OLG Schleswig-Holstein: Internetstreitigkeiten begründen einen „fliegenden Gerichtsstand“

Die Betreiberin einer Internetseite behauptet, dass der Betreiber einer ähnlichen Seite Texte von ihr kopiert habe. Sie mahnte ab und verlangt die Erstattung der Rechtsanwaltskosten.

Wirrwarr der Gerichtszuständigkeit

Da der Beklagte dem Mahnbescheid des Amtsgericht Wedding (Niedersachsen) widersprochen hat, wurde das Verfahren an das im Mahnantrag als Prozessgericht benannte Landgericht Kiel abgegeben. Das Landgericht Kiel sah sich jedoch nicht sachlich zuständig, da der Streitwert 1071,12 Euro betrage. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts sei erst ab 5000 Euro gegeben. Es verwies die Klage an das Amtsgericht Flensburg. Dieses wiederrum hat sich für örtlich unzuständig erklärt.

Die Entscheidung des OLG Schleswig-Holstein:

Das OLG Schleswig-Holstein (Beschluss v. 06.08.2013, Az. 2 AR 22/13) hat dem Streit um die Frage der Zuständigkeit nun ein Ende gesetzt und kam zu dem Schluss, dass das Amtsgericht Flensburg örtlich zuständig sei. Gemäß § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist. Unter den Begriff der unerlaubten Handlung fallen auch Urheberrechtsverletzungen.

Da die Internetseite in ganz Deutschland abrufbar sei (also auch in Flensburg), sei das Amtsgericht Flensburg zuständig. Diese besondere Art der Zuständigkeit des Gerichts wird als sog. „fliegender Gerichtsstand“ bezeichnet. Das Amtsgericht Flensburg ist somit an den Verweisungsbeschluss des Landgericht Flensburg gebunden:

Selbst wenn man für die Begründung des im gewerblichen Rechtsschutz grundsätzlich anerkannten fliegenden Gerichtstandes einschränkend für im Internet begangene Verstöße über die Abrufbarkeit des Internets hinaus noch einen gewissen Ortsbezug dahin verlangt, dass sich der Verstoß bestimmungsgemäß auch im jeweiligen Gerichtsbezirk auswirken sollte, wird der Gerichtsstand des Amtsgerichts Flensburg dadurch begründet, dass sich die Internetseite der Beklagten an das gesamte deutsche Publikum richtete, wie sich daraus ergibt, dass die eingesetzte Internetdomain einen deutschen Titel hat und die ganze Internetseite deutschsprachig ist. Die streitgegenständliche Dienstleistung sah die Verleihung eines Doktortitels gegen eine Spende an jeden Ort Deutschlands vor, egal, wo der jeweilige Anwärter für einen Doktortitel wohnhaft war oder sich aufhielt (…) Entscheidend ist, dass eine Rechtsverletzung an jedem Ort in Deutschland drohte, ohne dass eine regionale Begrenzung nur für einzelne Bundesländer oder bestimmte Orte vorgesehen war. Die Internetseite sollte mithin bestimmungsgemäß auch in Flensburg gelesen werden, also auch dort ihren „Erfolg“ haben, mit der Folge, dass auch das Amtsgericht Flensburg örtlich zuständig ist.

OLG lässt keine Zweifel: Der Kläger entscheidet über Klageort

Das OLG Schleswig-Holstein folgt der wohl herrschenden Meinung. Bei Internetstreitigkeiten liegt es in den Händen des Klägers, an welchem Ort er Klage erheben möchte. Er kann sich also vorher informieren, bei welchem Gericht seine Klage möglicherweise günstiger für ihn ausfallen könnte. Diese Begünstigung des Klägers ist in der Rechtsprechung und Lehre jedoch noch immer sehr umstritten.

Zusätzliche Informationen zu den Besonderheiten des „fliegenden Gerichtstandes“ finden sie hier: Der fliegende Gerichtsstand

(Bild: Dennis Tölle)

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