OLG Hamburg zur Übernahme von Werkteilen einer Collage

Was war geschehen

Eine Werbeagentur klagt gegen einen gemeinnützigen Verein der mittels Spendensammlungen Hilfsmaßnahmen unter anderem in Katastrophengebieten unterstützt. Die Werbeagentur wurde ursprünglich um Motivvorschläge gebeten. Die Motivvorschläge bestanden jeweils aus einem Schwarz-Weiß-Foto von Menschen und einer optisch durch Schattenwurf auf das jeweilige Foto gesetzten Abbildung einer roten Notbremse. Die Klägerin übersandte dem Beklagten zudem ein Exposé zur professionellen Unterstützung bei einer Imagekampagne.

Der Verein teilte der Agentur schließlich per E-Mail mit, dass er sich gegen eine Beauftragung der Agentur entschieden habe. Dies hielt den Verein jedoch nicht davon ab, im Jahr 2007 ein Plakat für seine neue Spenden-Kampagne vorzustellen; darauf war in Farbe eine größere Menschenmenge und im Vordergrund ein Junge abgelichtet. Auf dieses Foto ist ein roter Feuermelder mit Schattierungen aufgesetzt.

Die Agentur hielt dies für eine unzulässige Nutzung ihrer dem Verein vorgelegten Collagen. Bei der erforderlichen Einschätzung sei von dem Gesamteindruck der Werke auszugehen. Beide Collagen würden jeweils vor einem düsteren, farblosen bzw. blass-farbigen Bild einer Not- bzw. Hungersituation ein rotes, durch Schattenbildung aus dem Bild herausragendes rotes Notsignal. Dies würde eine maßgebliche Übereinstimmung darstellen.

Das Landgericht und Oberlandesgericht Hamburg sahen das anders.

Das Urteil des OLG

Es wird bereits bezweifelt, dass die Montagen die erforderliche Schöpfungshöhe besitzen. Aufgrund dieser Zweckgebundenheit der Montagen seien diese (nur) dann als Werke der angewandten Kunst nach § 2 I Nr. 4, II UrhG anzusehen, wenn sie über den hierfür erforderlichen Grad der Schöpfungshöhe, d. h. den erforderlichen Grad der Individualität, verfügen würden (Anm. d. Red.: die Verfassungsmäßigkeit dieser Voraussetzung wurde bereits vom BVerfG entschieden).

Selbst wenn die Schöpfungshöhe bejaht werden würde, sei der Grad der Eigenheit/Individualität nur sehr gering, so das OLG:

„Während die Idee einer solchen Verbindung von 2 Fotos in dem gewählten Zusammenhang als überzeugend erscheint, ist die Form der Gestaltung dieser Verbindung jeweils eines schwarz/weißen Fotos von Menschen mit einem Foto einer roten Notbremse, die für die Frage, ob Werkcharakter vorliegt, maßgeblich wäre, als eher naheliegend einzuordnen. Der in der jeweils gewählten Gestaltung ersichtliche Schattenwurf, der zu der Betonung und Heraushebung der abgebildeten Notbremse führt, fällt erst bei näherer Betrachtung auf, und begründet allenfalls eine nur geringe Eigenartigkeit der als Klagemuster vorgelegten Gestaltungen.“

Darauf nicht weiter eingehend wäre die Klage jedenfalls deswegen verfehlt, weil der Verein die Montage in freier Benutzung (§ 24 I UrhG) des geschützten Werkes geschaffen hat. Eine freie Benutzung nach § 24 I UrhG liegt dann vor, wenn angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen (näheres dazu hier). Wieso die Richter ein „Verblassen“ hier annahmen wird ausführlich beschrieben. Im Grunde genommen wird ausgesagt, dass ohne Zweifel die Idee und das Thema geklaut wurden – nur sei eine Idee nicht schützenswert:

Ähnlich wie bei dem benutzten älteren Werk der Klägerin ist bei dem Bild des Beklagten ein Foto und ein darauf – aufgesetztes – Foto eines Feuermelders erkennbar. Hierin erschöpfen sich aber bereits die zwischen dem älteren Bild der Klägerin und dem neueren Werk des Beklagten bestehenden Gemeinsamkeiten. Im Gegensatz zum benutzten Werk bildet bei dem Verletzungsmuster, soweit dieses auf der von der Klägerin eingereichten Anlage K 7 überhaupt erkennbar wird, eine Fotografie den Hintergrund, auf welcher eine größere Menschenmenge in farblicher Ausgestaltung gezeigt wird. Im Vordergrund dieser Fotografie ist – ebenfalls farblich gezeigt – deutlich ein Junge abgebildet. Weiterhin ist neben diesem Jungen die Abbildung eines roten Feuermelders zu sehen, welcher optisch durch einen seitlichen schmalen Schattenwurf wie aufgesetzt erscheint. Der Name des Beklagten erscheint nicht wie bei den Klagemustern auf dem Notsignal, sondern in farblicher hervorgehobener, prägender Stellung in der rechten oberen Ecke. Dort ist auch das farbig dargestellte Signet des Beklagten zu erkennen so wie offenbar noch weitere, auf der Anlage K 7 nicht lesbare Angaben. Ähnlich wie bei den Klagemustern ist in Anbetracht der gezeigten bildlichen und letztlich austauschbaren Versatzstücke der Grad der Individualität als eher gering einzustufen.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass – wie oben gezeigt – bei den älteren Werken der Klägerin und dem Werk des Beklagten in ähnlicher Weise allenfalls eine geringe Schöpfungshöhe festzustellen ist, gewinnen die gezeigten erheblichen Unterschiede in der Ausgestaltung der gegenüber stehenden Muster an Bedeutung. Diese sind im Gesamteindruck für den für Kunst empfänglichen Durchschnittsbetrachter (vgl. Schricker/Loewenheim a. a. O. § 2 Rdn. 139) derart deutlich, dass selbst bei Anlegung eines strengen Maßstabes die die geringe Individualität begründenden Eigenarten der Klagemuster hinter den mit dem Bild des Beklagten gewählten Eigenarten im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung verblassen. Der Betrachter wird nach Auffassung des Senates beim Betrachten des Bildes des Beklagten auch nicht an die Entwürfe der Klägerin erinnert, da die Darstellungen trotz gewisser Ähnlichkeiten deutlich unterschiedlich sind. Nach Auffassung des Senates ist somit in Übereinstimmung mit dem Landgericht daher eine freie Benutzung im Sinne von § 24 I UrhG zu bejahen.

Anmerkung

Wo ein „Ideen-Klau“ oder eine „Inspiration“ aufhört und wo eine unerlaubte Werkübernahme anfängt, wird die Gerichte auch in Zukunft beschäftigen. Die Abgrenzung bleibt eine Einzelfallentscheidung. Dass eine reine Idee nicht schützenswert ist, ist jedenfalls zu begrüßen und entspricht sowohl der gängigen Rechtsprechung wie auch dem Gedanken des Gesetzgebers. Wie schwer sich die Richter damit tun, zeigt z. B. ein Urteil aus England, das einem Ideenschutz schon sehr nahe kommt. In Deutschland kam die Diskussion letztmalig auf, als die Denkerpose von Helmut Kohl das Cover des Focus zierte.

Auch hier stellt das OLG darauf ab, dass die Bilder an sich nur wenige Gemeinsamkeiten aufweisen und der Betrachter die Unterschiede deutlich erkennt. Bei mehr Gemeinsamkeiten hätte das Urteil durchaus anders ausfallen können.

 (Bild: © Marko Ginster – Fotolia.com)

1 Gedanke zu „OLG Hamburg zur Übernahme von Werkteilen einer Collage“

  1. Herzlichen Dank für Eure Arbeit! Da ich mich als Laie total hilflos dieser Juristerei ausgesetzt sehe, gibt mir die Möglichkeit, mich „fortzubilden“ ein enormes Gefühl an Sicherheit!
    Die Rechtsanwalttätigkeit sollte wieder mehr auf den Boden des normalen Lebens zwischen Menschen zurück kehren. Unrecht erzeugt bei uns „Kleinen Menschen“ das Leben in gefühlter Hilflosigkeit: und wie werden Menschen (ganze Familien, deren Jugendliche vor allem???) – die sich hilflos einer „Abzockerindustrie“ ausgeliefert fühlen (subjektiv meistens): sie werden zu Gemeinheiten …zurückgreifen und unter Umständen sich auch dem „Recht des Stärkeren = Faustrecht ohne Recht“ anschließen oder sich dem unterwerfen!
    Das ist meine Meinung! Das Urheberrecht ist wichtig: aber die „Rechtssprechung und die SUCHE nach meinem Recht…“ sollten wieder zu einer „Verhältnismässigkeit“ zurück kehren!

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