Die Abbildung von Angeklagten am Fall Zschäpe

Die Darstellung von den wichtigen Beteiligten in einem Prozess, vor allem in Strafprozessen ist immer wieder Thema. Gerade bei brisanten Verhandlungen, an denen der Öffentlichkeit ein gewisses Interesse an der Verfolgung des Geschehens in den Gerichtsräumen nicht abgesprochen werden kann, kommt es immer wieder zu kontroversen Diskussionen um die Darstellung der Beteiligten in den Medien.

In dem aktuell von starkem Medieninteresse geprägten NSU-Prozess in München steht die Angeklagte Frau Zschäpe im Focus der Berichterstattung. Bilder von dieser aus dem Gerichtssaal werden so gezeigt, wie sie aufgenommen worden sind, also unbearbeitet. Ist dies nur eine Ausnahme oder die Regel? Dem soll im Folgenden nachgegangen werden.

Abwägung von Grundrechten

Bei der Berichtserstattung von gerichtlichen Verhandlungen stehen stets mehrere Interessen im Vordergrund, die es abzuwägen gilt. Das verfassungsrechtlich geschützte Berichterstattungsinteresse ergibt sich aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Hier heißt es: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.“ Weiter geht es mit dem Satz: „Eine Zensur findet nicht statt.“ Schon hieraus wird deutlich, dass der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz ein hoher Stellenwert beizumessen ist. Die bildliche Dokumentation des Erscheinens und der Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten im Sitzungssaal sind hiervon jedenfalls erfasst. Wichtig ist, dieses Stadium von der Verhandlung selbst zu unterscheiden. Aufnahmen während der Verhandlung sind jedenfalls zwei Jahren nach dem spektakulären Prozess gegen die Doppelmörderin Vera Brühne 1962 untersagt worden. Grundlage ist heute eine Regelung im Gerichtsverfahrensgesetz (GVG).

Das heißt also, dass vor dem Beginn, nach Schluss der Hauptverhandlung und in den Pausen die Erstellung von Bild- und Tonaufnahmen grundsätzlich der Pressefreiheit unterliegt. Zudem begründen die besonderen Umstände der zur Anklage stehenden Straftaten im Einzelfall ein gewichtiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Dies ist im NSU-Prozess wohl nicht von der Hand zu weisen. Jedoch steht auch den Angeklagten das Recht am eigenen Bild gemäß §§ 22, 23 KunstUrhG zu. Danach ist grundsätzlich nur mit vorheriger Einwilligung des Abgebildeten die Erstellung von Fotos zulässig.

Sitzungspolizeiliche Anordnung

Aber auch aus anderen Gründen kann sich eine Einschränkung der „Rechte der Öffentlichkeit“ ergeben. Der Vorsitzende Richter kann etwa per sitzungspolizeilicher Anordnung nur eine eingeschränkte Abbildung eines bestimmten Verfahrensbeteiligten bestimmen. Nach § 176 GVG obliegt die Aufrechterhaltung der Ordnung dem Vorsitzenden Richter. Eine derartige Anordnung ist beispielsweise möglich, wenn besondere Gefahren für Beteiligte des Verfahrens bestehen. Nach dem Bundesverfassungsgericht ist dies etwa dann der Fall, wenn der Angeklagte Gefahr läuft, eine Stigmatisierung zu erfahren, die ein Freispruch möglicherweise nicht mehr beseitigen kann (so etwa in den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 27.11.2008, Az.: 1 BvQ 46/08 und 20.12.2011, Az.: BvR 3048/11). Hinzu kam in der erst genannten Entscheidung, dass der Angeklagte sich nach Auffassung des Gerichts, nicht uneingeschränkt der medialen Öffentlichkeit stellen wollte. Zudem handelte es sich bei dem Angeklagten nicht um eine Person, die in einer besonderen Weise in der Öffentlichkeit steht. Diese dadurch für die Berichterstatter entstehenden Nachteile sind hinzunehmen, weil die zu befürchtenden Nachteile für den Betroffenen schwerer wiegen.

Der Fall Zschäpe

Zurück zur aktuell Angeklagten Zschäpe. Bei dieser kann schon jetzt von einer Person des Zeitgeschehens gesprochen werden und damit das Recht der Angeklagten am eigenen Bild vor dem Interesse der Öffentlichkeit zurücktreten. Die Reichweite der Tat, die immense Berichtserstattung bereits im Vorfeld des Prozesses und das absolut überragende Interesse der Öffentlichkeit, vermag hier keine „Verpixelung“ zu rechtfertigen. Die Abwägung zwischen dem Schutz der allgemeinen Persönlichkeit der Abgebildeten, die durch §§ 22, 23 KunstUrhG geschützt wird und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit fällt hier zu Gunsten des Informationsinteresses aus.

Abzuwägen sind somit mehrere Faktoren – solche die eine unzensierte Berichterstattung aus dem Gerichtssaal befürworten und solche die diese ablehnen. Trotz unüberhörbarer Kritik an einem überhöhten Schutz der Täter im Vergleich zum Opferschutz, sind die Belange des mutmaßlichen Täters nicht zu vernachlässigen. Dies entspringt nicht zuletzt dem Gedanken der Unschuldsvermutung. Denn solange die Schuld noch nicht bewiesen ist, ist eine Verurteilung nicht möglich. Die Interessen der Öffentlichkeit können stets mit Transparenz überschrieben werden. Ein so großes Medieninteresse wie im NSU-Prozess bildet jedoch im Gerichtsalltag die Ausnahme und ist der enormen Bedeutsamkeit des Falles geschuldet. So dass hier ausnahmsweise das Recht am eigenen Bild und Schutz der allgemeinen Persönlichkeit der Angeklagten zurückzutreten hat.

(Bild: © loya_ya – Fotolia.com)

[box type=“info“ size=“medium“] Dieser Beitrag wurde von Katharina Scharfenberg verfasst. Sie ist Rechtsanwältin für Urheber- und Medienrecht. Rechtsanwältin Katharina Scharfenberg studierte Rechtswissenschaften an der Freien Universität Berlin. [/box]

1 Gedanke zu „Die Abbildung von Angeklagten am Fall Zschäpe“

  1. Da stimmt etwas nicht ganz…
    In den §§ 22 und 23 KunstUrhG geht es ausschließlich um die Veröffentlichung von Fotos und dass dies ggf. zustimmungspflichtig ist. Im Artikel heißt es aber:
    Zitat: „Jedoch steht auch den Angeklagten das Recht am eigenen Bild gemäß §§ 22, 23 KunstUrhG zu. Danach ist grundsätzlich nur mit vorheriger Einwilligung des Abgebildeten die Erstellung von Fotos zulässig.“
    Es ist zwar richtig, dass auch schon das bloße Erstellen eines Bildnisses von der Einwilligung der zu fotografierenden Person(en) abhängig ist, aber das leitet sich aus den allgemeinen Persönlichkeitsrechten ab, die im GG festgelegt sind und nicht aus dem KunstUrhG. Dieses regelt tatsächlich nur die Veröffentlichung.
    Es sollte also in diesem Zusammenhang hier vielleicht besser heißen: „Danach ist grundsätzlich nur mit vorheriger Einwilligung des Abgebildeten die Veröffentlichung von Fotos zulässig.“

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