In der letzten Woche kamen interessente Anregungen, sich einmal mit dem Thema Werbeplakaten zu beschäftigen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der Panoramafreiheit: inwiefern darf man Werbeplakate fotografieren und die Fotos verwerten.
Fiktiver Fall
Ein Plakat ist am Fahrbahnrand einer Straße an eine Werbetafel geklebt. Nun wird ein Foto gemacht und veröffentlicht; darauf zu sehen ist als Hauptmotiv genau dieses Werbeplakat.
Das Urheberrecht
Um gegen eine ungewollte Veröffentlichung/Verbreitung eines Bildes vorzugehen, muss zunächst einmal das Werbeplakat bzw. Elemente die darauf zu sehen sind, urheberrechtlich geschützt sein. Es muss also zumindest die schöpferische Höhe erreicht worden sein.
Der Fotograf des Bildes könnte versuchen, sich auf die Panoramafreiheit zu stützen. Die Frage, die sich dann stellt ist, ob dies überhaupt möglich ist. Hier stellt sich der Sinn und Zweck des § 59 UrhG gegen die Grundsätze des Urheberrechts.
Sinn und Unsinn der Panoramafreiheit
Einerseits soll dem Urheber eine Vergütung bei Verwertung seiner Werke zustehen. Andererseits muss einem Fotografen eingestanden werden, dass er „von der Straße aus“ frei fotografieren können muss, ohne belangt zu werden.
Sobald ein Werbeplakat für jeden frei sichtbar in der Öffentlichkeit hängt, muss man dies auch fotografieren können. Denn genau das soll die Panoramafreiheit schützen. Etwas anderes wäre sinnwidrig. Würde jemand ein einzelnes Haus fotografieren käme kaum einer auf die Idee, dies mit der Panoramafreiheit als nicht vereinbar darzustellen. Dies kann man zweifelsohne anders sehen, zumal wenn das Werbeplakat als Hauptmotiv eindeutig zu erkennen ist. So ist es jedoch noch immer als Werbeplakat als solches zu erkennen.
Etwas anderes kann sich allerdings ergeben, wenn man die Quelle des Bildes nicht mehr erkennt, es also tatsächlich als „quasi-originale Kopie“ des ursprünglichen Werkes anzusehen ist. Hierfür muss dann der Einzelfall betrachtet werden.
Das Merkmal „bleibend“
So weit so gut – wenn nicht jedenfalls das Merkmal „bleibend“ im § 59 UrhG wäre. So schön die oben dargestellte Argumentation auch ist, kann der Urheber weiterhin auf seinem Recht beharren.
Man erinnere sich an den Fall vor dem BGH (Az.: I ZR 102/99 – bzw. vor dem LG Berlin), in dem es um den verhüllten Reichstag ging. Solange ein Werk sich nicht „bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen“ befindet, darf es auch nicht verwertet werden. Ein Bild für die private Bildersammlung ist kein Problem, die Veröffentlichung/Verbreitung hingegen schon.
Der BGH führte damals folgendes auf:
Für das Merkmal “bleibend” sei maßgebend auf den Willen des Berechtigten abzustellen. Ein Kunstwerk, das für die gesamte Lebensdauer an einem öffentlichen Standort errichtet sei, befinde sich dort bleibend, auch wenn diese Lebensdauer aufgrund des Materials, aus dem das Werk geschaffen sei, eingeschränkt sei. In einem solchen Fall habe der Berechtigte das Werk der Öffentlichkeit durch die Aufstellung an einem öffentlichen Ort für die Zeit seiner natürlichen Lebensdauer gewidmet. Anders verhalte es sich aber, wenn der Berechtigte die Zeit der öffentlichen Aufstellung von vornherein auf einen Zeitraum begrenze, der kürzer als die natürliche Lebensdauer des Werkes sei. Dann befinde sich das Werk nicht bleibend an dem öffentlichen Standort, sondern sei nur vorübergehend der Öffentlichkeit gewidmet. Unerheblich sei dabei, ob das Werk nach seiner Entfernung fortbestehe oder ob es im Zuge der Deinstallation zerstört werde.
Da stellt sich die Frage der „natürlichen Lebensdauer“ von Werbeplakaten. Man kann aber davon ausgehen: solange Werbeplakate nur vorübergehend aufgehängt werden, darf ein Foto davon in der Regel nicht verwertet werden.
(Bild: © zhu difeng – Fotolia.com)
Hallo Herr Erbacher,
bitte daran denken, dass die Panoramafreiheit in Portugal andere Regelungen enthalten kann, als in Deutschland. Sofern sich das Merkmal „bleibend“ auch dort wiederfindet muss die Frage gleichfalls gestellt werden und es dürfte sich im Grundsatz an dem orientieren, wie im Beitrag geschrieben wurde. Der Einzelfall müsste dann geprüft werden.
Hallo Herr Wagenknacht,
Ihr Beitrag oben mit dem Beispiel des Werbeplakates zielt in der Diskussion um Panoramafreiheit u.a. auf das Merkmal „bleibend“ ab. Wenn ich nun das gezeigte Wartehäuschen fotografieren (und das Foto veröffentlichen) möchte, werde ich kaum Gelegenheit haben, das Wartehäuschen ohne Werbeplakat zu fotografieren (da die Werbeunternehmen immer irgendein Plakat hinhängen werden), obwohl ein bestimmtes Plakat nicht „bleibend“ wäre.
Damit könnte die mir zustehende „Panormafreiheit“ leicht ausgehebelt werden.
Muss das Merkmal „bleibend“ in einem solchen Fall nicht anders interpretiert werden?
Hallo Herr Henselmann,
Sie zielen auf eine andere gesetzliche Bestimmung ab, das „Beiwerk“ nach § 57 UrhG. Danach ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken zulässig, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind. Das kann auch auf das Foto zutreffen, wie von Ihnen beschrieben – solange das Plakat als Beiwerk zu klassifizieren ist.
Hallo Herr Wagenknecht,
danke für die Antwort. Ich hatte tatsächlich den §57 UrhG mit im Kopf, der aber nach dem BGH Urteil vom 17.11.2014 – I ZR 177/13 sehr eng auszulegen ist: „Darüber hinaus ist ein Werk als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG anzusehen, wenn ihm nach den Umständen des Einzelfalls keine auch noch so geringfügige inhaltliche Beziehung zum Hauptgegenstand der Verwertung zuzubilligen ist, sondern es durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit für diesen ohne jede Bedeutung ist. Eine derart nebensächliche Bedeutung kann dem mitverwerteten Werk regelmäßig nicht mehr zugewiesen werden, sobald es erkennbar stil- oder stimmungsbildend oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreichend in das Hauptwerk oder den eigentlichen Gegenstand der Verwertung einbezogen wird, einen dramaturgischen Zweck erfüllt oder sonst – etwa für eine Film- oder Theaterszene – charakteristisch ist.“
Auf welches öffentlich gezeigte Werbeplakat trifft das sicher nicht zu, wo Werbung doch meist „stimmungsbildend“ sein will? Und zugegebenermaßen ist das Wartehäuschenfoto mit rausretuschiertem Werbeplakat, wie Sie es oben zur Illustration dieser Seite treffend verwendet haben, für ein „normales“ Wartehäuschen-Foto ziemlich unschön.
Ein Werbeplakat-Urheber könnte sich also immer auf „nicht bleibend“ nach §59 und „stimmungsbildend“ nach §57 UrhG berufen. Ein Wartehäuschen-Foto dürfte somit nie genutzt werden.
„Nie“ würde ich nicht sagen. Aber ja, es kommt immer auf die konkrete Nutzung an; ggf. greift auch eine andere Ausnahme.
Hallo Herr Wagenknecht,
ich möchte ein Wahlkampfmaterial der CDU aus dem Jahr 1999 „Was kostet uns der Euro“ auf einen Artikel einbrennen und diesen verkaufen.
Darf ich das machen?
Hallo Herr Anders,
ja, wenn es eine Berechtigung wie das Zitatrecht, die Panoramafreiheit, oder eine Lizenz gibt. Aber immer auch die Urhebernennung beachten.
Beste Grüße
Florian Wagenknecht
Hallo Herr Wagenknecht,
wie sieht es mit Kinoplakaten aus, wenn man Sie in einem Buch veröffentlichen will.
Beschrieben werden auch die Geschichten der Filmplakate in Zusammenhang mit Coaching und Meditation…
Hallo Her/Frau nil,
in dem Fall kann sowohl die Panoramafreiheit (wenn das Plakat „draußen“ fotografiert wurde) oder die Zitatfreiheit greifen.
Herzliche Grüße
Florian Wagenkencht