KG Berlin: Zur Meinungs- und Kunstfreiheit des Films „Unlike U“

Wir hatten bereits über den Ausgang des Verfahrens berichtet. Nun liegt uns der Volltext der Entscheidung des KG Berlin (Urt. v. 25.10.2012, Az.: 10 U 136/12) vor und dieser ist durchaus nennenswert.

Keine Eigentumsbeeinträchtigung

Zunächst einmal setzt sich das Kammergericht mit der Rechtsprechung des BGH auseinander. Demnach kann die Verwertung von Fotos eines fremden Grundstücks und der darauf befindlichen Bauwerke zwar das Grundstückseigentumsrecht gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB verletzten (vgl. BGH, Urt. v. 1712.2010, – V ZR 44/10 und 45/10 -, NJW 2011, 753 ff. und 2011, 749 ff.). Wohl mit entscheidend für das Berliner Kammergericht war, dass nach dem BGH das Eigentum an einem Grundstück durch die Aufnahme und die Verwertung von Fotografien von auf ihm errichteten Gebäuden und auf ihm angelegten Gartenanlagen und Parks beeinträchtigt werden könne, wenn das Grundstück zur Anfertigung solcher Fotografien betreten wird.

Eine solche Verletzung wurde im vorliegenden Fall gerade nicht gesehen. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) würden durch die Aufnahmen nicht an der Nutzung ihres Eigentums gehindert. Denn die Aufnahmen würden insbesondere nicht der optischen Darstellung der im Eigentum der BVG stehenden Betriebsmittel und Betriebsanlagen dienen, sondern Personen zeigen, die in rechtswidriger Art und Weise gegen die im Eigentum der Klägerin stehenden Betriebsmittel vorgehen würden.

Gewichtung der Meinungs- und Kunstfreiheit

Die Klägerin müsse als Hausrechtsinhaberin grundsätzlich nicht hinnehmen, dass gegen ihren Willen Filmaufnahmen gefertigt werden. Allerdings seien heimliche Filmaufnahmen in nicht öffentlich zugänglichen Betriebsräumen auch nicht generell verboten, so das Kammergericht. Insoweit musste eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorgenommen werden. Diese fiel zu Gunsten der Kunst- und Meinungsfreiheit aus.

Allein der Umstand, dass Filmmaterial verwendet würde, dessen Herkunft unklar ist und dessen äußere Gestaltung den Rückschluss auf die Begehung von Straftaten zulässt, begründe noch kein Überwiegen des Interesses der Klägerin an der Untersagung der Veröffentlichung und Verbreitung, so das KG. Eine Veröffentlichung sei daher (nur dann) zulässig, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die tatsächliche Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehe.

Insgesamt trete nach Auffassung der Gerichts angesichts des erheblichen öffentlichen Interesses an dem Thema und der zu berücksichtigenden Umstände das Interesse der BVG an der Nichtveröffentlichung der unter Begehung von Straftaten erstellten Filmsequenzen zurück.

Das Urteil beinhaltet interessante Ausführungen und es wird jedem nahegelegt, sich einmal damit zu befassen (Volltext). Insbesondere wird sich mit der Problematik der Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Materialien beschäftigt.

(Bild: © antikarium – Fotolia.com)

2 Gedanken zu „KG Berlin: Zur Meinungs- und Kunstfreiheit des Films „Unlike U““

  1. Der BGH hat in seinen Entscheidungen „Preußische Schlösser und Gärten“ nur das unbedingt nötigste gesagt, um diese zu rechtfertigen. Und daran haben die Instanzgerichte jetzt zu knacken. Im Urteil des KG Berlin heißt es: „Die Klägerin beabsichtigt nach ihrem eigenen Vortrag nicht, die streitgegenständlichen Aufnahmen der Verkehrsmittel und/oder Betriebsanlagen kommerziell zu verwerten. Die Klägerin wird daher durch die streitgegenständlichen Aufnahmen – anders als in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen – nicht an der Nutzung ihres Eigentums gehindert.“ Die Antwort auf Frage, ob eine Eigentumsverletzung vorliegt, wird davon abhängig gemacht, ob der Eigentümer sein Eigentum selbst kommerziell nutzt. Ich glaub, das gilt nicht einmal für Sperrmüll und das hat der BGH so auch nicht gewollt.

    Irritierend – zumindest auf den ersten Blick – ist auch der Satz: „Jedoch stellt auch die Verwendung von aus der “Szene” stammenden, und unter Verstoß gegen das Hausrecht der Klägerin entstandenen Aufnahmen – einen zumindest mittelbaren Eingriff in das Hausrecht der Klägerin dar.“ Man muss m. E. unterscheiden, ob mit der Veröffentlichung der Aufnahmen der Hausfrieden gestört wird, oder ob bei deren Herstellung lediglich gegen eine Bestimmung einer Hausordnung verstoßen wurde, mit der der Hausherr erreichen möchte, dass nur er Aufnahmen von seinem Anwesen verbreiten kann. Wenn auch in zweiten Fall, die Verwendung von unter Verstoß gegen die Hausordnung entstandener Aufnahmen durch einen Dritten einen mittelbaren Eingriff in das Hausrecht darstellen kann, hätte sich der BGH bei den Schlossfoto-Urteilen den Rückgriff auf die Eigentumsverletzung sparen können.

    In der Begründung versucht das KG Berlin bezogen auf die Schlossfoto-Urteile des BGH, etwas zu erklären, was man nicht erklären kann. Tatsächlich wurde hier die „Lex Wallraff“ angewandt, nach der „auch die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen vom Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) umfasst“ werden kann (vgl. http://www.heise.de/tp/blogs/6/153905).

    MfG
    Johanes

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  2. Ich finde das Urteil sehr gut. Ich verstehe sowieso nicht, wieso man sich darüber aufregen muss. Als hätten sie irgendwelche Nachteile von diesem Film. Ganz im Gegenteil. Sogar vorteilhaft könnte es sein!

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