EGMR zum Verhältnis von Urheberrecht und Pressefreiheit

Egal ob Texte geschrieben oder Bilder genutzt werden. Die Presse hat in ihrer täglichen Arbeit das allgemeine öffentliche Interesse gegen die Interessen der Personen, über die berichtet wird, oder die auf einem Bild zu sehen sind, abzuwägen. Je größer das öffentliche Interesse, desto eher darf berichtet werden; die Pressefreiheit darf schließlich nicht zu kurz kommen.

Urheberrecht als Notlösung

Um sich dennoch gegen eine Veröffentlichung zu wehren, wird zu anderen Mitteln gegriffen. Wo das Persönlichkeitsrecht nicht mehr hilft oder anwendbar ist, muss das Urheberrecht herhalten. In der FAZ werden Beispiele genannt, in denen das Urheberrecht entsprechend genutzt wurde: Die Ergo gegen die Verlagsgruppe Handelsblatt wegen interner Revisionsprotokolle oder Günther Grass gegen die FAZ wegen Auszügen aus zwei älteren Briefen.

Als wegweisend für diese Praxis wird die Gies-Adler Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus 2003 (Az.  I ZR 117/00) gesehen. Darin wurde dem Urheberrechtsgesetz eine abschließende Regelung der aus dem Urheberrecht fließenden Befugnisse bescheinigt. Für eine außerhalb der urheberrechtlichen Verwertungsbefugnisse sowie der Schrankenbestimmungen der §§ 45 ff. UrhG angesiedelte allgemeine Güter- und Interessenabwägung sei kein Raum.

Pressefreiheit muss (mehr) Beachtung finden

Das Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) ist eindeutig (Nr. 36769/08 vom 10. Januar – Ashby Donald gegen Frankreich; Sprache: Französisch). Die freie Meinungsäußerung sei eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft. Sie sei eine der Grundvoraussetzungen für ihren Fortschritt und für die Entwicklung eines jeden.

Die Europäische Menschenrechtskonvention schütze das geistige Eigentum nicht uneingeschränkt, so der EGMR. Vielmehr müsse das Recht des Urhebers in jedem Einzelfall gegen die Meinungs- und Informationsfreiheit der Medien und ihrer Nutzer abgewogen werden.

In dem vorliegenden Fall ging es um Fotos, die auf einer Website zu kommerziellen Zwecken veröffentlicht wurden. Das Gericht deutete an, dass es zwar ein gewisses Interesse an „Haut Couture Mode“ und Fotos davon gäbe. Die Veröffentlichung sei jedoch nicht im Rahmen einer öffentlichen Debatte geschehen. Eine Verletzung der durch Art. 10 der EMRK geschützten Meinungsfreiheit scheide somit aus, weil ein über das letztlich kommerzielle Interesse kein überwiegendes Informationsinteresse festgestellt werde konnte. Die Urheberrechtsverletzung war schwerwiegender.

Damit deutet das Gericht jedoch gleichzeitig an, dass eine Verletzung der Meinungsfreiheit durchaus möglich sei, wenn es sich um eine solche „Debatte von öffentlichem Interesse“ handele. Wie z. B. ein Bericht über die Magersucht von Models o.ä. und die Fotos quasi als Beweis dienen würden.

Daher ist zu vermuten, dass die Pressefreiheit bei Urheberrechtsverstößen nun größere Beachtung finden wird.

(Bild: © Torbz – Fotolia.com)

1 Gedanke zu „EGMR zum Verhältnis von Urheberrecht und Pressefreiheit“

  1. Damit kein falscher Eindruck entsteht. Die Mode ist ein klassisches Beispiel für den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit in unserem Rechtssystem. Zitat aus Schricker/Loewenheim: „Die Anforderungen an die künstlerische Gestaltungshöhe dürfen nicht zu niedrig angesetzt  werden; der Großteil der Modelle verdient keinen Urheberrechstschutz (Ulmer § 25 III 3; v. Gamm § 2 Rdnr. 21).“ Und auch wenn vom wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz für den Zuschnitt von Kleidern die Rede ist, darf nach herrschender Meinung schon nach einer oder zwei Saisons fleißig kopiert werden.
    MfG
    Johannes
     

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