Wenn der Vermieter seine Mieter audio-visuell beobachten lässt, stellt dies grundsätzlich selbst dann einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar, der nur bei Zustimmung aller Mieter gerechtfertigt ist, wenn die Kameras noch nicht in Betrieb sind. Dies hat das Amtsgericht Berlin-Schöneberg mit Urteil vom 04. Dezember 2012 (Az.: C 166/12) entschieden.
Der Fall:
Auf Wunsch mehrerer Personen, die ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis hatten, hatte ein Vermieter in einem seiner Mietshäuser Videokameras installiert, die systematisch und über 24 Stunden den Eingangsbereich des Hauses überwachen sollten. Zugleich sollte in einer Doorman-Kabine die Überwachungen aufgezeichnet und ausgewertet werden. Eine Auswertung sollte ereignisorientiert erfolgen und die aufgenommenen Daten nicht länger als 24 Stunden gespeichert werden. Die Kameras waren jedoch noch nicht in Betrieb, vielmehr lief erst die Aufbauphase.
Hiergegen wandte sich eine weitere Mietpartei, die sich durch die Kameras in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt sah.
Die Entscheidung:
Das erkennende Gericht erließ zunächst eine einstweilige Verfügung zugunsten der Mieterin und bestätigte diese Entscheidung auf Widerspruch des Vermieters mit Urteil.
Das Gericht führte aus, dass unabhängig davon, ob die Kameras schon installiert seien oder nicht, die im Haus wohnenden Parteien einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt wären. Der Mieter könne sich in seinem privaten Bereich nicht mehr unbeobachtet und ungestört fühlen. Auch würde hierdurch systematisch Protokoll geführt wann welche Personen das Haus betreten und verlassen.
Die Entscheidung ob eine Hausüberwachung mittels Videokamera durchgeführt werde, könne daher nur von allen betroffenen Parteien einstimmig getroffen werden.
Einschätzung:
Rechtlich gesehen hat das Amtsgericht hier korrekt eine Abwägung der einzelnen Rechspositionen durchgeführt. Auf der einen Seite steht das Bedürfnis weniger Personen nach maximalem Schutz, auf der anderen Seite das Bedürfnis der Nicht-Betroffenen nach Anonymität und beeinträchtigungsfreiem Wohnen.
§ 554 BGB statuiert zwar eine Duldungspflicht der Mieter bei Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen. Eine solche lag vorliegend aber grade nicht vor. Kennzeichnend für eine Modernisierungsmaßnahme ist, dass sie jedem Mieter in positiver Weise zugutekommt und den Substanz- und Gebrauchswert der Räume erhöht. Der Einsatz von Videokameras kam im vorliegenden Fall jedoch nur einer kleinen Gruppe von Mietern zugute und nicht allen.
Auch über die Generalklausel des § 242 kann keine Zulässigkeit konstruiert werden. Aus Datenschutzgesichtspunkten ist eine pauschale Videoüberwachung nämlich ebenfalls abzulehnen, da sie gegen den Zweckbestimmungsgrundsatz verstößt.
Fazit:
Der Bereich der Videoüberwachung bleibt sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Bereich eine nach äußerst strengen Maßstäben zu bewertende Ausnahmemaßnahme. Nur dann wenn gewichtige rechtliche Aspekte dafür sprechen, kann das individuelle Interesse am Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in den Hintergrund treten.
(Bild: © Jochen Binikowski – Fotolia.com)
[box type=“info“ size=“medium“] Dieser Beitrag wurde von unserem Gastautor Benjamin Theil verfasst. Er ist Assessor und hat schon früh den Fokus seiner rechtlichen Ausbildung auf den Bereich „Recht der neuen Medien“ gelegt. Als Kind einer Generation, die die gesamte technische Entwicklung, vom Ur-Gameboy bis hin zu Touchpad und Cloud-Computing mitgemacht hat, ist sein Interesse an der Materie nicht nur rein beruflicher Natur, sondern basiert auch auf persönlicher Erfahrung und Leidenschaft. Noch vor dem ersten Staatsexamen wechselte er von seiner alma mater, der Universät Bonn, nach Münster um die Zusatzqualifikationen im Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht und im Gewerblichen Rechtschutz zu erwerben.Das Referendariat absolvierte er am LG Münster. Seine rechtlichen Interessengebiete fächern sich vom IT-Recht, über den gewerblichen Rechtschutz, vornehmlich im Internet, bis hin zum Presse- und Medienrecht. [/box]
Kleine Doppelwortwahl im Satz „Eine solche lag vorliegend aber grade nicht vor.“ – ist das beabsichtigt? Ich würde das „vorliegend“ sonst streichen.
Eine Idee, wie das einzuschätzen sein dürfte mit dem Recht von Besuchern oder Postboten etc.? Also selbst dann, wenn alle Bewohner/Mieter einer Videoüberwachung zustimmen würden?