Initiative für faires Urheberrecht – kritisch betrachtet

Momentan stolpert man im Internet hier und da über die Initiative für faires Urheberrecht. Kurz gesagt wird für einen fairen Ausgleich zwischen Urheber und Werknutzer plädiert. An sich eine wohl sehr löbliche Angelegenheit. Aber um die Diskussion anzukurbeln hier mal ein paar Worte dazu.

Was wird gefordert

Das Urheberrecht in seiner jetzigen Form wird als unzureichend oder besser gesagt, für zu unverständlich und altbacken angesehen. In der heutigen Gesellschaft würden die Digitalisierung und das Internet dafür sorgen, dass ein Werk in Sekundenschnelle millionenfach abgerufen werden könne. Daher seien Urheberrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Es müsse eine Rechtsvereinfachung her.

Weiter setzt man sich für ein „Fair Use“ im Urheberrecht ein. Es sei dem Gesetzgeber nicht möglich, das Urheberrecht jedem Entwicklungsschritt anzupassen. Um in Streitfragen flexibel auf neue technologische Entwicklungen reagieren zu können, müsse das Fair-Use-Prinzip in das Urheberrecht aufgenommen werden. Die Kriterien für “Fair Use“ seien so zu definieren, dass Gerichte Entscheidungen treffen können, die der Lebenswirklichkeit entsprechen; so auf der Homepage nachzulesen.

Als Drittes wird gefordert, dass es keine Netzsperren geben dürfe. Denn einem Kaufhausdieb würde auch niemand als Sanktion den Zugang zu Zeitungen oder dem Fernsehen zu verbieten.

Die Rechtsvereinfachung

Um am Anfang festzuhalten: Über die Novellierung des Urheberrechts könnte man Bücher schreiben und endlos diskutieren. Auch wir sehen Handlungsbedarf, da das Urheberrecht an das digitale Zeitalter angepasst werden muss und nicht erst eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen Klarheit verschaffen sollte.

Davon abgesehen, sind die Ansätze der Initiative „Faires Urheberrecht“ teilweise jedoch zu pauschal gehalten bzw. gehen schlicht in die falsche Richtung.

Es fängt bereits damit an, dass das Urheberrecht zu unverständlich sei und Urheberrechtsverletzungen daher „schlichtweg aus purer Unkenntnis der geltenden Rechtslage“ geschehen würden. Das mag ja an wenigen Stellen so sein, präzisiert aber nicht das Problem. Denn prinzipiell weiß eigentlich jeder, dass man die Hände von fremden Gütern lassen soll.

Das Problem ist, dass viele Leute glauben, im WWW anonym und nur einer von Vielen zu sein um dementsprechend in der Menge unterzugehen. Auch ein „vereinfachtes“ Gesetz hilft hier nicht weiter. Es ist weniger die Unkenntnis der Rechtslage als schlichtweg das fehlende Unrechtsbewusstsein im Umgang mit immateriellen Gütern. Sehr oft hört man daher die Ausrede: „Aber das macht doch jeder“.

Da fragt sich doch, was novelliert werden sollte. Viel eher sollte man wohl das Unrechtsbewusstsein der Nutzer aufpolieren. Nur weil infolge der zunehmenden Digitalisierung auch häufiger Rechtskollisionen auftreten und man schnell und einfach fremde Inhalte, Bilder etc. vervielfältigen und weiterverbreiten kann, darf dies nicht dazu führen, die an sich rechtswidrige Handlung zu verharmlosen. Dem Urheber sollte prinzipiell ein Gegenwert zustehen, wenn sein Werk genutzt wird.

Das muss jedoch nicht abhalten, diesen Gegenwert auch auf verschiedene Arten zu gewähren. So kann man durchaus an pauschalisierte Abgaben denken (wie bisher z.B. schon die Geräteabgabe besteht – die fast jeder zahlt und von der kaum einer weiß). Zu grundlegenden Überlegungen sind hier die Modelle des co:llaboratory aufzugreifen, über die wir schon kurz berichtet haben.

Auch die Bundesregierung hat bereits Stellung bezogen (BT-Drucks 17/6678):

Nach Auffassung der Bundesregierung darf das Internet kein urheberrechtsfreier Raum sein. Vielmehr gilt das Urheberrecht gleichermaßen im Online wie im Offlinebereich. Die Bundesregierung wird das Urheberrecht deshalb entschlossen mit dem Ziel weiterentwickeln, ein hohes Schutzniveau und eine wirksame Durchsetzbarkeit des Urheberrechts zu gewährleisten. Sowohl in der digitalen Welt wie im analogen Bereich gilt: Grundsätzlich soll allein der Urheber entscheiden, ob, auf welche Art und Weise und für welches Entgelt sein Werk genutzt werden darf. Die zurzeit vorliegenden Modelle der „Kulturflatrate“ oder der „Kulturwertmark“ bereichern die Diskussion über die weitere Ausgestaltung des Urheberrechts; sie tragen aber dem zuvor dargestellten urheberrechtlichen Grundverständnis nach Auffassung der Bundesregierung nicht ausreichend Rechnung.

Hier lässt sich also mit Spannung erwarten, wie der Referentenentwurf ausfällt.

Das „Fair Use“-Prinzip

Mit dem „Fair-Use“ will man sich den Grundzügen aus dem amerikanischen Recht nähern (§ 107 U.S.C.). Darin wird keine Verletzung anerkannt, wenn die Nutzung „for purposes such as criticism, comment, news reporting, teaching (including multiple copies for classroom use), scholarship, or research“ geschieht. Es werden also keine Urheberrechtsverletzungen angenommen, wenn die Handlung im Bereich der Bildung stattfindet. Weiter sind darin Faktoren benannt, wann eine Werknutzung „Fair Use“ sein soll:

(1) the purpose and character of the use, including whether such use is of a commercial nature or is for nonprofit educational purposes;

(2) the nature of the copyrighted work;

(3) the amount and substantiality of the portion used in relation to the copyrighted work as a whole; and

(4) the effect of the use upon the potential market for or value of the copyrighted work.

Vom Grundsatz her klingt das sehr interessant, insbesondere weil die „Gesellschaft“ davon profitieren kann. Es dürfte aber an der Umsetzung hapern. Die Initiative spricht es selbst an:

Die Kriterien für “Fair Use” sind so zu definieren, dass Gerichte Entscheidungen treffen können, die der Lebenswirklichkeit entsprechen.

Sollte es also bei pauschalen Rahmenbedingungen bleiben, werden vermehrt gerichtliche Entscheidungen benötigt, um ungefähr einzugrenzen, was unter diese Faktoren zu fassen wäre. Das geht wohl in die falsche Richtung und führt eher zu einer größeren Ungewissheit als zu einer Klärung der Urheber- und Nutzungsrechte. Gerichtsentscheidungen sind in der Regel Einzelfälle, die nur Hinweise zur Auslegung geben können, nicht aber zu verallgemeinern sind.

Die Netzsperren

Dass Netzsperren als Strafe für Urheberrechtsverletzungen eingeführt werden, kann im Einzelfall berechtigt und sinnvoll sein – beispielsweise wenn der Internetzugang nachweislich nur oder hauptsächlich benutzt wird, um rechtswidrige Handlungen durchzuführen. In der Praxis ist dies aber kaum nachweisbar und daher sollte der Gedanke der Netzsperre erst einmal zurückgestellt werden. Es könnte sonst leicht dazu führen, dass ein Großteil der Nutzer vom Internet abgeschnitten wird und man sich sogar wirtschaftlich ins eigene Fleisch schneidet. Eine Urheberrechtsverletzung muss schließlich nicht einmal vorsätzlich begangen werden.

Was die direkten Auswirkungen sein können, wird man sich in Frankreich anschauen können. Dort ist das „Three-Strike“-Modell bereits in Kraft getreten. Wie die längerfristigen Auswirkungen aussehen ist bisher eher hypotetischer Natur.

Es bleibt festzuhalten

Die Ansätze der Initiative „Faires Urheberrrecht“ sind nicht wirklich neu. Doch bietet sich die Plattform geradezu an, um ein paar Worte darüber zu verlieren. Auch wenn in diesem Beitrag eine kritische Betrachtung erfolgt, ist die Initiative zu begrüßen und regt zur Diskussion an. Der Bericht der co:llaboratory kann für Interessierte ebenfalls lohnenswert sein. Schlussendlich kann man für viele Ansichten gute Argumente finden. Wir werden daher mit Interesse weiterverfolgen, wie im neuen Jahr der Referentenentwurf ausfällt und die Novellierung voranschreitet.

(Bild: © Bobo Ling – Fotolia.com)

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