Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Lichtbildvorlage im Schriftsatz

In seiner sehr lesenswerten Entscheidung vom 27. Februar 2018 (Az.: VI ZR 86/16) musste sich der BGH mit der Frage beschäftigen, ob Unterlassungsansprüche auch dann bestehen können, wenn ohne Einwilligung des Abgebildeten Bilder als Beweisangebot im Rahmen eines Verfahrens vorgelegt werden. 

I. Lichtbildvorlage im Gerichtsverfahren

Der Hintergrund des vor dem BGH geführten Verfahrens war durchaus komplex. Über allem schwebte ein ausgetragener Rechtsstreit über das Sorgerecht des Klägers. 

Der Beklagte versandte in zwei rechtshängigen Gerichtsverfahren unter Angabe des jeweiligen Aktenzeichens an die Gerichte eine E-Mail, an welche er Fotos des siebenjährigen Klägers anhing. Diese Fotos zeigten den Kläger in einem Innenraum mit äußerlichen Verletzungen, wie Beulen und Hämatomen an Bauch und Rücken.

Die beiden Verfahren betrafen aber nicht das Sorgerecht des Klägers. Gegenstand des ersten Verfahrens war ein Unterlassungsanspruch. Demnach wurden anwaltlichen Schreiben ohne Genehmigung der Anwälte auf der Internetseite eines Vereins veröffentlicht. Hiergegen gingen die Anwälte vor. Der Beklagte vertrat in diesem Verfahren den Verein. Im zweiten Verfahren nahm der Kläger den Beklagten auf Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch. 

In dem vor dem BGH geführten Fall ging der Kläger gegen das Versenden der E-Mails vor und forderte den Beklagten zur Unterlassung auf.

II. Äußerungsprivileg vs. Persönlichkeitsrecht

Der BGH stellte zunächst klar, dass einer Klage auf Unterlassung oder Beseitigung von Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem zivilgerichtlichen Verfahren dienen, regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte. Dies wird damit begründet, dass ansonsten in ein rechtsstaatlich geregeltes Verfahren eingegriffen und die Äußerungsfreiheit unangemessen eingeschränkt werden würde:

„Die Parteien müssen in einem Gerichtsverfahren alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird.“

Dem Verletzten steht zudem bereits im geführten Verfahren die Möglichkeit zu, die getätigten Aussagen durch das Gericht überprüfen zu lassen. 

III. Schutz des Persönlichkeitsrechtes Dritter

Problematisch ist es aber bereits dann, wenn der Betroffene gerade nicht am Rechtsstreit beteiligt ist und demzufolge nicht durch Einreichen eines Schriftsatzes hierzu Stellung nehmen kann. Hiezu führt der BGH aus, dass die am Verfahren nicht beteiligten Dritten dann eine Rechtsverletzung nicht hinnehmen müssen, wenn ein enger Bezug der Äußerung zum Verfahren fehlt. Aber selbst, wenn ein solcher sachlicher Bezug vorliegt, ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen geboten. Es ist dabei besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Dritte die Äußerung hinnehmen muss. Ist dies nicht der Fall, liegt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis vor, um in einem gesonderten Verfahren gegen diese Äußerung vorzugehen.

IV. Grundsätze zum Äußerungsprivileg auch für Lichtbildvorlage

Sodann schlägt der BGH die Brücke zu der im vorliegenden Fall relevanten Lichtbildvorlage und stellt klar, dass die vorgenannten Ansätze zum Äußerungsprivileg entsprechend für den Fall einer Lichtbildvorlage anzuwenden sind. Ergänzend sei hierzu noch der besondere Stellenwert des Bildnisschutzes als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes zu beachten. Werden demnach im Verfahren Lichtbilder vorgelegt, die die Privat- oder gar Intimsphäre des Betroffenen berühren, ist hierfür ein besonders enger sachlicher Bezug gerade der Lichtbilder zum Verfahren erforderlich.

V. Rechtsschutzbedürfnis bejaht, Unterlassungsanspruch begründet

Der BGH bejahte im konkreten Fall das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers und die Unterlassungsansprüche aufgrund der Lichtbildvorlage. Die Frage des Kindesmissbrauchs und somit die Lichtbildvorlage stand in keinem engen sachlichen Bezug zu den beiden Gerichtsverfahren. Da der Kläger keine Einwilligung zur Verbreitung bzw. öffentlichen Zurschaustellung der Lichtbilder erteilt hatte, lag eine Verstoß gegen § 22 S. 1 KUG und eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor. Demzufolge waren die Unterlassungsansprüche auch begründet.

VI. Verschicken per E-Mail ist Verbreitung

Fast schon versteckt neben den anderen Ausführungen lässt der BGH erkennen, dass er das Verschicken einer E-Mail unter den Tatbestand des Verbreitens im § 22 S. 1 KUG subsumiert. So führt der BGH aus:

„Die Vorlage der Bilder bei Gericht stellt ein Verbreiten im Sinne des § 22 KUG dar, obwohl anders als bei einer Veröffentlichung in den Medien nur die Wahrnehmung durch einen begrenzten Personenkreis zu erwarten ist (vgl. Ahrens in Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 6 Rn. 53). Verbreiten bedeutet jede Art der Weitergabe körperlicher Exemplare, auch digitaler Aufnahmen, an Dritte. Auf eine Verbreitung in die Öffentlichkeit kommt es nicht an, denn schon die Verbreitung an Einzelpersonen führt zu einem der Kontrolle und dem Selbstbestimmungsrecht des Abgebildeten vorbehaltenen Übergang des Bildnisses in die Verfügungsgewalt eines anderen (vgl. Dreier/Schulze/Specht, KUG, 5. Aufl., § 22 Rn. 9; Götting in Schricker/Loewenheim, Urheberecht, 5. Aufl., § 22 KUG Rn. 36).“

Dies erstaunt umso mehr, da das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 26. September 2019 (Az.: 2-03 O 402/18), in welchem das Verschicken einer E-Mail als Verbreitung im Sinne des § 22 S. 1 KUG klassifiziert worden ist, durchaus kontrovers diskutiert wird.

VII. Entscheidung mit interessanten Auswirkungen

Das Ergebnis des Falles ist durchaus brisant. Bei der Auswahl der Beweismittel müssen die Parteien eines Rechtsstreits künftig genauer hinschauen, ob die Vorlage eines Bildes auch tatsächlich einen sachlichen Bezug zum Verfahren aufweist. Dies gilt umso mehr, wenn Dritte, am Prozess nicht beteiligte Personen, auf diesen zu sehen sind. Diese Frage stellt sich insbesondere dann, wenn als Beweisangebot etwa ein Auszug oder ein Screenshot einer Webseite beigefügt wird. Sind auf dieser etwa Fotos zu sehen, welche Dritte zeigen, die überhaupt keine Relevanz für die Rechtsstreitigkeit und die dortigen Ansprüche haben, müsste man sich fragen, ob durch die Vorlage gegen die §§ 22, 23 KUG verstoßen werden könnte.

Bild von Ro Ma auf Pixabay

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