Generalanwalt Yves Bot: Funktionalitäten eines Computerprogramms ebenso wie die Programmiersprache nicht durch das Urheberrecht schützbar

Im vereinigten Königreich kam es zu dem Streit darüber, inwieweit die Funktionalität eines Computerprogramms durch einen Konkurrenten übernommen wurde und ob dagegen im Wege der Klage vorgegangen werden konnte. 

In seinen Rechten verletzt fühlte sich das SAS-Institute Inc. durch die Schaffung eines konkurrierenden Programms, ähnlich dem SAS-System, durch die World Programming Limited (WPL). Dieses Programm bildet in etwa die gleiche Funktionalität ab und kann mit den Daten, die aus dem SAS-System stammen, umgehen. Das die Software selbst eine Art Entwicklerumgebung darstellt, in der mithilfe einer separaten Programmiersprache Skripte erstellt werden können, macht das Problem umso komplexer.

Der High Court of Justice, eines der obersten Gerichte in England und Wales, bei dem die Klage anhängig ist, legte dem Gerichtshof der europäischen Union nun einige Fragen zur Vorabentscheidung vor, um den Umfang des rechtlichen Schutzes durch das Unionsrecht und insbesondere die Richtlinie 91/250/EWG zu präzisieren.

Am 29. November legte Generalanwalt Yves Bot seine Schlussanträge vor. Diese Schlussanträge dienen dem Gericht als ein Entscheidungsvorschlag, müssen aber nicht übernommen werden.

Schutz von Funktionalität

Bei der Frage, ob die Funktionalität eines Computerprogramms durch das Urheberrecht geschützt werden kann, geht Bot davon aus, dass diese zunächst als Gesamtheit der Möglichkeiten eines Computerprogramms, also als Leistung, definiert werden muss.

Da die Funktionalität damit jedoch sehr nah an Ideen liegt, kommt ein urheberrechtlicher Schutz nicht in Frage. Würde der Funktionalität eines Computerprogramms ein derartiger Schutz zugesprochen, wären Ideen monopolisierbar und die technische Entwicklung würde gebremst.

Schutzfähig hingegen soll die Konkretisierung von Funktionalität eines Programmes sein, d.h. die Art und Weise wie die Programmiersprache verwendet wurde um die gewünschten Funktionen umzusetzen. Diese könne durchaus Ausdruck persönlich geistiger Schöpfung und damit dem Urheberrechtsschutz zugänglich sein.

Schutz der Programmiersprache

Die Programmiersprache selbst sieht der Generalanwalt allerdings nicht als schutzfähig an und setzt sie der Sprache eines Romanautors gleich. Sie ist vielmehr das Mittel zum Ausdruck, nicht jedoch die Ausdrucksform selbst und damit ebenfalls nicht durch das Urheberrecht schützbar.

Für den konkreten Fall würde diese Ansicht bedeuten, dass dass britische oberste Gericht herausfinden müsste, inwieweit WPL schutzfähige Elemente des SAS-Systems übernommen und vervielfältigt hat.

Ebenfalls geäußert hat sich der Generalanwalt zu der Frage, ob es WPL erlaubt war, den Code von SAS zu vervielfältigen oder die Codeform des SAS-Datenformats in sein Programm zu übernehmen, um die Interoperabilität zu gewährleisten.

Dies sei unter zwei Voraussetzungen zulässig:

Zum einen muss ein solches Agieren unerlässlich sein um die erwähnte Interoperabilität, also die reibungslose Zusammenarbeit, zu erreichen. Lassen sich ansonsten keine Daten austauschen, kann die Vervielfältigung zulässig sein.

Als zweite Voraussetzung darf diese Handlung allerdings nicht dazu führen, dass der Benutzer den Code in eigenen Programmen vervielfältigen kann.  Das Vorliegen dieser zwei Voraussetzungen sind vom High Court of Justice nun zu prüfen.

Auch wenn sich dieser Fall in Großbritannien abspielt, hat der Schlussantrag bzw. die Entscheidung des europäischen Gerichts gleichermaßen große Auswirkungen auf vergleichbare Fälle in Deutschland. Deutsche Gerichte werden sich in aller Regel an den europäischen Vorgaben orientieren und unter entsprechender Berücksichtigung entscheiden.

(Bild: © WoGi – Fotolia.com)

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