für die Allgemeinheit ist, wirkt angesichts der heutigen Drohnenverfügbarkeit fraglich.

    Die Unterscheidung zwischen Luft- und Bootsaufnahmen in früheren BGH-Urteilen bringt weitere Aspekte ins Spiel. Die Abwägung zwischen Urheberrechten und Allgemeininteressen erscheint sinnvoll, um faire Ergebnisse für verschiedene künstlerische Werke zu erzielen. Insgesamt könnte eine differenzierte Betrachtung der Situation und technologischen Möglichkeiten angemessener sein.

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