Der Bundesgerichtshof hatte sich mit der Wortberichterstattung der Zeitschrift „Auf einen Blick“ über einen Pornodarsteller zu beschäftigen (Urteil v. 25.10.2011, Az.: VI ZR 332/09).
Was ist bisher geschehen?
Konkret ging es um folgende Aussage: „Und Fernsehstar …? Was mag sie gefühlt haben, als sie erfuhr, dass ihr neuer Freund … noch vor wenigen Monaten als Pornodarsteller brillierte – ohne Kondom natürlich. Kann es nach einem solchen Vertrauensbruch eine andere Lösung als Trennung geben?“
Der Pornodarsteller (der in dem Bericht namentlich genannt wurde) fühlte sich durch diese Aussage in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte gegen den Verleger der Zeitschrift. Das Landgericht Berlin (Az.: 27 O 936/08) nahm eine solche Verletzung an, sprach dem Darsteller zunächst einen Unterlassungsanspruch zu und stellte ihn von den eigenen Rechtsanwaltskosten frei. Gegen dieses Urteil wendete sich die Beklagte erfolglos mit der Berufung an das Kammergericht Berlin (Az.: 10 U 20/09) und verfolgte Ihre Interessen nunmehr im dem Wege der Revision weiter.
Was sagt der BGH dazu?
Der BGH teilt die Auffassung des LG Berlin nicht, hob das Urteil des KG auf und verwies die Klage zur erneuten Entscheidung an das Gericht zurück. Entgegen der Ansicht des LG Berlin sah der BGH keine Beeinträchtigung der absolut geschützten Intimsphäre des Darstellers. Auch wenn es sich vorliegend um den Bereich der Sexualität dreht, muss dies nicht zwingend die Intimsphäre beeinträchtigen:
Indes gehört der Bereich der Sexualität nicht zwangsläufig und in jedem Fall zu diesem Kernbereich […]. Absolut geschützt ist die Freiheit, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem Zugriff anderer entzogenen Freiraum zu erleben […]. Der Schutz entfällt aber, wenn der Grundrechtsträger den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung von sich aus öffnet, bestimmte, an sich dem unantastbaren Kernbereich zuzurechnende Angelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich macht und damit zugleich die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt.
Schutz der Intimsphäre
Vielmehr habe er sich durch die Teilnahme an der pornografischen Filmproduktion nach außen geöffnet und kann sich damit auch nicht mehr auf den Schutz seiner Intimsphäre berufen:
Wie das Berufungsgericht – unter Bezugnahme auf die entsprechen- den Ausführungen des Landgerichts – zutreffend angenommen hat, hat der Kläger sich des absoluten Schutzes seiner Intimsphäre dadurch begeben, dass er freiwillig an der Produktion professionell hergestellter und kommerziell zu verwertender Pornofilme in für den Zuschauer erkennbarer Weise mitgewirkt und diesen Bereich seiner Sexualität damit bewusst der interessierten Öffentlichkeit preisgegeben hat. Dies gilt umso mehr, als sich der Kläger in diesem Zusammenhang werblich hat vereinnahmen lassen, indem er sich auf dem Cover eines der Filme erkennbar hat abbilden lassen […]. Wer sich als Darsteller in kommerziell zu verwertenden Pornofilmen dem Publikum präsentiert, kann sich gegenüber einer Berichterstattung über diesen Teil seines Wirkens nicht auf den Schutz seiner Intimsphäre berufen […]. Derartige Filme sind gerade dazu bestimmt, von der interessierten Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden, so dass die Mitwirkung an ihrer Produktion nicht als Ausdruck der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit des Täters im Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung angesehen werden kann.
Schutz der Privatsphäre
Ebenso sah der BGH keine Verletzung der Privatsphäre des Darstellers, da er sich auch hinsichtlich dieser nach außen geöffnet und gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten der Öffentlichkeit preisgegeben hat. Tut er dies, kann er im Nachhinein nicht verlangen, dass nicht auch wahrheitsgemäß (!) darüber berichtet wird. Trägt er also in dem Film kein Kondom, darf dies auch so berichtet werden.
Die in dem Artikel beschriebene Mitwirkung des Klägers an der Produktion professionell hergestellter und kommerziell zu verwertender Pornofilme ist nicht der privaten Lebensgestaltung, also dem der Öffentlichkeit abgewandten Bereich, sondern der Sozialsphäre zuzurechnen. Die beanstandeten Äußerungen befassen sich zwar mit der Lebensführung des Klägers, allerdings nur im Hinblick auf Verhaltensweisen, die erkennbar an die Öffentlichkeit gerichtet waren und in diese ausstrahlten und nur insoweit, als er sie durch sein eigenes Verhalten zurechenbar in einen die Privatsphäre überschreitenden Rahmen gerückt hat.“
Den Einwand, dass es sich bei der Mitarbeit in dem Film nur um eine Nebentätigkeit des Darstellers handele (hauptberuflich ist dieser Bildhauer) und dadurch seine Privatsphäre verletzt sei, ließen die Richter nicht gelten:
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Mitwirkung des Klägers in den Pornofilmen auch nicht deshalb der Privatsphäre zuzuordnen, weil es sich hierbei um eine bloße Nebentätigkeit des hauptberuflich als Bildhauer tätigen Klägers handle. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Tätigkeit des Klägers nicht in dem öffentlichkeitsabgewandten Bereich privater Lebensgestaltung vollzog, sondern erkennbar an die Öffentlichkeit gerichtet war. Der Kläger hat sich bewusst und gewollt der Öffentlichkeit als Pornodarsteller präsentiert. Professionell hergestellte und kommerziell zu verwertende Pornofilme wie diejenigen, an denen der Kläger mitgewirkt hat, sind gerade dazu bestimmt, von der interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen zu werden. Darüber hinaus hat sich der Kläger in diesem Zusammenhang werblich vereinnahmen lassen, indem er sich auf dem Cover eines der Filme hat abbilden lassen.
Wahre Tatsachenbehauptungen sind hinzunehmen
Zwar liege eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers vor, weil die Aussage, er habe ohne Benutzung eines Kondoms in einem pornographischen Filmwerk mitgewirkt, geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit negativ zu beeinflussen. Diese Beeinträchtigung hat er allerdings hinzunehmen, da in diesem Fall das Interesse der Öffentlichkeit, über die Tatsachen informiert zu werden, überwiegt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich um wahre Tatsachenbehauptungen, so wie in diesem Fall, handelt.
Danach müssen wahre Tatsachenbehauptungen, insbesondere solche aus dem Bereich der Sozialsphäre, in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht.
Dass die Berichterstattung ein schwerwiegendes Unwerturteil des Durchschnittspublikums oder gar eine besondere Stigmatisierung des Klägers zur Folge hat, sah das Gericht nicht.
„Der Kläger wird durch die öffentliche Erwähnung seiner Tätigkeit nicht stärker diskreditiert als er dies durch die Mitwirkung an den kommerziell zu vertreibenden Pornofilmen in Kauf genommen hat.“