Spanien setzt „Anti-Piraterie-Gesetz“ um – Erste Webseite vom Netz genommen

Nachdem ACTA auf europäischer Ebene gescheitert ist, hat mit Spanien ein Mitgliedsstaat der EU begonnen, schärfere Regelungen bezüglich des Urheberrechtschutzes im Internet auf gesetzlichem Wege umzusetzen. Das sogenannte „Ley Sinde“ sieht einen abgestuften Sanktionskatalog gegen Websitebetreiber vor, der bis zur Sperrung einer Domain führen kann.

Nach Angaben der ZEIT ist bereits eine populäre spanische Internetpräsenz von den Folgen des Gesetzes betroffen.

So ist Vagos.es die erste Internetseite, die vom Netz genommen wurde – allerdings freiwillig von Seiten der Betreiber. Die Webpräsenz wurde hauptsächlich als Forum und Basis für den Meinungsaustausch über Filme, Spiele und Musik genutzt. Gleichzeitig wurden jedoch auch vermehrt Links zu urheberrechtlich geschützten Werken verbreitet, die auf sogenannten Direct-Hostern wie Rapidshare, oder dem mittlerweile vom Netz genommenen Megaupload lagerten.

Das „Ley Sinde“ sieht ein mehrstufiges Verfahren vor. Auf Meldung eines vermeintlichen Rechteinhabers prüft die „Kommission des geistigen Eigentums“ – ein Konsortium bestehend aus drei Experten – zunächst den Vorfall und schaltet bei positiver Feststellung eines Verstoßes die Staatsanwaltschaft ein. Diese setzt dem Website-Inhaber eine Frist von 48 Stunden. Binnen dieses Zeitraums kann der Seitenbetreiber die Störung beseitigen oder selbst Einspruch bei der Kommision einlegen und beweisen, dass keinerlei Urheberrechtsverstoß vorliegt.

Doch auch erste kritische Stimmen erheben sich gegen das Gesetz, welches zum 1. März 2012 in Spanien in Kraft trat. Mit dem Vorgehen gegen Vagos.es sei eine bloße „intermediaro“, eine Mittlerwebsite, sanktioniert worden, die selbst keine urheberrechtlich geschützten Inhalte angeboten, sondern lediglich auf Drittwebseiten verlinkt habe. Damit müsse man theoretisch auch gegen Google und andere Suchmaschinen vorgehen, so Vagos-Mitbegründer Iván García Estébanez gegenüber der ZEIT.

Aus deutscher Sicht sei eine derartige Implementierung eines „Anti-Piraterie-Gesetzes“ nicht denkbar, so der Strafrechtler Udo Vetter. Der Jurist kritisierte, dass kein Richter die Prüfung des Rechtsverstoßes vornehme, sondern nur die Kommision. Dies sei mit grundrechtlichen Bestimmungen nicht vereinbart.

In gleicher Richtung argumentiert auch Markus Beckedahl, Vorsitzender des Vereins Digitale Gesellschaft. Seiner Ansicht nach liege in der „Ley Sinde“ ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Informationsfreiheit und berge die Gefahr einer Zensur.

Laut der spanischen „Kommission des geistigen Eigentums“ sind seit Inkrafttreten des Gesetzes 326 Anzeigen eingegangen, neun Verfahren gegen Website-Betreiber laufen bereits.

(Bild: © Wetzkaz – Fotolia.com)

[box type=“info“ size=“medium“] Dieser Beitrag wurde von unserem Gastautor Benjamin Theil verfasst. Er ist Assessor und hat schon früh den Fokus seiner rechtlichen Ausbildung auf den Bereich „Recht der neuen Medien“ gelegt. Als Kind einer Generation, die die gesamte technische Entwicklung, vom Ur-Gameboy bis hin zu Touchpad und Cloud-Computing mitgemacht hat, ist sein Interesse an der Materie nicht nur rein beruflicher Natur, sondern basiert auch auf persönlicher Erfahrung und Leidenschaft. Noch vor dem ersten Staatsexamen wechselte er von seiner alma mater, der Universät Bonn, nach Münster um die Zusatzqualifikationen im Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht und im Gewerblichen Rechtschutz zu erwerben.
Das Referendariat absolvierte er am LG Münster. Seine rechtlichen Interessengebiete fächern sich vom IT-Recht, über den gewerblichen Rechtschutz, vornehmlich im Internet, bis hin zum Presse- und Medienrecht. [/box]

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