Ausnahmen für Blinde – Treaty for the Blind

Der sog. Treaty for the Blind („Blindenvertrag“) soll es ermöglichen, weltweit einen besseren Zugang zu urheberrechtlich geschützten Büchern zu bekommen. Er ist nicht – wie die Bezeichnung vermuten lässt – lediglich für Blinde gedacht. Vielmehr soll er unter anderem auch Legasthenikern und Menschen, die durch eine körperliche Behinderung am Halten eines Buches gehindert sind, zugute kommen.

Wie kommt das Urheberrecht ins Spiel

Jeder, der ein geschütztes Werk nutzen möchte, bedarf dazu der Einwilligung des Urhebers bzw. Rechteinhabers. So braucht also z. B.  auch derjenige eine Einwilligung, der Werke für Blinde digitalisieren und damit vorlesbar machen möchte. Dies wäre nicht der Fall, wenn für solche besonderen Nutzungen Ausnahmen im Urheberrecht des jeweiligen Landes gelten würden. Solche Ausnahmen sollen mit dem „Treaty for the Blind“ erreicht werden.

Unter dem Dach der World Intellectual Property Organisation (WIPO) nehmen unter anderem Delegationen der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union an den Verhandlungen über solche Ausnahmen teil. Diese seien jedoch nach Aussage von Jim Fruchterman, Gründer des gemeinnützigen Unternehmens Benetech (u.a. Bookshare), von den Einflüssen des Verbands der großen US-Filmstudios (Motion Picture Association of America – MPAA) vergiftet. Anstatt die Barrierefreiheit voranzutreiben würde der Vertrag genutzt um den Schutz eigener Inhalte zu sichern. Fruchterman kritisiert unter anderem die geplante Veränderung des sog. Drei-Stufen-Tests.

Exkurs: Drei-Stufen-Test

Der Drei-Stufen-Test ist Teil des internationalen Urheberrechts (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Test auf öffentlich-rechtlicher Ebene). Er gestattet es den einzelnen Staaten, das Urheberrecht zu beschränken, also Schranken- und Ausnahmeregelungen festzulegen. Diese Beschränkungen müssen jedoch zu ihrer Wirksamkeit dem Drei-Stufen-Test standhalten. Er beschränkt quasi die Beschränkungen (daher auch die Bezeichnung „Schranken-Schranken“). Er besagt, dass die Rechte des Urhebers

  1. nur in bestimmten Sonderfällen beschränkt werden dürfen,
  2. dabei die normale Verwertung des Werks nicht beeinträchtigt werden darf und
  3. die berechtigten Interessen des Urhebers nicht unzumutbar verletzt werden dürfen.

Der Drei-Stufen-Test ist u.a. in Art. 9 Abs. 2 RBÜ, Art. 10 Abs. 1 WCT, Art. 16 Abs. 2 WCCT und Art. 5 Abs. 5 der RL 2001/29/EG (Multimedia-RL) geregelt.

Schrankenregelungen sind beispielsweise erforderlich um Werke wie Bücher und Fotos in Bibliotheken und Schulen nutzen zu können, ohne dass die jeweiligen Urheber widersprechen dürfen. Das Urheberrecht des jeweiligen Autors oder Fotografen wird also insofern beschränkt. In Deutschland finden sich diese Regelungen in den §§ 44a ff UrhG.

Im amerikanischen Recht ist bereits eine Regelung für Blinde geschaffen worden, die dem Drei-Stufen-Test standhält. Mit einer Veränderung dieses Tests durch den „Treaty for the Blind“ besteht laut Fruchterman die Gefahr, dass die amerikanische Regelung kippt, weil sie den Anforderungen des Tests nicht mehr standhält. Dies hätte das Gegenteil des ursprünglich Gewollten zur Folge, nämlich den beschränkteren Zugriff Sehbehinderter auf urheberrechtlich geschützte Werke.

Mit welchem Ergebnis die Verhandlungen im Juni abschließen, ist noch offen.

(Bild: © Peter Baxter – Fotolia.com)

1 Gedanke zu „Ausnahmen für Blinde – Treaty for the Blind“

  1. Ich halte den Vertrag für eine sehr gute Idee.
    So lange doch der Urheber und Rechtinhaber genannt und am Gewinn beteiligt wird sehe ich kein Problem.
    Digitalisierung ist doch lediglich eine veränderte Form mit gleichen Verfasser / Autor.
     
    So sehe ich es jedenfalls

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