Eltern, Kinder und die liebe Haftung – ein Wirrwarr im Urheberrecht

Wer kennt es nicht. Überall wird einem eindringlich erklärt: „Eltern haften für Ihre Kinder“. Dass dies so pauschal großer Unsinn ist, sollte man zumindest mal gehört haben. Aber wie sieht das im Internet mit Urheberrechtsverletzungen aus. Hafte ich für meine Kinder? Kann mein Sohn/meine Tochter gar selbst belangt werden, wenn er/sie Bilder und Videos rechtswidriger Weise hochgeladen hat?

Die Heilige Kuh des BGH

Ein Minderjähriger ist die „Heilige Kuh“ des BGH. Das lernt jeder Jurist schon im ersten Semester. Soll heißen, dass Entscheidungen im Zweifel eher zu Gunsten von Minderjährigen ausfallen. Aber auch Eltern müssen beispielsweise nicht zahlen, wenn das Kind Verträge (im Internet) abschließt. Meist handelt es sich dann um sogenannte „schwebend unwirksame Verträge“.

Ausnahme – oder: wann der Minderjährige haftet

Das gilt jedoch nicht, wenn der Minderjährige bei jemandem (selbstverantwortlich) einen Schaden verursacht. Juristisch wird ihm dann deliktisches Handeln vorgeworfen. Deliktisches handeln ist gegeben, wenn der Jugendliche

nach seiner individuellen Verstandesentwicklung fähig ist, das Gefährliche seines Tuns zu erkennen und sich der Verantwortung für die Folgen seines Tuns bewusst zu sein, oder anders ausgedrückt, wenn der die Fähigkeit besitzt, das Unrecht seiner Handlung gegenüber Mitmenschen und zugleich die Verpflichtung zu erkennen, in irgendeiner Weise für die Folgen seiner Handlung selbst einstehen zu müssen. (LG München, Az. 7 O 16402/07)

Die Deliktsfähigkeit eines Minderjährigen ist bereits denkbar, wenn der Minderjährige mindestens sieben Jahre alt ist. Ausschlaggebend ist § 828 BGB. Der Minderjährige kann sich dann nur noch damit rechtfertigen, dass er beispielsweise nicht vorsätzlich gehandelt hat, keine Einsichtsfähigkeit hatte, oder die geistige Reife bzw. das Unrechtsbewusstsein nicht vorhanden war. Allerdings wird bereits von 14- oder 15-Jährigen verlangt, dass diese sich über die Rechte zur Nutzung von fremden Werken vergewissern.

Deliktische Handlungen im Urheberrecht

Das LG und das OLG München haben damals eine Haftung eines minderjährigen Mädchens bejaht, welches Fotos in Videos im Internet auf MyVideo veröffentlicht hatte.

Eine höchstrichterliche Rechtsprechung liegt zwar noch nicht vor, doch hat der BGH (Az. I ZA 17/10)  seine Tendenzen mehr als deutlich offengelegt. In einem Beschluss über Prozesskostenhilfe wurde entschieden, dass Musik Up- und Downloads keine rechtsgeschäftlichen Tätigkeiten eines Minderjährigen seien. Es handele sich um eine Haftung für ein deliktisches Verhalten, nämlich eine Verletzung fremder Urheberrechte.

Damit steht mehr oder weniger fast: bei Urheberrechtsverletzungen haftet der Minderjährige selbst. Er kann selbst unter anderem für Unterlassungserklärungen und Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Das sollte für Musik gleichermaßen wie für Bilder und Videos auch gelten.

Haftung der Eltern

Etwas kompliziert sieht es bei der Haftung (auch) der Eltern aus. Das ist und bleibt wohl noch eine Weile Grund für heftige Diskussionen.

Grundlage ist jedenfalls der § 832 BGB. Es geht um die Aufsichtspflicht der Eltern (ergibt sich aus §§ 1626 ff., 1671 ff, 1757, 1765 BGB).

Das OLG München beispielsweise ging entgegen der Ansicht des LG damals noch davon aus, dass Eltern nicht haften müssen, wenn das Kind Bilder in Videos auf fremden Seiten (MyVideo) einstellt. Denn aufgrund ständig wechselnder Änderungen insbesondere im Urheberrecht sei es derart kompliziert, so dass von Eltern nicht verlangt werden könne, die Tochter anständig zu belehren und zu überwachen.

Ob sich diese Argumentation jetzt allerdings noch halten lässt, ist eher fraglich. Dies zeigen insbesondere die häufig auftretenden „Filesharing“-Fälle. Auch dabei geht die Tendenz eher dahin, dass die Eltern bei Urheberrechtsverletzungen (mit-)haften müssen, wenn Sie die Kinder nicht belehren, nicht regelmäßig überwachen und auch nicht einmal den Computer überprüfen. Warum da ein Unterschied gemacht werden sollte, wenn statt Musik und (Kino)Filmen fremde Bilder verbreitet werden, erscheint nicht ersichtlich.

Bis dato schweigt sich der BGH noch aus. Die Haftung der Eltern muss allerdings dahingehend bemängelt werden, dass man Kindern einen gewissen Freiraum geben muss. Eine Belehrung ist natürlich notwendig, jedoch kann nicht unbedingt verlangen, die Privatsphäre der Kinder regelmäßig zu durchbrechen und den PC zu überprüfen. Das wäre etwas anderes, wenn sich widerrechtliches Handeln andeutet. Auch ist die Argumentation des OLG München nicht so ganz verkehrt, wenn man das Urheberrechtsgesetz als zu undurchsichtig erachtet.

Am Ende bleibt …

Dass Eltern prinzipiell haften ist schlicht falsch. Im Zweifel sollte man jedoch davon ausgehen, dass man ebenso zur Kasse gebeten wird. Da kann vorher ein Gespräch mit den Kindern und hier und da ein Blick auf deren PCs nicht schaden. Das sollte auch im Sinne des Kindes sein, sofern es selbst in Haftung genommen werden kann. Sollte dann eine Abmahnung ins Haus flattern, ist wie so oft der Gang zum Anwalt ratsam.

(Foto: © mischu11 – Fotolia.com)

3 Gedanken zu „Eltern, Kinder und die liebe Haftung – ein Wirrwarr im Urheberrecht“

  1. So, wie es da steht („Eltern haften für Ihre Kinder“), ist es sowieso Blödsinn. Was einmal mehr zeigt, mit welcher Gedankenlosigkeit dieser Satz immmer wieder kopiert wurde – sogar vom Autor dieses Artikels. (Wenn „Ihre“, wie hier und inzwischen im Großteil aller Fälle, groß geschrieben wird, heißt es für mich als persönlich Angesprochenem nichts weiter, als dass irgendwelche Eltern für meine Kinder haften. Man sieht es in der Tat sehr selten richtig geschrieben.)

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  2. Hallo Herr Wagenknecht,

    dieser Artikel ist sehr aufschlussreich. Doch wie verhält es sich denn andersrum?
    – Wenn die Eltern Prozesskostenbeihilfe beantragen, in diese gleich die (zu dem Zeitpunkt) minderjährigen Kinder einfach mit einschreiben (ohne dies vorher mit den Kindern abzustimmen)?

    So ist es in meinem Fall gerade. – Meine Eltern haben vor vielen Jahren Prozesskostenbeihilfe beantragt, uns Kinder in den Antrag mit eingeschrieben ohne dass wir ein Recht darauf hatten, dies mit zu entscheiden und nun soll ich für diese Kosten aufkommen, was ich leider beim besten Wille nicht einsehe.
    Ich hoffe, Sie können mir weiterhelfen

    Herzliche Grüße

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    • Hallo Dianne,

      da können wir so pauschal leider nicht weiterhelfen. Es kommt ganz auf das Verfahren und die weiteren Umstände an. Sollten Sie hier eine Beratung im Einzelfall wünschen, können Sie sich gerne bei uns – zunächst völlig unverbindlich und kostenlos – in der Kanzlei unter der 0228 387 560 200 oder über info@tw-law.de melden.

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