Provokante Collage verletzt keine Rechte

Der Beschuldigte, Geschäftsführer des Hammer Kreisverbandes der Partei „Die Linke“, veröffentlichte eine selbst gestaltete Version eines Wahlplakates auf der von ihm betriebenen Facebookseite „hammerhundefreunde“.

Dazu fotografierte er ein Wahlplakat der FDP ab. Auf diesem waren die Antragstellerin, das Logo der Partei „FDP, Die Liberalen“ und der Werbeslogan:

Das braucht Hamm. Vorfahrt für Arbeit. Jeder Job ist wichtig.

zu sehen.

Bearbeitung des Originalplakates mit Balken

Um die Antragstellerin unkenntlich zu machen, setzte der Beschuldigte einen schwarzen Balken auf ihre Augenpartie. Auch veränderte er den Slogan in:

Das braucht Hamm. Wir treten dafür ein, dass auch Hunde und Katzen geschlachtet werden dürfen.

Mit diesem Spruch spielt der Beschuldigte auf einen Antrag der Jungen Liberalen des Landesverbandes Sachsen-Anhalt an. In dem Antrag wurde die Aufhebung des Schlachtverbots für Hunde und Katzen in Deutschland gefordert.

Dadurch, dass der Beschuldigte Fotograf sei und Produktdesign studiert habe, kam ihm im Alltag diese künstlerische Idee. Ihn habe interessiert, ob die FDP Hamm auch vorhabe, Hunde und Katzen zu schlachten.

Seine Hauptintention war es also, mit der provokanten Collage die Antwort auf die oben genannte Frage und Aufmerksamkeit zu erhalten.

Strafantrag wegen Vergehen nach §§ 187, 194, 52, 59 StGB, §§ 106, 109 UrhG?

Die Staatsanwaltschaft Dortmund beantragte beim Amtsgericht Hamm den Erlass eines Strafbefehls gegen den Beschuldigten. Sie warf ihm Verleumdung und die Verletzung des Urheberrechts vor. Allerdings hatte sie damit keinen Erfolg – das Amtsgericht Hamm lehnte den Erlass eines Strafbefehls ab. Es wurde Sofortige Beschwerde eingelegt.

Meinungsfreiheit mit provokanter Collage nicht überschritten

Auch wenn die sofortige Beschwerde unbegründet sei, hab der Beschuldigte „gefährliches Terrain betreten“ – die Beurteilung bzgl. der vorgeworfenen Straftaten sei grenzwertig. Laut Gericht sei der Beschuldigte nicht hinreichend verdächtig.

Grund für dieses Ergebnis ist die Auslegungsmethode der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Dabei müssen auch die Rechte des Beschuldigten mit in die Prüfung einfließen, sodass vorliegend im Lichte des Art. 5 II GG (Meinungsäußerungsfreiheit) ausgelegt wurde. Art. 5 GG bietet einen großzügigen Spielraum, der es in diesem Fall erlaubt, nicht von Beleidigung, Verleumdung oder der Verletzung anderer Rechte auszugehen.

Auslegung durch Gesamtbetrachtung

Zu betrachten sei weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen; vielmehr ist auf die Betrachtung der gesamten Situation abzustellen.

Es wurde zusammengetragen, dass der Beschuldigte offensichtlich eine Art „Fake-Facebook-Seite“ erstellt habe, um sein Bild öffentlich zu machen. Es ist also erkennbar, dass es sich um einen „üblen Scherz“ des Beschuldigten handelt, der Aufmerksamkeit erreichen und Diskussionsstoff eröffnen will.

Für einen unvoreingenommenen Dritten sei nicht ersichtlich, dass sich die Aussage primär auf die unkenntlich gemachte Anzeigenerstatterin bezieht. Es wird eine Meinung preisgegeben, die nicht auf direkte Weise gegen eine Person gerichtet ist. Die Gesamtdarstellung betrachtend könne somit nicht von einer Beleidigung ausgegangen werden. Dafür sprächen auch die Entfernung des Namens der Anzeigeerstatterin und der schwarze Balken über ihren Augen.

Wurden Kunst- oder Urheberrechte verletzt?

Der Beschuldigte hat durch Veränderung des Wahlplakates ein selbstständiges Werk geschaffen. Ein Verstoß gegen § 24 I UrhG sei somit auszuschließen.

Zu fragen bleibt noch, ob der Beschuldigte die Anzeigeerstatterin hätte um Erlaubnis fragen müssen (§§ 33, 22 KUG). Ohne Einwilligung könnte er gegen das Recht am eigenen Bild verstoßen haben. Allerdings handelt es sich bei der Anzeigeerstatterin um eine Person der Zeitgeschichte. In so einem Fall muss ausnahmsweise keine Einwilligung eingeholt werden. Auch die Vielzahl der Plakate (300 Stück) sprechen dafür, dass vorliegend ein Ausnahmetatbestand zu bejahen ist und keine rechtswidrige Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechtes der Anzeigeerstatterin gemäß §§ 33, 22 KUG vorliegt.

Immer durch Meinungsfreiheit geschützt?

In diesem Fall hat der Beschuldigte die Grenze der Meinungsfreiheit noch gewahrt. Allerdings ist davor zu warnen, den großen Auslegungsspielraum zu sehr auszunutzen. Es handelt sich um Handlungen, die sich ganz nahe an der Grenze zur Straftat befinden.

Vorliegend sprach einiges dafür, das Handeln des Beschuldigten als zulässig auszulegen. Das hätte aber auch schnell in die andere Richtung führen können, wenn nur eine der bestehenden Komponenten anders gewesen wäre.

(Bild: © Kaesler Media – Fotolia.com)

1 Gedanke zu „Provokante Collage verletzt keine Rechte“

  1. Der folgende Satz im Abschnitt „Wurden Kunst- oder Urheberrechte verletzt?“ sollte so nicht stehen bleiben: „Der Beschuldigte hat durch Veränderung des Wahlplakates ein selbstständiges Werk geschaffen. Ein Verstoß gegen § 24 I UrhG sei somit auszuschließen.“

    Nicht jede Benutzung eines fremden Werkes, bei der ein neues selbstständiges Werk entsteht, ist eine freie Benutzung im Sinne des § 24 I. Auch bei zustimmungspflichtigen Benutzungen im Sinne des § 23 entstehen sehr oft – aber hier nicht immer – selbstständige Werke. Für die freie Benutzung ist die Entstehung eines neuen selbstständigen Werkes dagegen eine zwingende Voraussetzung – aber nicht die einzige.

    In Urteilsbegründungen wird die Frage, ob eine freie oder eine zustimmungspflichtige Benutzung vorliegt, zumeist sehr ausführlich behandelt. Das ist hier offenbar nicht geschehen. Vielleicht wurde § 24 I falsch interpretiert.

    MfG
    Johannes

    Antworten

Schreibe einen Kommentar