Stadt Mannheim verklagt Wikimedia

Laut eines Blockeintrages des geschäftsführenden Vorstands von Wikimedia Deutschland, Christian Rickerts, ging am 16. November 2015 eine Klage der Stadt Mannheim gegen die Wikimedia Foundation und Wikimedia Deutschland ein. Die Klage betreffe 17 Fotos von Gemälden aus dem Bestand der Reiss-Engelhorn Museen in Mannheim, die auf Wikimedia hochgeladen wurden. Sämtliche Gemälde wurden von Künstlern erschaffen, die bereits länger als 70 Jahre verstorben sind.

Stadt Mannheim: Entstehung neuer Urheberrechte am Foto

Die Stadt Mannheim vertritt die Auffassung, dass beim Fotografieren gemeinfreier Werke (d.h. Werke bei denen der Urheberrechtsschutz bereits abgelaufen ist) neue Urheberrechte an dem Foto als Reproduktionsfotografie entstehen würden.

Dies sei auch bei den besagten Fotos der gemeinfreien Gemälde der Fall. Das Museum habe dafür eigens einen Fotografen bezahlt, der Zeit und Aufwand in die Aufnahmen investieren musste. Daraus folgert die Stadt Mannheim, dass Abbildungen dieser Arbeit nicht frei über Wikimedia geteilt werden dürften.

Wikimedia: Fristverlängerung durch die Hintertür

Wikimedia Deutschland und die Wikimedia Foundation halten die Position der Stadt indes für falsch. Die Intention von Urheberrechten sei, einen Schutz für die Mühen kreativer Arbeit zu bieten, erklärt Rickerts. Dieser Schutz solle nicht zweckentfremdet werden, um damit die Verbreitung von Kunst zu kontrollieren und einzuschränken. Zudem seien Schutzfristen allein dadurch legitimiert, dass sie enden. Nach Ablauf der Frist sollen Werke neu verwendet und in die kulturelle Teilhabe aller zurückgeführt werden können.

Den Museen wirft Rickerts eine „Fristverlängerung durch die Hintertür“ vor. Eine handwerklich zeitintensive und aufwändige Arbeit bedinge noch lange keine Kreativität und urheberrechtliche Schöpfungshöhe. „Es kann auch eine zeitintensive und aufwändige Arbeit sein, ein Modellauto aus einem Bausatz zu basteln. Und trotzdem entstehe bei dieser Art der originalgetreuen Reproduktion kein neues Urheberrecht“, so Rickerts.

Urheberrechtlicher Schutz von Reproduktionsfotografien?

Rechtlich stellt sich die Frage, ob eine „Reproduktionsfotografie“ vorliegt und inwieweit eine solche überhaupt vom urheberrechtlichen Leistungsschutz erfasst werden kann.

Fotografische Reproduktionen von dreidimensionalen Kunstwerken oder Gegenständen dürften stets als Lichtbilder geschützt sein (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 13.02.1996, Az.: 20 U 115/95– Beuys-Fotografien). Was aber ist mit Fotografien bloß zweidimensionaler Objekte, wie eben solchen Gemälden?

Leistungsschutzrecht: Mindestmaß an geistiger Leistung

Ob Reproduktionsfotografien von Gemälden die erforderliche Schöpfungshöhe aufweisen, kann dahinstehen, wenn Leistungsschutz über § 72 UrhG erreicht werden kann.

Für den Lichtbildschutz ist ein Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung erforderlich (vgl. Thum in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage 2014, § 72 Rn. 11, § 2 Rn. 134). Eine solche Leistung des Fotografen kann z.B. in der Festlegung der Helligkeitsstufe oder der Vergrößerung bzw. Verkleinerung eines Bildausschnittes liegen. Die erstmalige Fotografie eines Kunstwerkes erfordert dann – im Gegensatz zur bloßen Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG – die Umsetzung fundierter Kenntnisse über Fototechnik.

Reproduktionsfotografie vs. technische Reproduktion

Die bloße technische Reproduktion einer bestehenden Grafik erfüllt nicht das Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung und genießt keinen Lichtbildschutz (BGH, Urteil v. 07.12.2000, Az. I ZR 146/98 – „Telefonkarte“). So sah es auch das LG Köln (Urteil v. 10.10.2012, Az. 28 O 551/11). Ein reiner Scan eines Bildes ist keine schützenswerte Position mit dem Mindestmaß an persönlicher, geistiger Leistung.

Anders bei Reproduktionsfotografien. So hatte bereits das Reichsgericht den Fotografien von Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art Lichtbildschutz zugesprochen (RGZ 105, 160, 162).

Auch das Landgericht Berlin hat mit Beschluss vom 19.05.2015 (Az.: 16 O 175/15) entschieden, dass die Reproduktionsfotografie eines gemeinfreien Gemäldes Lichtbildschutz gemäß § 72 UrhG genießt und insofern an den Urheberschutz von Fotografien lediglich geringe Anforderungen zu stellen sind.

Natürlich kann man einwenden, dass eine Gefahr der Umgehung der Schutzfristen oder Wertungen der Gemeinfreiheit besteht. Doch darf man hier nicht den Schutz des Originalwerkes mit dem Schutz der Fotografie oder auch Eigentumsrechte mit Urheberrechten vermischen. Wenn die persönliche geistige Leistung des Fotografen beispielsweise in der verzerrungsfreien Wiedergabe des Kunstwerkes unter Ausblendung von Lichtreflexen unter der Wahl des Bildausschnittes zu Tage tritt, muss ein Leistungsschutz zustehen. Anders kann kaum erklärt werden, warum selbst einfachen „Knipsbildern“ Leistungsschutzrecht zugesprochen wird, so RA Florian Wagenknecht von tw-law.de

Aufgrund bestehender Rechtsprechung kann man bisher davon ausgehen, dass eine Reproduktionsfotografie dann als Lichtbild schutzfähig ist, wenn sie einen erheblichen Aufwand erfordert oder wenn sie auf nicht ausschließlich maschinellem Weg entsteht (vgl. Dreier/Schulze, 5. Auflage 2015, § 72 Rn. 10).

(© cunaplus – Fotolia.com)

4 Gedanken zu „Stadt Mannheim verklagt Wikimedia“

  1. Originär ist das hier das Zauberwort, nicht zu verwechseln mit originell, (was im Urheberrecht eher stört :-)).

    Viele Komentatoren sagen, dass der Leistungsschutz gem. § 72 UrhG greift, wenn mit der Kamera ein neues orignäres Urbild hergestellt wird, nicht aber wenn die Kamera nur als Gerät eingesetzt wird, um ein vorhandenes Bild zu kopieren. Die Grenze für diesen Leistungsschutz bei der (nicht mehr schutzfähigen) Kopierfotografie zu ziehen, ist meines Erachtens eine sehr vernünftige Vorgehensweise. Dies ist klar, rechtssicher und in keiner Weise ungerecht. Der Kopierfotograf muss ja nicht kostenlos arbeiten. Er kann den fehlenden Leistungsschutz wie jeder andere Handwerker – z. B. ein Tischler, der ein Möbel nach einer Vorlage fertigt – in seiner Preiskalkulation berücksichtigen.

    MfG
    Johannes

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  2. Wir hatten in einem ähnlichen Fall einen Rechtsstreit vor dem BGH gegen eine bekannte Stiftung von Kulturgütern aus Berlin gewonnen. Hintergrund war der Verkauf von Kunstdrucken und Postern über das Portal http://www.kunstbilder-galerie.de, von denen sich einige der Werke auch im „Eigentum“ bzw. in den Museen der Stiftung befinden. Zwar wurde von der Stiftung generell die Gemeinfreiheit der betroffenen Werke anerkannt, dann aber über das Hausrecht versucht, eine Monopolisierung der Verwertungsrechte zu erwirken. Erfreulicherweise hat der BGH dann auch in unserem Sinne entschieden – auch wenn die juristische Grundsatzfrage damals nicht abschließend geklärt wurde. In der Urteilsbegründung wurde darauf verwiesen, dass die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass das Hausrecht verletzt wurde.

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