LG Köln, Urteil vom 20. Mai 2021, Az.: 14 O 167/20

Tenor

  1. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten gegen den Kläger kein Anspruch auf Zahlung i. H.v. 2.415,92 € für Lizenzschaden zusteht, wie geltend gemacht mit Schreiben vom 22.04.2020, Anlage K1.
  2. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten gegen den Kläger kein Anspruch auf Zahlung i. H.v. 1.564,26 € für die vorgerichtliche Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zusteht, wie geltend gemacht mit Schreiben vom 22.04.2020, Anlage K1.
  3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Aufwendungsersatz in Höhe von 1.314,50 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.06.2020 zu zahlen.
  4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  5. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten 1.113,05 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.000,- € seit dem 13.05.2020 zu zahlen.
  6. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
  7. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
  8. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung i. H. v. von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Im Übrigen kann der Kläger die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. v. von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist ein in der Schweiz ansässiger Heilpraktiker. Er unterhält eine Webseite (https://www.entfernt/), auf der er seine Leistungen beschreibt und bewirbt. Der Kläger nutzte auf seiner Webseite das nachfolgend eingeblendete Lichtbild:

Bilddatei entfernt

Der Beklagte ist Fotograf. Er ist Ersteller des oben eingeblendeten, streitgegenständlichen Lichtbildes.

Der Beklagte ließ den Kläger mit Schreiben vom 22.04.2020 abmahnen (Anlage K1 Bl. 74 GA). Er forderte unter Berufung auf deutsches Urheberrecht Unterlassung, Schadensersatz und Ersatz von Rechtsanwaltsgebühren. Er verwies dabei auf seine Tätigkeit als Fotograf und zur Berechnung seines Schadensersatzanspruchs auf seine Preisliste unter http://entfernt/. Als Nutzungszeitraum gab er den 21.04.2017 bis 04.04.2020 an.

Der Kläger rügt diverse Mängel der Abmahnung, u.a. dass eine Angabe der Anschrift des Beklagten fehlte, und dass die streitgegenständliche Fotografie nicht beigefügt war oder sonst beschreibend konkretisiert war.

Der Kläger stellte die Nutzung des streitgegenständlichen Lichtbildes nach Abmahnung ein und bot dem Beklagten eine weltweit geltende Unterlassungsverpflichtungserklärung an. Im Übrigen wies er die Abmahnung mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 21.05.2020 (Anlage K3 Bl. 81 GA) zurück und forderte Aufwendungsersatz zur Verteidigung gegen die Abmahnung. Der Beklagte nahm diese Unterlassungserklärung ausweislich der E-Mail seines Prozessbevollmächtigten vom 02.06.2020 (Anlage K4 Bl. 90 GA) an.

Der Kläger rügte die Vollmacht des Prozessbevollmächtigten des Beklagten. Dieser legte sodann eine Originalvollmacht vor (Bl. 51 GA).

Der Kläger bestreitet mit Nichtwissen, dass der Beklagte ein professioneller Fotograf sei. Ferner bestreitet mit Nichtwissen, dass der Beklagte die hier gegenständliche Fotografie jemals kommerziell verwertet habe, insbesondere dass er jemals seine eigene Preisliste realisieren konnte.

Er ist der Ansicht, dass es sich bei der Fotografie nicht um ein Lichtbildwerk handele, sondern allenfalls um ein einfaches Lichtbild. Er meint außerdem, dass deutsches Urheberrecht nicht anwendbar sei bzw. es sich nicht um eine in Deutschland erfolgte Rechtsverletzung handele, weil der Kläger Schweizer ist und nur in der Schweiz tätig sei sowie der Beklagte ein Italiener ohne Bezug zu Deutschland sei. Sollte deutsches Recht anwendbar sein, so sei die Schadensersatzforderung des Beklagten extrem überhöht. Abmahnkosten stünden dem Beklagten nicht zu, weil die Abmahnung mangels Erfüllung der Anforderung von § 97a Abs. 2 UrhG unwirksam sei. Aus demselben Grunde stehe ihm ein Ersatzanspruch nach § 97a Abs. 4 UrhG zu.

Der Kläger beantragte zunächst,

  1. es wird festgestellt, dass dem Beklagten gegen den Kläger kein Anspruch auf Zahlung i.H.v. 22.015,92 € für Lizenzschaden zusteht, wie geltend gemacht mit Schreiben vom 22.04.2020, Anlage K1;
  2. es wird festgestellt, dass dem Beklagten gegen den Kläger kein Anspruch auf Zahlung i.H.v. 1.564,26 € für die vorgerichtliche Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zusteht, wie geltend gemacht mit Schreiben vom 22.04.2020, Anlage K1;
  3. den Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Aufwendungsersatz in Höhe von 1.564,26 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.06.2020 zu zahlen.

In der mündlichen Verhandlung am 29.04.2021 hat der Kläger den Klageantrag zu 1.) in Höhe von 19.600,00 € zzgl. Zinsen für erledigt erklärt. Dieser Erledigungserklärung hat sich der Beklagte angeschlossen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt der Beklagte,

  1. den Kläger bzw. Widerbeklagten zu verurteilen, an den Beklagten bzw. Widerkläger Schadensersatz i.H.v. 19.600,- € Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2020 zu zahlen;
  2. den Kläger bzw. Widerbeklagten zu verurteilen, dem Beklagten bzw. Widerkläger die entstandenen Dokumentationskosten i.H.v. 113,05 € zu ersetzen.

Der Kläger beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dass er professioneller Fotograf sei, und dass er die Nutzungsrechte an der streitgegenständlichen Fotografie zu den Preisen anbiete, die sich aus seiner Webseite ergeben (siehe Anl. K3, Bl. 33 GA).

Er ist der Ansicht, dass sich ein lizenzanaloger Schadensersatz auf Grundlage seiner Preisliste berechne. Für die Online Nutzung vom 21.04.2017 bis zum 04.04.2020 (Bl. 28 GA) errechne sich ein Betrag von 9.800,- €, der wegen unterlassener Urhebernennung zu verdoppeln sei, d. h. insgesamt 19.600,- €. Ihm stünden außerdem Dokumentationskosten i.H.v. 113,05 € als Schadensersatz zu.

Gründe

Die Klage ist im nicht erledigten Umfang zulässig und überwiegend begründet. Die Widerklage ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.

I. Widerklage

Der Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf Zahlung von 1.113,05 € zzgl. Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.000,- € seit dem 13.05.2020.

  1. Die Widerklage ist zulässig. Das Landgericht Köln ist gemäß § 33 ZPO örtlich zuständig. Dabei folgt die Zuständigkeit der Zuständigkeit der Klage, für die das Landgericht Köln gem. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO, § 32 ZPO international und örtlich aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung zuständig ist (siehe dazu auch die Ausführungen unten; vgl. BGH GRUR 2016, 1048, Rn. 16 ff. – An Evening with Marlene Dietrich). Die übrigen Voraussetzungen der Zulässigkeit der Widerklage liegen vor, insbesondere ist der geltend gemachte Anspruch konnex im Sinne von § 33 ZPO, weil die Streitgegenstände hier identisch sind.
  2. Die Widerklage ist jedoch nur im geringen Umfang begründet.

a) Dabei hat der Beklagte einen Anspruch gegen den Kläger auf Zahlung von Schadensersatz aus § 97 Abs. 2 S. 1 und 3, 19a UrhG dem Grunde nach.

aa) Der Beklagte ist unstreitig Fotograf und Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte an der streitgegenständlichen Fotografie (Anlage K1). Er ist folglich aktivlegitimiert.

bb) Die streitgegenständliche Fotografie ist ein Lichtbildwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG. Seit der Umsetzung der Schutzdauer-RL (2006/116/EG) ist der Werkbegriff des § 2 Abs. 2 für Lichtbildwerke im Sinne von deren Art. 6 auszulegen (BGH GRUR 2000, 318, 318 – Werbefotos). Eine Fotografie erreicht daher den Schutz als Lichtbildwerk gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5, wenn sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers darstellt; andere Kriterien zur Bestimmung der Schutzfähigkeit sind nicht anzuwenden, insbesondere keine qualitativen oder ästhetischen (Art. 6 Schutzdauer-RL). Dies bedeutet, dass es eines besonderen Maßes an schöpferischer Gestaltung definitiv nicht bedarf (BGH GRUR 2000, 318, 318 – Werbefotos) und damit letztendlich auch durchschnittliche und unterdurchschnittliche fotografische Gestaltungen als Lichtbildwerke Schutz genießen, sofern eine unterscheidbare Gestaltung vorliegt und ein anderer Fotograf das Foto möglicherweise anders gestaltet hätte, also den Blickwinkel, den Ausschnitt oder die Beleuchtung anders gewählt, einen anderen Geschehensmoment festgehalten, die abgebildeten Personen anders gruppiert oder das Foto zu einem anderen Zeitpunkt aufgenommen hätte (Fromm/Nordemann, 12. Aufl. 2018, UrhG § 2 Rn. 198). Demnach sind die Einwendungen des Klägers zur Qualität des Lichtbildes unerheblich.

Die Kammer hat keinen Zweifel am Vorliegen einer eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers. Das Kriterium der persönlichen Schöpfung schließt Zufallsfotografien vom urheberrechtlichen Schutz aus. Individualität einer Fotografie liegt immer dann vor, wenn sie eine Aussage enthält, die auf Gestaltung beruht. Die Gestaltung kann beispielsweise in der allgemeinen Bildorganisation (Ausgewogenheit der Bildgestaltung, Unterdrückung des „optischen Rauschens“, Platzierung des Motives im „goldenen Schnitt“), in dem Bildwinkel (sowie Ausschnitt, Brennweite, Standpunkt, Perspektive etc.), der Linien und Linienführung (kompositorischer Einsatz optischer Linien), der Flächen und Formen (kompositorischer Einsatz optischer Flächen und Formen), dem Licht und der Beleuchtung (Licht und Schatten, Helligkeitsverteilung), in Farben und Farbkontrasten (Farbharmonie und Farbwirkung), dem Aufnahmezeitpunkt (insbesondere Wahl des richtigen Zeitpunktes), im Format oder in experimentellen Gestaltungen (Verfremdung, Fotomontagen, Farbmanipulationen), aber auch in der Auswahl des Aufnahmeortes, eines bestimmten Kameratyps oder -objektivs sowie in der Wahl von Blende und Zeit sowie weiterer Feineinstellungen liegen (Fromm/Nordemann, UrhG § 2 Rn. 196 f. m.w.N. aus der Rspr.). Nach diesen Grundsätzen folgt die Individualität allein schon aus dem Umstand, dass das Lichtbild offenbar während einer Ballonfahrt zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt der Dämmerung erstellt worden ist und dabei einen besonderen Kontrast zwischen Sonnenuntergang und dem übrigen Himmel herausstellt. Dies wird durch die in der Mitte des Bildes erkennbare Wolke, aus der Sonnenstrahlen hinaus scheinen noch bekräftigt. Auch die insoweit im Schatten liegenden anderen Heißluftballons erscheinen als Gestaltungsmittel. Dabei ist auch die Wahl des Bildausschnitts nicht notwendig gewesen, sondern die Zentrierung der Wolke mit dem Sonnenuntergang darunter ist Ausdruck von Individualität.

cc) Die Einbindung des Lichtbildes auf der Webseite des Klägers stellt einen Eingriff in das dem Beklagten zustehende ausschließliche Verwertungsrecht zur öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG dar.

dd) Der Kläger als Betreiber der Webseite ist passivlegitimiert. Die Nutzung des Lichtbildes durch den Kläger erfolgte ohne Zustimmung des Beklagten, mithin widerrechtlich.

ee) Der Kläger handelte auch schuldhaft. Das für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs erforderliche Verschulden liegt darin, dass der Kläger zumindest fahrlässig gemäß § 276 Abs. 2 BGB verkannt hat, zur Nutzung des Lichtbildes ohne Erwerb eines Lizenzrechtes von dem Beklagten nicht berechtigt zu sein.

ff) Es liegt auch eine Verletzung des wegen des Territorialitätsprinzips vom Gericht nur anwendbaren deutschen Urheberrechts vor. Die Webseite des Klägers ist in deutscher Sprache verfasst (Anl. K1 Bl. 31 GA). Sie adressiert damit grundsätzlich das gesamte deutschsprachige Publikum. Die Leistungen des Klägers sind auch nicht derart stationär und auf die Schweiz beschränkt, sodass auszuschließen ist, dass deutsche Internetnutzer die Webseite besuchen. Hinzu kommt, dass die konkrete Verletzung im Rahmen eines Blogs geschehen ist. Der Blog enthält offenbar Meditationstexte. Diese Inhalte sind ggf. auch für Internetnutzer aus Deutschland interessant. Ein ausreichender Inlandsbezug für das Vorliegen einer vom Gericht nur zu prüfenden materiellrechtlichen Verletzung deutscher Urheberrechte des Beklagten (vgl. hierzu EuGH GRUR 2014, 100, Rn. 45 – Pinckney/Mediatech; GRUR 2015, 296, Rn. 36 – Hejduk/EnergieAgentur) liegt deshalb vor. Der Umstand, dass der Beklagte Italiener ist und in Italien seinen Wohnsitz hat, nicht aber in Deutschland, ist ebenso unerheblich wie der Umstand, dass der Kläger Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz ist. Die Entstehung von Rechten nach deutschem Urheberrecht ist nicht vom Wohnsitz oder Tätigkeitsgebiet des Urhebers abhängig.

b) Der Schadensersatzanspruch kann entsprechend der von dem Beklagten vorgenommenen Methode der Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 S. 3 UrhG) beziffert werden.

aa) Allerdings ist eine Berechnung auf Grundlage der Preisliste des Beklagten nicht möglich. Der Beklagte hat eine – vom Kläger mit Nichtwissen bestrittene – tatsächliche Lizenzpraxis nach dieser Preisliste weder vorgetragen, noch bewiesen. Der bloße Verweis auf die Veröffentlichung einer Preisliste genügt dafür nicht. Insoweit hätte der Beklagte Rechnungen oder andere Nachweise der tatsächlich erfolgten Abrechnung nach dieser Preisliste vortragen und ggf. beweisen müssen.

bb) Andere Anknüpfungspunkte für eine Berechnung der Beklagten liegen nicht vor, insbesondere bezieht er sich nicht auf branchenüblicher Vergütungssätze (etwa die MFM-Tabelle). Die MFM-Tabellen hält das Gericht im Streitfall auch nicht für branchenüblich. Insbesondere ist weder ersichtlich, noch dargetan, dass der Beklagte selbst Mitglied der MFM ist. Hinzu kommt, dass weder der Kläger noch der Beklagte in Deutschland geschäftsansässig sind. Es liegt deshalb fern, dass es üblich wäre für die Parteien, Lizenzkosten für Nutzungsrechte an Lichtbildern nach den deutschen MFM-Tabellen zu berechnen.

cc) Gibt es keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr vom Tatrichter gem. § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Dabei sind an Art und Umfang der vom Geschädigten beizubringenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen; dem Tatrichter kommt zudem in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer Spielraum zu (BGH GRUR 2019, 292 – Foto eines Sportwagens).

Auf dieser Grundlage hält das Gericht einen lizenzanalogen Schadensersatz in Höhe von 500,- €. Dabei geht das Gericht im Ausgangspunkt – trotz der oben beschriebenen nicht möglichen direkten Anwendbarkeit – mangels anderer Anknüpfungspunkte von dem in der MFM-Tabelle für das Jahr 2017 ausgewiesenen Betrag für eine Online Nutzung auf einer Homepage aus (siehe S. 59 der MFM-Tabelle 2017). Allerdings können die MFM-Empfehlungen nicht schematisch angewendet werden, sondern sind unter Einbeziehung sämtlicher individueller Sachverhaltsumstände zu modifizieren, weil die Einzelfallumstände eine realitätsnähere und damit aussagekräftigere Grundlage für die Schätzung der angemessenen Lizenzgebühr bieten (vgl. OLG Köln, Urteil vom 11.01.2019 – 6 U 10/16 – Palast der Republik – Rn. 96 ff., juris).

Da der Kläger der in der Abmahnung ausgewiesenen Nutzungsdauer von ca. 3 Jahren ab April 2017 nicht entgegengetreten ist, zieht die Kammer insoweit den Betrag von 695,- € für eine dreijährige Nutzungsdauer heran. Auch wenn der Kläger bestreitet, dass der Beklagte ein professioneller Fotograf sei, hält das Gericht die grundsätzliche Anlehnung an die MFM-Tabelle vorliegend aufgrund der Eigenart des streitgegenständlichen Lichtbildes für angemessen. Die oben beschriebenen eigentümlichen Eigenschaften des Lichtbildes sprechen insoweit für eine nicht nur „hobbymäßige“ Erstellung von Lichtbildern. Auch die vom Kläger selbst mit Anlagen K3 und K4 zitierte Webseite des Beklagten legt den Schluss nahe, dass der Beklagte diverse Lichtbildwerke geschaffen hat und jedenfalls keine kostenfreien oder günstigen Lizenzen vergibt. Der Vergleich des Klägers mit Stockfotos überzeugt insoweit nicht. Die bloße Verfügbarkeit von kostenlosen Dateien im Netz oder günstigen Stockfotos mit ähnlichem Motiv lässt nicht den Rückschluss zu, dass auch der Beklagte seine Werke unter solchen Bedingungen anbietet oder dies beabsichtigt.

Dabei ist auch zu beachten, dass die konkrete Nutzung des Lichtbildes durch den Kläger auf seiner Webseite im gewerblichen Kontext erfolgte und auch dem Absatz seiner Dienstleistungen (z.B. Seminare) zu fördern bestimmt war. Die Nutzung im Internet hat auch ein nicht unerhebliches Verletzungspotential, da einerseits der Besuch einer Vielzahl von Personen möglich und gewollt ist sowie andererseits auch ein Vervielfältigen des Fotos durch Seitenbesucher einfach ist. Genau dieser Aspekt wird durch die feingliedrige Unterscheidung von Nutzungsarten in der MFM-Tabelle Rechnung getragen, sodass die Heranziehung auch deshalb zweckmäßig ist.

Jedoch hält die Kammer eine Anpassung des aus der MFM-Tabelle herangezogenen Betrages für notwendig. Denn die Kammer darf mit seiner Schadensschätzung nur die Verletzungsfolgen abgelten, die durch die Verletzung deutschen Urheberrechts entstanden ist (vgl. EuGH GRUR 2014, 100, Rn. 45 – Pinckney/Mediatech; GRUR 2015, 296, Rn. 36 – Hejduk/EnergieAgentur). Wird eine Lizenz auf Grundlage der MFM-Tabellen vergütet, ist jedoch in der Regel von einer weltweiten Lizenz auszugehen. Allein deshalb ist ein Abzug von dem oben genannten Betrag notwendig und geboten.

Jedoch hält das Gericht nach Abwägung aller Umstände immer noch einen Betrag von 500,- € für angemessen. Dies beruht auf der Erwägung, dass die konkrete Nutzung auf einer deutschsprachigen Webseite in Verbindung mit deutschsprachigen Texten und gewerblichen Angeboten erfolgt ist. Die Webseite ist erreichbar unter der Top-Level-Domain „.li“ für Liechtenstein, obwohl der Kläger Schweizer ist und seinen Sitz in der Schweiz hat. Die relativ kleinen Population des Fürstentums Liechtenstein und die allein aufgrund des Auseinanderfallens von Geschäftssitz und Top-Level Domain ersichtliche „grenzüberschreitende Tätigkeit“ sprechen dafür, dass der gesamte deutschsprachige Verkehr angesprochen wird. Dies ist auch durch die konkrete Art der Texte und der Angebote (v.a. Meditation) indiziert, da sie keine räumliche Beschränkung nahe legen. Da jedoch die Population der Bundesrepublik Deutschland den weit überwiegenden Teil des deutschsprachigen Adressatenkreises ausmacht, betrifft die Rechtsverletzung auch maßgeblich den territorialen Anwendungsbereich des deutschen Urheberrechts. Vor diesem Hintergrund hält die Kammer im vorliegenden Fall einen Abschlag von dem MFM-Betrag von ca. 30 % für angemessen, sodass sich statt 695,- € ein gerundeter Betrag von 500,- € ergibt.

dd) Wegen der unstreitig unterbliebenen Urheberbenennung ist dieser Betrag um 100 % auf 1.000,- € zu erhöhen. Wegen der Verletzung des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft kann der Urheber gem. § 97 Abs. 2 S. 1 und 3 UrhG eine weitere Entschädigung verlangen. Die Höhe der fiktiven Lizenzgebühr, die zum Ausgleich eines für die fehlende Urhebernennung verursachten Vermögensschadens geschuldet ist, kann in Form eines Zuschlags auf die (fiktive) Lizenzgebühr bemessen werden, die für die jeweilige Nutzung (hier das Vervielfältigen und öffentliche Zugänglichmachen der Fotografie) zu zahlen ist (BGH GRUR 2019, 292, Rn. 28 – Foto eines Sportwagens). Die fehlende Benennung des Urhebers oder des Lichtbildners führt insbesondere dann zu einem Vermögensschaden, wenn dem Urheber oder Lichtbildner dadurch Folgeaufträge entgehen (BGH GRUR 2015, 780, Rn. 39 – Motorradteile). Davon geht die Kammer bei dem Beklagten, der nach den obigen Ausführungen mindestens im Nebenerwerb als Fotograf tätig ist, aus. Eine Erhöhung um 100 % ist vorliegend auch nach der obigen Abwägung aller Umstände angemessen.

ee) Der Beklagte kann außerdem als materiellen Schaden die Zahlung der vom Kläger in ihrer Entstehung und ihrer Höhe nicht bestrittenen Dokumentationskosten in Höhe von 113,05 € verlangen. Bei Dokumentations- und Ermittlungskosten im Zusammenhang mit einer Rechtsverletzung handelt es sich um einen nach § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG iVm § 249 Abs. 1 BGB ersatzfähigen Schaden.

c) Der Beklagte hat einen Anspruch gegen den Kläger auf Zahlung von Verzugszinsen aus 1.000,- € seit dem 13.05.2020 aus §§ 286, 288 BGB. Dabei war zu beachten, dass der Beklagte nur Zinsen aus dem lizenzanalogen Schadensersatz (Widerklageantrag zu 1.), nicht aber aus den Dokumentationskosten (Widerklageantrag zu 2.) fordert. In dem oben festgestellten Umfang hat der Beklagte einen Anspruch, weil der Kläger die in der Abmahnung gesetzte Zahlungsfrist bis zum 12.05.2020 fruchtlos hat verstreichen lassen.

II. Klage

Es war festzustellen, dass Ansprüche des Beklagten gegen den Kläger im tenorierten Umfang nicht bestehen. Außerdem hat der Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 1.314,50 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.06.2020.

  1. Die Klage ist zulässig.

Das Landgericht Köln ist gemäß Art. 7 Nr. 2 EuGVVO, § 32 ZPO zur Entscheidung des Rechtsstreits international und örtlich aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung zuständig. Der im Rahmen der negativen Feststellung als behaupteter Verletzungsgegenstand maßgebliche Internetauftritt des Klägers, über welchen das streitgegenständliche Lichtbild einsehbar war, war bundesweit und damit auch im Gerichtsbezirk des angerufenen Gerichts abrufbar (vgl. BGH GRUR 2016, 1048, Rn. 16 ff. – An Evening with Marlene Dietrich m.V.a. EuGH GRUR 2014, 100 – Pinckney/Mediatech; GRUR 2015, 296 – Hejduk/EnergieAgentur).

Das für die Anträge zu 1. und 2 der Klage nach § 256 ZPO notwendige Feststellungsinteresse folgt aus der Berühmung der Ansprüche in der Abmahnung des Beklagten. Auch nach Erhebung der Widerklage und insoweit erfolgter teilweisen Erledigung des Rechtsstreits bleibt weiterhin ein Teil übrig, der zulässig bleibt, weil die Widerklage einen geringeren Betrag betrifft als die negative Feststellungsklage. Der Antrag zu 3. der Klage ist ein ohne weiteres zulässiger Leistungsantrag.

  1. Die Klage ist auch begründet.

Dem Beklagten steht weder ein Anspruch auf (nicht im Wege der Widerklage geltend gemachten) Schadensersatz in Höhe von 2.415,92 € (22.015,92 € abzüglich 19.600,- €) noch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.564,26 € zu. Außerdem hat der Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 1.564,26 € zzgl. Verzugszinsen seit dem 03.06.2020 aus § 97a Abs. 4 UrhG, §§ 286, 288 BGB.

a) Aus den obigen Erwägungen zur Widerklage ergibt sich spiegelbildlich, dass der Beklagte keinen über 1.113,05 € hinaus gehenden Schadensersatzanspruch gegen den Kläger hat. Der Klageantrag zu 1. ist folglich begründet. Dabei war der Klageantrag nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung dahingehend zu korrigieren, dass die Feststellung nur den tenorieren Betrag von 2.415,92 € betrifft.

b) Der Antrag zu 2. der Klage ist ebenfalls begründet, weil der Beklagte gegen den Kläger keinen Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten aus § 97a Abs. 3 UrhG hat, weil die Abmahnung nicht den Anforderungen aus § 97a Abs. 2 UrhG entspricht. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Abmahnung keine Ablichtung oder sonstige eindeutige Konkretisierung des streitgegenständlichen Lichtbilds enthielt und somit die Rechtsverletzung nicht genau bezeichnet war im Sinne von § 97a Abs. 2 Nr. 2 UrhG. Dies genügt bereits, um die Abmahnung unwirksam zu machen. Auf die anderen Einwände des Klägers gegen die Abmahnung kommt es nicht weiter an, sodass weitere Ausführungen entbehrlich sind.

c) Aus den vorstehenden Erwägungen ist auch der Antrag zu 3. der Klage dem Grunde nach begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 97a Abs. 4 UrhG. Mit Blick auf die Höhe hat der Kläger seine erforderlichen Aufwendungen spiegelbildlich zur Höhe der Abmahnkosten berechnet. Dabei hat er einen Gegenstandswert i.H.v. 29.576,18 € und eine 1,5 Geschäftsgebühr angesetzt und einen Betrag von 1.584,26 € berechnet. Mit Ausnahme der fehlerhaften Berechnung der Gebühr begegnet dies im Ergebnis angesichts der Berühmung von Ansprüchen des Beklagten keinen Bedenken. Der Gegenstandswert errechnet sich zwar aus der Höhe der in der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche und zwar Schadensersatz in Höhe von 19.600,- €, dem Unterlassungsanspruch zu 6.000,- € sowie der eigenen Forderung in Höhe von 1.584,26 €, mithin 27.184,26 € (in der Abmahnung geltend gemachte Zinsen in Höhe von 2.415,92 € bleiben als Nebenforderung außer Betracht). Da mit dieser leicht überhöhten Angabe des Gegenstandswerts jedoch kein Gebührensprung verbunden ist, bleibt sie im Ergebnis ohne Folge. Der Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr ist berechtigt. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nach Anmerkung zu Nr. 2400 VV RVG nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig ist. Eine höher festgesetzte Gebühr ist voll durch die Gerichte überprüfbar. In der Literatur wird vertreten, dass im Regelfall bei urheberrechtlichen Angelegenheiten von einem hohen Schwierigkeitsgrad auszugehen sei. Es handelt sich um eine Spezialmaterie, die eine umfassende Einarbeitung eines nicht darauf spezialisierten Anwalts erfordert (Fromm/Nordemann, UrhG § 97a Rn. 41). Ob jede urheberrechtliche Angelegenheit einen hohen Schwierigkeitsgrad hat, lässt die Kammer ausdrücklich offen. Im vorliegenden Fall der Abwehr einer sehr hohen Schadensersatzforderung in einem Fall mit beiderseitigem Auslandsbezug ist dieser hohe Schwierigkeitsgrad jedoch anzunehmen und der Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr angemessen. Jedoch beläuft sich eine 1,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300, 1008 VV RVG auf 1.294,50 € (nicht wie vom Klägerbevollmächtigten in seinem vorgerichtlichen Schreiben errechnet: 1564,26 €). Zuzüglich der Auslagen nach Nr. 7001 und 7002 VV RVG von 20,- € errechnen sich damit Nettogebühren von 1.314,50 €. Der Kläger forderte dabei in seinem Schreiben nur den Nettobetrag. Umsatzsteuer dürfte wegen § 3a Abs. 2 UStG auch nicht anfallen, sodass der Kläger nur den Nettobetrag ersetzt verlangen kann. Dass der Kläger Umsatzsteuer in Deutschland oder der Schweiz gezahlt hat und deshalb auch insoweit Ersatz verlangen kann, hat er nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.

d) Aus dem vorgenannten Betrag kann der Kläger Verzugszinsen gem. § 288 Abs. 1 BGB seit dem 03.06.2020 fordern, weil der Beklagte durch E-Mail seines Rechtsanwalts vom 02.06.2020 die Zahlung von Aufwendungsersatz eindeutig abgelehnt hat (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Über die Kosten des teilweise erledigten Rechtsstreits war im Wege der einheitlichen Kostenentscheidung zu befinden. Diese Kosten hat unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes und nach billigem Ermessen der Beklagte zu tragen. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, hat sich der Beklagte außergerichtlich einer weit überhöhten Schadensersatzforderung berühmt. Die negative Feststellungsklage war insoweit ursprünglich zulässig und begründet und wurde erst durch Erhebung der Leistungswiderklage unzulässig. Auch aus Gründen der Billigkeit ergibt sich keine andere Kostentragung. Soweit der Beklagte mit seiner Klage obsiegt hat, entspricht dies gemessen am Gesamtstreitwert nur einer Quote von ca. 5 %. Demnach ist § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO anwendbar, nach dem bei einem Unterliegen von weniger als 10% die Kosten der insoweit überwiegend unterlegenen Partei insgesamt auferlegt werden können (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, § 92, Rn. 8).

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.

IV. Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 30.04.2021 hat vorgelegen. Dieser bietet keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO im Hinblick auf die Rechtsausführungen, die schriftsätzlich vertieft, von den Parteien aber bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden und von der erkennenden Kammer berücksichtigt worden sind.

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