Entstellung eines Fotos als zulässige Parodie

In dem vom OLG Hamburg zu entscheidenden Fall (Urt. v. 04.12.2014, Az.: 5 U 72/11) begehrte ein selbstständiger Fotograf Schadensersatz wegen der Nutzung eines seiner Ansicht nach entstellten Fotos.

„Promis im Netz auf fett getrimmt“

Im August 2009 wurde von der Betreiberin einer Internetseite unter der Überschrift „Promis im Netz auf fett getrimmt“ ein Bericht über einen Wettbewerb veröffentlicht. Bei diesem Wettbewerb sollten die Teilnehmer Fotos von Prominenten mithilfe eines Bildbearbeitungsprogramms so bearbeiten, dass die abgebildeten Personen als möglichst fettleibig erscheinen. Im Rahmen des Berichts wurden insgesamt 32 derart bearbeitete Fotos gezeigt. Darunter auch die Bearbeitung einer von dem Fotografen gefertigten Aufnahme auf der eine deutsche Schauspielerin abgebildet war.

Während das LG Hamburg (Urt. v. 25.02.2011, Az.: 310 O 233/10) eine Urheberrechtsverletzung bejaht hat, war die Berufungsinstanz anderer Ansicht. Der Senat hat in der öffentlichen Zugänglichmachung der Bearbeitung keine Verletzung des Urheberrechts und damit auch keinen Anspruch auf Schadensersatz gesehen.

Entstellung des Fotos

Im Ausgangspunkt sei zwar in der Bearbeitung eine Entstellung der Fotoaufnahme nach § 14 UrhG zu bejahen, so die Richter. Denn ein Werk zu entstellen heiße, es zu verfälschen oder auch zu verstümmeln, wozu auch die Verzerrung der Wesenszüge des Werkes zähle.

Demnach liege in der hier vorgenommenen Bearbeitung eine Entstellung des Werkes des Fotografen. In den Augen eines unvoreingenommenen Durchschnittsbetrachters stelle die ursprüngliche Fotografie nach ihrem Gesamteindruck eine professionelle Aufnahme dar, auf der eine schlanke junge Frau, die den heute gängigen Schönheitsidealen entspricht, in einer sexuell verführerischen Pose in Szene gesetzt wird.

Der Gesamteindruck der Bildbearbeitung des Teilnehmers an dem Wettbewerb weiche hiervon ersichtlich in ganz erheblichem Maße ab. Bildaufbau, Pose, Bekleidung etc. seien weitgehend unverändert, die Figur der abgebildeten Frau erscheine nun aber durch digitale Bildbearbeitung als ungewöhnlich fettleibig. Die ursprünglich gängigen Schönheitsidealen entsprechende Gestalt der abgebildeten Person werde dadurch nach herkömmlichem, heutigem ästhetischen Empfinden als plump, unschön oder gar abstoßend empfunden. Der Gesamteindruck des Werkes werde damit in sein Gegenteil verkehrt und in erheblichem Maße verzerrt.

Parodie als freie Benutzung zulässig

Diese Entstellung sei nach Ansicht des OLG aber von dem Fotografen hinzunehmen. Die gebotene Interessenabwägung ergebe im vorliegenden Fall, dass die Entstellung nicht geeignet sei, die berechtigten Interessen des Fotografen zu gefährden.

Die Entstellung des Fotos durch den Bearbeiter sei als freie Benutzung gemäß § 24 UrhG, nämlich als Parodie, zulässig. Nach dieser Vorschrift werde derjenige privilegiert, sich an ein fremdes Werk anlehnen zu dürfen, der eine eigene persönliche Schöpfung erbringt. Dies sei hier der Fall, da sich der Bearbeiter gezielt mit dem urheberrechtlich geschützten Werken des Fotografen künstlerisch auseinander gesetzt habe. Zudem weise das bearbeitete Bild nach Auffassung des Senates inhaltlich einen ganz erheblichen parodistischen Charakter auf.

Schon die vordergründige Deutung, dass mit der angegriffenen Bearbeitung die häufig als aufdringlich und selbstverliebt empfundene Selbstdarstellung von Prominenten in der Öffentlichkeit sowie ihre Eitelkeit in – bösartiger – Weise konterkariert und damit gleichzeitig karikiert werden sollte, liege nicht fern. Darüber hinaus könne die Bearbeitung aber auch tiefergehend als ein direkter Kommentar bzw. eine Erwiderung zu dem dargestellten Subtext des Originalbildes und des von ihm repräsentierten ganzen Genres von Frauenbildern verstanden werden. Es sei auch davon auszugehen, dass der Schöpfer der Bearbeitung diese parodistische Wirkung beabsichtigt habe und dass dies das Hauptanliegen seiner Bearbeitung gewesen sei.

(Bild: © kwanchaichaiudom – Fotolia.com)

1 Gedanke zu „Entstellung eines Fotos als zulässige Parodie“

  1. Das hätte man auch anders sehen können. Hat der Bearbeiter sich wirklich gezielt mit dem urheberrechtlich geschützten Werk des Fotografen auseinandergesetzt?

    Für Parodien werden mitunter Promiköpfe aus Fotos ausgeschnitten und in Form von Bildmontagen in anderen Kontext gestellt. Wenn hierfür lediglich irgendwelche passenden Fotos gewählt werden, die schnell oder bequem greifbar sind, liegt m. E. nicht unbedingt eine freie Benutzung der Fotos vor. Man setzt sich hierbei inhaltlich und künstlerisch ja nur mit den Personen und nicht mit den Fotos auseinander.

    In der Urteilsbegründung wird dieser Gesichtspunkt mit wenigen Worten vom Tisch gewischt (Rn 59 … Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von dem vom Kläger angeführten Münchener Verfahren … in dem es nicht um eine parodistische oder kritische Auseinandersetzung mit dem dort als Vorlage dienenden Foto, sondern um eine Auseinandersetzung mit dem jenem Foto zugrunde liegenden Geschehen gegangen war). Auch in dem hier beschriebenen Fall wurden die Fotos verwendet, um ein bestimmtes Phänomen und nicht die Fotos selbst zu parodieren. Die Fotos sind nur ein Hilfsmittel für die Erstellung der Parodie, das wie jedes andere (Pinsel, Schere, Bildverarbeitungsprogramm) bezahlt werden muss. Mit der Argumentation des OLG Hamburg hätte man auch Foto von Jim Rakete nehmen können. Oder hängt die Entscheidung, ob eine Entstellung hinzunehmen ist, vom Bekanntheitsgrad des Fotografen ab? Wahrscheinlich ist das so ;-).

    MfG
    Johannes

    Antworten

Schreibe einen Kommentar