Das Urheberrecht an „Mein Kampf“ läuft, 70 Jahre nach dem Tod von Adolf Hitler, am 31. Dezember 2015 aus. Doch schon heute sollten Textpassagen aus dem Buch in der Wochenzeitung „Zeitungszeugen“ erscheinen. Das LG München I hat dem jedoch einen Riegel vorgeschoben.
Der Beschluss
Das LG München I hat auf Antrag des Freistaates Bayern per einstweiliger Verfügung (Beschl. v. 25.01.2012, Az: 7 O 1533/12) „die Herstellung und Verbreitung kommentierter Auszüge aus „Mein Kampf“ verboten“, so am Mittwoch in einer Mitteilung des Gerichts zu lesen.
Der Freistaat bzw. das Finanzministerium hatte das Recht an dem Buch im Rahmen der Entnazifizierung am 15. Oktober 1948 erlangt (Urt. v. 15.10.1948, Az. I-3568/48). Damit ist Bayern Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte und kann jedem Dritten die Nutzung untersagen. Dies zumindest so lange, wie das Urheberrecht nicht erlischt. Doch statt bis 2015 zu warten, wollte sich der britische Verleger McGee auf das sog. Zitatrecht aus § 51 UrhG berufen. Er wolle nicht das komplette Buch veröffentlichen. Es sollten nur Textstellen und Kommentierungen erscheinen. „Das Zitierrecht erlaubt uns, auch heute schon Ausschnitte zu veröffentlichen. Das gilt für andere Bücher ja auch“, so McGee.
Das LG München I sah das vorläufig anders und hat die geplante Ausgabe(n) gestoppt.
Zitierfreiheit als Schranke des Urheberrechts
Ob eine Textstelle vom Zitatrecht erfasst ist, kann zur Haarspalterei werden. Es wird zumindest ein konkreter Zitatzweck gebraucht, um die eigene Aussage zu unterstützen, um so die Übernahme zu rechtfertigen. So kommt es zunächst einmal auf den Umfang der Textstellen und die konkreten Kommentierungen an, die veröffentlicht werden sollen.
Vorliegend käme das „Großzitat“ in Betracht. Dies ist in § 51 S.2 Nr.1 UrhG geregelt und erlaubt die Übernahme ganzer Texte in andere, wissenschaftliche Werke (z.B. Dissertationen) zur Erläuterung des Inhalts. Die Frage, die sich dann stellt, ist, ob die Artikel bzw. Kommentierungen am Rand als wissenschaftliche Arbeit zu klassifizieren sind – was man zumindest unterstellen kann –, und ob sie tatsächlich in der Form erarbeitet sind, dass die Textstellen aus dem Buch die Zitate nur zur Erläuterung stützen oder ob dies nicht eher anders herum gesehen werden muss. Man wird dem Verleger zwar zumindest eingestehen müssen, dass ein öffentliches Interesse bestehen kann, wenn es um kritische Auseinandersetzungen mit dem Buch geht. Hierfür muss es jedoch zu einer tatsächlichen geistigen Auseinandersetzung mit dem Buch kommen und die Veröffentlichung nicht den einzigen Zweck verfolgen, einen Grund für die Herausgabe des Buches selbst zu liefern. Wie auch bei LTO nachzulesen, kann man sich nämlich durchaus vorstellen, dass die Kommentare eher untergeordnetes „Beiwerk“ darstellen würden.
Neben dem „Großzitat“ kommt auch das „Kleinzitat“ in Betracht, § 51 S.2 Nr.2 UrhG. Hierbei dürfen Textstellen übernommen werden, die den geschlossenen Gedanken(gang) des Urhebers darstellen und (ebenfalls) zur Erläuterung des eigenen Textes dienen. Dabei ist es wie beim Großzitat zu bedenken, dass die Kommentare durch die Textstellen gestützt werden müssen, nicht umgekehrt. Zudem sind beim Kleinzitat nur „Stellen“ des Buches zu zitieren. Je größer der Umfang wird, desto eher wird man geneigt sein, die Textstellen als Zitat abzulehnen.
Das Groß- und und Kleinzitat sind allerdings nur Möglichkeiten, in welchen Fällen die Zitierfreiheit „insbesondere“ in Anspruch genommen werden kann. Als letzte Möglichkeit kann daher noch die Grundregel des § 51 S.1 UrhG greifen, sprich, wenn andernfalls der Zitatzweck vereitelt werden würde. So kommt noch die Besonderheit zur Geltung, dass es neben dem wie auch davon abhängt, wo die Veröffentlichung stattfindet. So könnte man sich vorstellen, dass eine kritische Auseinandersetzung im geplanten Umfang im Rahmen einer Vorlesung durchaus möglich wäre, die Veröffentlichung in der Zeitung jedoch nicht (mehr).
Entscheidend wird der Umfang sein
Ohne zu wissen, was genau veröffentlicht werden sollte und wie die Kommentierungen aussehen, lässt sich hier natürlich nur vage vermuten, wie die rechtliche Lage zu beurteilen ist. Festzuhalten bleibt jedoch, dass es sehr stark auf das Verhältnis von „zitierten“ Textstellen zu den Kommentierungen ankommt.
Schon länger wird eine wissenschaftlich-kritische Auseinandersetzung mit dem Buch „Mein Kampf“ gefordert. Doch das Finanzministerium will sogar so weit gehen, dass der freien Veröffentlichung von „Mein Kampf“ auch nach Erlöschen des Urheberrechts nach 70 Jahren die Straftatbestände des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und der Volksverhetzung entgegenstehen. Anders sieht das Prof. Dr. Jörg Fritzsche, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Regensburg,. Eine wissenschaftlich-kritische Aufbereitung des mystifizierten Werks sei nicht zwingend ausgeschlossen.
Wie die Diskussionen weitergehen, bleibt abzuwarten.
Weiterführende Links und Quellen:
- LegalTribuneOnline
- Stern
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