Von dem Fotografen Jeffrey Martin, einem Fachmann für hochauflösende Fotografien, sog. Gigapixel-Fotos, hat der WDR am vergangenen Wochenende auf dem Bonner Open-Air Festival Rheinkultur das größte deutsche Festivalpanorama produzieren lassen. Aus mehreren hundert Einzelaufnahmen wurde ein großes Bild zusammengesetzt, auf dem das gesamte Publikum vor der ‚blauen Bühne‘ zu erkennen ist.
Praktisch: Alle Gesichter der Besucher sollen auf dem Bild zu erkennen sein, wenn man nur weit genug hereinzoomt. Damit kann also jeder sowohl sich selbst, aber auch seine Freunde (oder Feinde) wiederfinden. Ebenfalls können die gefundenen Gesichter dann bei Facebook markiert und geteilt werden.
Die fotorechtliche Zulässigkeit einer solchen Aufnahme kann sich entweder aus der Einwilligung jedes einzelnen Besuchers ergeben (§ 22 Kunsturhebergesetz), oder aus gesetzlichen Ausnahmefällen. Nach Angaben des WDR ist jeder Besucher bei Betreten des Festivalgeländes über die Foto-Aktion informiert worden. Man könnte also meinen, dass derjenige, der das Gelände betreten hat, durch sein schlüssiges Verhalten auch eine Einwilligung dazu erteilt hat, auf dem Gigapixel-Foto zu erscheinen. Andersherum: Jeder der nicht auf diesem Foto erscheinen wollte, durfte sich, zumindest für den Zeitraum des Auftritts der Band ‚Jupiter Jones’, nicht im Publikum an der blauen Bühne befinden. Wenn man unter anderem nur für diese Band gekommen ist kann das ganz schön ärgerlich sein.
Ob eine solche Einwilligung wirksam ist, hängt sehr stark von den konkreten Umständen zum Zeitpunkt der Erteilung ab. Für den Erteilenden müssen sowohl der Zweck als auch die Art und der Umfang seiner abgegebenen Einwilligung bekannt sein. In diesem Fall muss also besonders der Aspekt der hohen Auflösung und der Veröffentlichung im Internet sowie die mögliche Markierung bei Facebook bekannt gewesen sein. Bei einem Festival mit ungefähr 160.000 Besuchern ist es jedoch nahezu unmöglich, diesen Informationsanforderungen bei jedem, der später auf dem Bild erscheint, gerecht zu werden. Man kann also davon ausgehen, dass zumindest einige Besucher mangels ausreichender Kenntnis keine (konkludente) Einwilligung abgegeben haben.
Daran ändert auch die Tatsache, dass der Bandleader während des Konzerts kurz auf das Foto hingewiesen hat, nichts. Zum einen wird es in einer Menge von mehreren zehntausend Menschen kaum möglich sein, die oben genannten Informationen für alle Anwesenden verständlich zu erklären und zum anderen stellt sich die Frage wie realistisch es ist, dass einzelne Personen trotz ihres Wunsches, nicht fotografiert zu werden, ein Konzert an dieser Stelle verlassen.
Der WDR bietet die Möglichkeit, sich nachträglich auf dem Foto anonymisieren zu lassen (dazu bitte eine Mail mit Panoramaausschnitt, Identitätsnachweis und Telefonnummer an riesenfoto@wdr.de senden). Unabhängig davon, ob gepixelt oder geschwärzt wird; eine komplette Anonymisierung wird kaum möglich sein. Wer geht schließlich allein auf ein Festival? Lässt sich also eine einzige Person aus einem Freundeskreis anonymisieren, so bleibt sie allein schon wegen ihres Aufenthaltsortes neben den Freunden für einige Leute erkennbar. Wird die Person dann noch von Freunden via Facebook markiert, ist es nahezu komplett vorbei mit der Anonymität.
Und selbst wenn eine komplette Anonymisierung erfolgen sollte, wird dies wohl nicht in einer Sekunde erledigt sein. Das Bild ist erst einmal im Internet und jeder kann erkannt werden. Wer gerne seinem Nachbarn oder seinem Freund / seiner Freundin hinterherspionieren möchte hat daher ausreichend Zeit, dies zu tun. Eine erst nachträgliche Anonymisierung hilft da auch nicht weiter.
Nimmt man nun, zumindest für einige abgebildete Personen, eine fehlende Einwilligung an, so muss man fragen, ob nicht ein gesetzlicher Ausnahmefall vorliegt. Einzig realistisch in Betracht kommende Ausnahme ist die des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG. Handelt es sich bei dem Gigapixel-Foto um „Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;“, ist eine Einwilligung nicht erforderlich. Voraussetzung hierfür ist, dass das Event selbst als einzelner Vorgang dargestellt wird. Dies ist nicht der Fall, wenn nur einzelne oder mehrere Individuen abgebildet werden (OLG Frankfurt, MMR 2004, 683; Dreier/Schulze, UrhG, 2008, §23 KUG Rdnr. 19). Darauf liegt hierbei aber wohl der Fokus der Aufnahme. Das Gigapixelbild wird aus mehreren hundert Einzelbildern zusammengesetzt. Auf diesen Bildern sind ausschließlich einzelne gut erkennbare Personengruppen abgebildet. Es handelt sich damit nicht um eine klassische Fotografie des Geschehens, sondern um eine derart aufwändige und hochauflösende Abbildung, die gerade die Erkennbarkeit jedes einzelnen Besuchers ermöglichen soll. Einzelne Aspekte des Gesamtbildes dürften daher streng genommen nicht veröffentlicht werden, solange keine Einwilligung vorliegt. Ob die Ausnahme des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG dann für das Gesamtbild noch einschlägig ist, kann zumindest bezweifelt werden.
Wer auf sein Persönlichkeitsrecht beharrt und sich verpixeln läßt ist ein SPASSVERDERBER.
Wer kein Handy besitzt, um sich nicht orten zu lassen, ist ein potentzieller VERBRECHER.
Wer nicht in der Talkshow auftritt, ist ein LOSER.
SelbstdarstellungsWAHN verhindert logisches Denken. Ist das der Grund, weshalb Models … ???
:-)
so, und weiter geht’s mit unseren lieben Öffentlich-Rechtlichen Urheberverletzungen:
http://www.wacken.com/de/woa2011/main-news/news/ansicht/article/ndr-livestream-und-giga-panorama/
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